20. Juli 2021, 4:43 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Ein hoher Blutdruck wird von Betroffenen selbst oft nicht erkannt. Ein Armband des Schweizer Start-ups Aktiia soll mit einem optischen Messverfahren helfen, ihn rund um die Uhr zu messen. Ein Praxistest.
Jeder dritte Mensch in Deutschland hat nach einer Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) einen zu hohen Blutdruck. Bei einigen Menschen mit einem sehr ausgeprägten Risikoprofil ist der Nachweis eines hohen Blutdruckes besonders wichtig. Das können etwa erhöhte Cholesterinwerte, Zuckerkrankheit oder Herzerkrankungen in der Familie sein. Bei diesen Patienten kann eine 24 Stunden Blutdruckmessung erforderlich werden. Hier besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt beziehungsweise Schlaganfall zu erleiden. Oder sie könnten von der Peripheren arteriellen Verschlusskrankheit („Schaufensterkrankheit“) betroffen sein. Und das sind auch in Deutschland Millionen. Insbesondere an diese Personengruppe richtet sich das Schweizer Start-up Aktiia, das mit einem Armband eine Überwachung des Blutdrucks über einen längeren Zeitraum hinweg rund um die Uhr ermöglichen will.
Übersicht
Wie funktioniert das Akiia-Armband?
Die klassische Methode einer 24-Stunden-Blutdruckmessung ist für die Patienten sehr belastend: Alle 15 Minuten pumpt sich die Manschette am Oberarm auf, klemmt den Blutfluss ab und der Blutdruck wird gemessen. Nachts misst das Gerät jede halbe Stunde. Diese Messung findet allerdings nicht dauerhaft statt, sondern höchstens gelegentlich zur Überprüfung des Blutdrucks.
Das Armband von Aktiia, das wie ein einfacher Fitness-Tracker aussieht, verwendet eine andere Technik. Mit der sogenannten Pulswellenanalyse werden optische Signale am Handgelenk der Patienten verarbeitet und der Blutdruck recht genau geschätzt. Dabei leuchtet das Armband an der Innenseite mit grünem Licht, um festzustellen, wie die Arterien unter der Hautoberfläche pulsieren.
Dieses Verfahren kennt man auch von Herzfrequenzmessern oder Smartwatches mit einem Pulsmesser. Das Gerät von Aktiia zählt aber nicht nur die Herzschläge, sondern nimmt die Pulsformung mit künstlicher Intelligenz unter die Lupe.
Etwas hakelige Kalibrierung
Das Verfahren wurde über 15 Jahre hinweg von einem Team rund um die Forscher Mattia Bertschi und Josep Solà am Tech-Zentrum CSEM (Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique) in der Schweiz entwickelt. Ganz ohne traditionelle Messtechnik kommt auch das Armband nicht aus: Es muss nämlich vor der ersten Benutzung und dann jeden Monat einmal mit dem beiliegenden Manschetten-Messgerät kalibriert werden. Im Praxistest zeigte sich hier eine Schwachstelle.
Der Abgleich zwischen der Referenz-Manschette und dem Armband erwies sich als sehr fummelig und gelang jeweils erst nach mehreren Anläufen. Immerhin hat man nach einer erfolgreichen Kalibrierung einen Monat lang Ruhe. Das Armband kann man über eine Woche am Stück tragen, denn es muss nur alle neun Tage aufgeladen werden.
Messdaten gibt es in der App oder per PDF-Export
Zum Aktiia-System gehört eine App, die via Bluetooth Kontakt mit der Manschette und dem Armband aufnimmt. In der Anwendung sieht man zu einen den Verlauf im Zweistundenzeitraum über den Tag hinweg. Man kann sich aber auch Wochen- oder Monatsberichte zusammenstellen lassen, die man auch als PDF für einen Arztbesuch exportieren kann.
Leider ermöglich Aktiia keinen Export der Rohdaten in einer Tabelle oder über die Gesundheitsanwendungen von Apple und Google, um sie in einem größeren Kontext mit anderen Daten wie dem Körpergewicht darzustellen. In der Tagesübersicht fällt auf, dass hin und wieder ein Eintrag im Zweistundenzeitraum fehlt. Das Aktiia-Armband misst nämlich nur im Ruhezustand den Blutdruck. Wenn sich Nutzer körperlich betätigen oder das Handgelenk flott bewegen, pausieren die Messungen.
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Fazit: Nicht billig, im Bedarfsfall praktisch
Das Armband von Aktiia, das sich nicht sehr hochwertig anfühlt, ist nicht billig. Es kostet 200 Euro oder 208 Euro in einem Ratenzahlprogramm. Zum Vergleich: Der Testsieger von Stiftung Warentest (2016) unter den konventionellen Blutdruckmessgeräten ist im Handel für knapp 40 Euro zu haben. Mit herkömmlichen Geräten kann man aber auch nicht ungestört die nächtlichen Blutdruckwerte im Blick behalten.