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Alkfrei-Kolumne

An diesem Horror-Tag wäre ich fast schwach geworden

Für die meisten Deutschen unvorstellbar: ein ganzes Jahr ohne Alkohol. Unser Autor, FITBOOK-Redakteur Markus Hofmann, will genau das ausprobieren. Hier kommt Teil 7 der großen FITBOOK-Challenge.
Für die meisten Deutschen unvorstellbar: ein ganzes Jahr ohne Alkohol. Unser Autor, FITBOOK-Redakteur Markus Hofmann, will genau das ausprobieren. Hier kommt Teil 7 der großen FITBOOK-Challenge. Foto: Getty Images
Markus Hofmann

19. November 2019, 7:03 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Mittlerweile trennen mich nur noch wenige Wochen von der Ziellinie – und schon seit längerer Zeit wuchs in mir die Zuversicht, dass ich das Jahr ohne einen Tropfen Alkohol packen würde. Bis zu einem unerwarteten Doppelschlag in meinem Privatleben.

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Vor etwa fünf Wochen kündigte ich vollmundig an, in spätestens zwei Wochen den nächsten Teil meiner Alkfrei-Kolumne zu veröffentlichen – der natürlich erst heute rauskommt. Wenigstens bin ich noch trocken. Und wie ich schon im letzten Teil hochdramatisch ankündigte, ist in der Zeit, in der es auffällig ruhig um mich war, verdammt viel passiert. Unter anderem war ich auf einem Junggesellenabschied in Polen, der – nüchtern betrachtet – gar nicht mal so viel Spaß gemacht hat. Doch das war noch lange nicht der Höhe-, oder besser: Tiefpunkt meiner dreimonatigen Kolumnen-Pause.

Doch die gute – fast schon breaking-news-taugliche – Nachricht zuerst: Ich habe in Berlin bezahlbaren Wohnraum gefunden. Yay! Nach neun Jahren in Neukölln bin ich endlich aus einer Wohnung ausgezogen, in der ich mich nie wirklich wohlgefühlt habe, und habe in den Osten der Hauptstadt rübergemacht. Warum ich es so lange nicht geschafft habe, meinen Allerwertesten hochzukriegen? Keine Ahnung. Ich bin mir aber sicher, dass ich es auch dieses Jahr wieder nicht auf die Kette gekriegt hätte, wenn ich mein Jahr 2019 nicht alkfrei bestreiten würde. Es fehlte mir in der Vergangenheit irgendwie immer der letzte Wille – aber dafür nie an Ausreden –, mir eine neue Bude zu suchen.

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Alle bisherigen Teile der Kolumne:

  1. 7 Gründe, warum ich ein Jahr keinen Alkohol trinken will!
  2. So geht es mir nach einem Monat ohne Alkohol!
  3. Warum meine Alkoholpause eigentlich ein Entzug ist
  4. So hat die Frauenwelt auf meinen Alkoholverzicht reagiert
  5. So hat sich mein Leben nach sechs alkoholfreien Monaten verändert
  6. So lief mein erster Junggesellenabschied ohne Alkohol

Und was ist jetzt Schlimmes passiert?

Ein Leserbrief aus der Zukunft

Dazu muss ich kurz ausholen: Die ganzen letzten Monate über beschlich mich regelmäßig das Gefühl, dass die wahre Challenge noch auf mich warten würde. Zu glatt lief bisher mein Jahr ohne Alkohol, zu leicht gingen selbst die lauen Sommerabende vor schicken Bars und Spätis mit Apfelschorle statt Augustiner in der Hand von der Hand. Und nennt mich Krake Paul, aber kurz nach dem Umzug begann tatsächlich mein persönlicher Hindernislauf.

An dieser Stelle kann ich auch endlich (neun)mal(klug) Goethe zitieren und zauberlehrlinghaft beklagen: „Die Geister, die ich rief, die werde ich nicht mehr los.“ In Folge 4 schrieb ich ja fast schon provokant: „Um so richtig beantworten zu können, wie Frauen meinen Entschluss finden, müsste man eigentlich Single sein.“ Zack, gesagt, getan. Meine Freundin und ich sind nicht mehr zusammen. Einer, der das schon lange hat kommen sehen, war ein freundlicher Leser namens Stephan. Der prophezeite mir in einer E-Mail schon im Februar „Stress mit der Alten” und machte mir Mut, indem er orakelte: „Warte mal ab, der Zoff wird kommen…” Und er kam tatsächlich. Nur hatte er aber letztlich nichts mit dem Alkohol – oder dessen Ausbleiben – zu tun.

Fazit nach zwei nunmehr Monaten Singletums: Die gemeine Tinderella (Tinderella vulgaris) findet meinen Entschluss, auf Alkohol zu verzichten, ziemlich spannend – aber Dates auf Apfelschorle machen trotzdem keinen Spaß. Am Ende ist Alkohol schon auch ein soziales Schmiermittel, das muss man dem alten Teufel schon lassen.

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Vom Regen in die Traufe – innerhalb von wenigen Minuten

An jenem Tag im September ging meine Beziehung also in die Brüche. Kaum zu Hause angekommen, das Geheule hatte endlich aufgehört, erhielt ich von einem sehr guten Kumpel eine beunruhigende Nachricht. Er war mit einem gemeinsamen Freund zum Fußballspielen verabredet, der sei aber einfach nicht aufgekreuzt. Als ich dessen Freundin anschrieb, erfuhr ich: Auch ein Treffen mit ihr hatte er kommentarlos platzen lassen – und war seit Stunden wie vom Erdboden verschluckt. Ich zählte eins und eins zusammen und kam auf Katastrophe. Nach einer waghalsigen Kletteraktion auf den Balkon unseres vermissten Freundes, um auszuschließen, dass er in irgendeiner Form hilflos in seiner Wohnung lag, brachte ein Zufallsanruf in einem Berliner Klinikum beunruhigende Gewissheit: Unser Freund befand sich nach einem schweren Autounfall und einer lebensrettenden Not-OP auf der Intensivstation.

Sofort düsten wir ins Krankenhaus, wo uns die Ärztin über die Schwere des Aufpralls aufklärte. Die Liste an Brüchen und inneren Verletzungen war so lang, dass ich auf einmal unkontrolliert losheulen musste, Klappe, die zweite für den Tag. Am Ende kam ich um halb 3 in meiner Wohnung an – und wusste nur, dass mein Freund am nächsten Morgen eine weitere Mammut-OP vor sich hatte, um das Ausmaß der Verletzungen abschließend beurteilen zu können. Und ich wusste, dass mir jetzt ein Bier so unendlich guttun würde. Das war ein richtiger Dreckstag und kein Mensch hätte es mir übelgenommen, wenn ich genau in jenem Moment mein Nüchtern-Gelübde gebrochen hätte. Aber, und ein fettes Aber: Es war eben auch die heraufbeschworene echte „Challenge“, die es zu überstehen galt. Zwei Schläge an einem Tag. Paff paff. Würde ich stark bleiben?

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Auch interessant: Das bringt es, einen Monat auf Alkohol zu verzichten

Ja, bin ich. Denn wem hätte es irgendwas gebracht, wenn ich mich in jener Nacht mit Alk abgelenkt hätte? Die Beziehung war eh schon k.o.,  mein Freund wenige Stunden später erneut im OP und kein Rausch der Welt hätte daran irgendetwas besser gemacht. Als vor einigen Jahren klar war, dass mein Vater in wenigen Wochen sterben würde, entschied ich mich in der „heißen Phase“ dazu, auf Alk zu verzichten. Ich halte nichts davon, die Schlüsselmomente eines Lebens – und dazu gehören nun mal auch die schmerzhaften – nicht bewusst zu erleben. Hätte ich mir damals erlaubt, Alkohol zu trinken, hätte ich sicherlich jeden Abend meine aufkeimende Trauer weggesoffen.

Und noch ein Gedanke kreist mir durch meine bierfreie Birne: Was soll mich jetzt noch aufhalten? Huch, schon wieder das Schicksal arrogant herausgefordert. Mal sehen, was das noch nach sich zieht…

Und wer letztens nicht dazu kam (oder einfach nicht genug davon bekommt), mich für mein Vorhaben zu beleidigen, kann das gerne mit einer E-Mail an info@fitbook.de tun. 

Themen Alkohol
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