16. Mai 2023, 19:37 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Ein neu veröffentlichtes Papier hat einen der einzigartigsten und seltsamsten Fälle der Medizingeschichte wiederentdeckt: „Patient M“, der Mann, der die Welt nach einem Kopfschuss seitenverkehrt sah.
Ein Mann, der als „Patient M“ bekannt werden sollte, wurde während des Spanischen Bürgerkriegs im Mai 1938 an der valencianischen Front durch eine Schusswaffe verletzt. Er erlitt einen Kopfschuss, wurde ins Krankenhaus gebracht und überlebte ohne Operation wie durch ein Wunder. Als er zwei Wochen später aufwachte, war die Welt eine andere. Genauer: Der erlittene Kopfschuss verletzte das Gehirn so, dass er seine Umwelt nur noch seitenverkehrt bzw. kopfüber wahrnahm.
Übersicht
Was es heißt, die Welt „rückwärts“ zu sehen
In dem Forschungstext, der im spanischen „Journal of Neurology“ veröffentlicht wurde, offenbarte sich die Wahrnehmung des Mannes als im wahrsten Sinne des Wortes verrückt:1 Menschen und Gegenstände, die für ihn von links nach rechts kamen, tauchten in Wahrheit von rechts auf und bewegten sich nach links. Patient M fand es beispielsweise auch seltsam, dass er Männer kopfüber auf einem Gerüst arbeiten sah. Er konnte sowohl normal als auch verkehrt herum gedruckte Buchstaben und Zahlen lesen, ohne dass sein Gehirn einen Unterschied zwischen beidem erkennen konnte. Er konnte die Uhrzeit seiner Armbanduhr von jedem Blickwinkel aus ablesen. Seine bizarren Symptome gingen noch weiter: Farben lösten sich von Gegenständen ab, einige Objekte erschienen in dreifacher Ausführung, bestimmte Farben konnte er gar nicht mehr sehen und auch Gehör und Tastsinn schienen vertauscht.
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Ein Fall, der die Hirnforschung revolutionierte
Patient M sollte der Forschung noch große Dienste erweisen und wurde fast 50 Jahre lang vom spanischen Neurowissenschaftler Justo Gonzalo untersucht. So half der kuriose Fall der Wissenschaft, das Gehirn besser zu verstehen. Damals glaubte man noch, dass das Hirn in verschiedene Bereiche unterteilt ist, von dem jede seine eigene Funktion bzw. Aufgabe hat. Überraschenderweise meisterte der Patient seinen Alltag ohne Schwierigkeiten und ging erstaunlich gelassen mit seinem Schicksal um. Gonzalo schloss unter anderem daraus, dass der Kopfschuss die Welt seines Schützlings deshalb seitenverkehrt „anzeigte“, weil die Verletzung nicht eine bestimmte Funktion zerstörte hatte, sondern vielmehr das Gleichgewicht des Hirn-Systems beeinträchtigte. Eine für die damalige Zeit neue, mittlerweile weithin etablierte Theorie.
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Fall fast in Vergessenheit geraten
Gonzalo identifizierte drei Syndrome:
- zentral (Störungen über mehrere Sinne)
- parazentral (ungleiche Verteilung der Störungen)
- marginal (nur bestimmte Sinne sind betroffen)
Der Hirnforscher leistete damit ganze Pionierarbeit. Fast wäre der Fall in Vergessenheit geraten. Hätte nicht Gonzalos Tochter, die Physikerin Prof. Gonzalo-Fonrodona in den Archiven ihres Vaters Hunderte Dokumente und Fotos zu Patient M. entdeckt. Um seine Arbeit zu würdigen, wurde der kuriose Fall des Kopfschusses, der für eine „seitenverkehrte Weltsicht“ sorgte, noch einmal neu zusammengefasst und veröffentlicht.
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Quellen
- 1. García-Molina, A., Gonzalo-Fonrodona, I. (2023). Redescubriendo al paciente M: Justo Gonzalo Rodríguez-Leal y su teoría de la dinámica cerebral. Neuologia.