30. März 2020, 4:34 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die Chefin hat Überstunden angeordnet und der Sohn den neuen BMW gegen das Garagentor gesetzt? Tiefes Durchatmen ist oft die beste Lösung. Stress betrifft jeden von uns. Damit so umzugehen, dass er einen nicht krank macht oder resignieren lässt, erfordert viel Übung. „Ängste und Wut belasten nicht nur unsere Psyche. Auch das Herz und die Verdauung leiden. Autogenes Training kann helfen, zur Ruhe zu kommen.“ Das jedenfalls behauptet die zertifizierte Entspannungstherapeutin Anja Thiesbürger. Wir wollten es genau wissen und erfahren, ob Autogenes Training wirklich so effektiv ist, um Stress und Anspannungen zu lösen.
Die Suche nach innerer Ruhe ist vermutlich so alt wie die Menschheit. In der Antike betrachteten die Philosophen der Stoa „heitere Gelassenheit“ als größte Tugend und indische Yogis waren sicher, dass unser Streben nach Besitz die Ursache für alles Leid auf der Welt ist. Als Erfinder des Autogenen Trainings gilt der Berliner Johannes Heinrich Schultz, der während der NS-Zeit für zahlreiche Greueltaten verantwortlich war. Der Psychiater suchte bereits vor dem Ersten Weltkrieg nach einem System, mit dem seine Patienten ihre Nervosität bekämpfen konnten und veröffentlichte 1932 sein Buch „Das Autogene Training“. Heute hat das System weltweit Millionen überzeugte Anhänger.
Was ist Autogenes Training und welche Vorteile bietet es mir?
„Autogenes Training ist ein wissenschaftlich anerkanntes System, das nachweislich die psychische Belastbarkeit erhöhen kann“, erklärt Anja Thiesbürger. „Grundlage sind verschiedene Übungen, die Körper und Geist entspannen und in einem Kurs erlernt werden sollten. Denn nur wenn Autogenes Training richtig und konsequent durchgeführt wird, entfaltet es seine volle Wirkung.“ Einige Leiden, die durch die Entspannungsübungen gelindert werden können, sind unter anderem:
- ein nervöser Magen-Darm-Trakt
- Bluthochdruck
- Kopfschmerzen
- Verspannungen
- Schlafprobleme
- Angststörungen und Panikattacken
„Autogenes Training ist sicher kein Allheilmittel, aber es trägt dazu bei, dass wir das Leben trotz Stress wieder mehr genießen können und auch leistungsfähiger werden.“ Ist Autogenes Training also vor allem etwas für Burnout-gefährdete Manager? „Nein. Jeder, der gelassener durch den Tag gehen möchte, profitiert“, sagt Anja Thiesbürger.
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Wie funktioniert Autogenes Training?
Einsteiger beginnen mit der sogenannten Schwereübung. Legen Sie sich dazu auf den Rücken und positionieren Sie Ihre Arme neben dem Oberkörper. Auch die Beine bleiben flach auf dem Boden liegen. Nun schließen Sie die Augen und denken den folgenden Satz: „Mein rechter Arm ist angenehm schwer.“ Falls Sie Linkshänder sind, beginnen Sie mit dem linken Arm. Stellen Sie sich vor, wie Ihr Arm immer schwerer wird und ruhig auf dem Boden liegt. Wiederholen Sie den Satz einige Male im Kopf und konzentrieren Sie sich auf Ihren Körper. Auch Sätze wie „Meine Beine sind warm“ oder „Meine Stirn ist angenehm kühl“, sind Beispiele für Formeln, die beim Autogenen Training angewendet werden.
Wer Probleme hat, zur Ruhe zu kommen, sollte zunächst eine einleitende Entspannungsübung absolvieren. Schließen Sie die Augen und denken Sie den Satz: „Ich bin ganz ruhig, nichts kann mich stören.“ Konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem und diesen Satz. Nach einiger Zeit werden Sie feststellen, dass Sie tatsächlich ruhiger und entspannter werden.
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Wie viel Zeit benötigt Autogenes Training?
In jeder größeren Stadt werden Kurse angeboten, in denen Entspannungstherapeuten die Grundlagen des Autogenen Trainings vermitteln. Diese Kurse werden oft von den Krankenkassen bezuschusst und dauern rund acht Wochen. „Bis die Übungen verinnerlicht sind und allein zu Hause durchgeführt werden können, ist die Anleitung durch kompetente Trainer wichtig“, betont die Entspannungstherapeutin. „Wer in der Nähe keine Gruppe findet oder lieber zu Hause üben möchte, kann auch einen Online-Videokurs buchen. Achten Sie auf die Qualifikation der Anbieter, denn gerade auf Youtube kursieren viele Videos, die mehr in die Irre führen, als das sie wirklich weiterhelfen.“
Richtig angewendet, sei Autogenes Training eine ideale Hilfe zur Selbsthilfe, die problemlos in den Alltag integriert werden könne. „Stille oder Entspannung sind für viele Menschen heute keine positiven Begriffe, sondern werden mit Langeweile verwechselt. Autogenes Training zeigt uns, wie wir achtsamer werden und aus dem Hamsterrad ausbrechen können. Davon profitiert jeder Aspekt unseres Lebens – auch die eigene Karriere.“