8. August 2022, 17:16 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Immer mehr Wissenschaftler sehen das Herpes-Virus als eine der Ursachen für Alzheimer. Bisher wusste man allerdings noch nicht genau, wieso es die Demenzerkrankung auslösen kann. US-Forscher haben nun die Antwort und herausgefunden, dass noch ein weiteres Virus bei seiner Wirkung eine Rolle spielt.
Seit Längerem wird darüber diskutiert, welche Bedeutung das Herpes-simplex-Virus (HSV) für Alzheimer hat. Sie hat eine, da sind sich viele Forscher einig. Eine neue Studie beweist das erneut – zeigt aber auch, dass ein weiterer Übeltäter eine Rolle spielt, nämlich das Varizella-zoster-Virus. Gemeinsam könnten sie eine wesentliche Ursache für die Demenzerkrankung sein. Wer also schon mal an Windpocken erkrankt ist und zusätzlich das HSV in sich trägt, hat ein höheres Risiko, später an Alzheimer zu leiden. Denn wenn die beiden viralen Erreger im Gehirn zusammenwirken, kann das latent schlummernde Herpesvirus eine Entzündungsreaktion hervorrufen und die Bildung sogenannter Alzheimer-Plaques begünstigen, wie US-Forscher berichten.1
Übersicht
Forscher finden mögliche Ursache für Alzheimer
Von 1,6 Millionen Demenzerkrankten in Deutschland ist der Großteil von Alzheimer betroffen.2 Hier kommt es durch Absterben von Gehirnzellen zu Gedächtnisverlust und kognitivem Abbau. Eines der Hauptmerkmale der Krankheit sind sogenannte ,,Alzheimer Plaques“, sprich Eiweiß-Ablagerungen, die sich an der Außenseite von Nervenzellen ansammeln. Ein Forscher-Team um Dana Carins von der Tufts University in Medford, Massachusetts, hat nun herausgefunden, dass diese Eiweiß-Plaques bei Menschen, die das Herpes-simplex-Virus und das Varizella-zoster-Virus in sich tragen, verstärkt angestoßen werden. Eine gemeinsame Wirkung beider Virus-Arten gelte damit als eine der wesentlichen Ursachen für die Alzheimer-Krankheit.
Herpes-Virus Grund für Alzheimer
Wer Herpes hört, denkt zunächst an die kleinen Lippenbläschen, die das Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV1) verursacht. Zur Familie der Humanen Herpesviren gehören aber noch weitere, wie das Varizella-zoster-Virus (VZV), das Windpocken und später Gürtelrose auslösen kann. Nach der Erstinfektion verbleiben Herpesviren in einer Art Ruhemodus lebenslang im Körper und können im Alter wegen des schwächeren Immunsystems wieder ausbrechen. In der Forschung wurde das Herpes-simplex-Virus Typ 1 inzwischen sogar als wesentliche Ursache für Alzheimer fest gemacht. So hat man entdeckt, dass verstorbene Patienten vermehrt Herpeserreger im Gehirn hatten oder Mäuse mit kognitivem Verfall einen Mangel des ,,Optineurin“-Proteins aufwiesen, das bei der Bekämpfung von Herpesviren hilft.3,4 Auch das Team um Dana Carins stellte in einer früheren Studie bereits fest, dass Herpesviren zur vermehrten Bildung von Alzheimer typischen Botenstoffen und Proteinablagerungen führen können.5 Nun wissen sie auch, warum.
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Varizella-Virus aktiviert Herpes-Erreger
Um herauszufinden, wann genau Herpesviren im Gehirn solche Alzheimer-Symptome hervorrufen, züchteten die Forscher aus neuronalen Stammzellen dreidimensionale Gewebekulturen, die aus menschlichen Neuronen und ihren Hilfszellen, den Gliazellen, bestanden. Im Anschluss infizierten sie diese Zellkulturen mit dem Herpes-simplex– und dem Varizella-zoster-Virus. Waren die Hirnzellen lediglich mit dem VZV infiziert, wurden zwar entzündungsfördernde Botenstoffe ausgeschüttet, nicht aber die Alzheimer-typischen Eiweiß-Plaques. Waren sie vorher allerdings schon mit dem Herpes-simplex-Virus infiziert, reaktivierte die Doppelinfektion die ruhenden HSV-1-Viren. Das wiederum hatte die zügige Bildung jener Eiweiß-Ablagerungen an den Nervenzellen zur Folge. Das bedeutet, dass der Windpocken-Erreger Entzündungssignale im Gehirn verursacht, die dann wiederum Herpes simplex aktivieren kann.
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Impfung kann schützen
Die Studienergebnisse zeigen, welche indirekte Rolle der Virazella-Virus für Alzheimer spielt: Er könnte womöglich die wahre Ursache sein. Eine Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus vom Typ 1 allein scheint die Demenzerkrankung nämlich nicht auszulösen – es muss reaktiviert werden, was durch den Windpocken-Erreger geschieht. Bei wem also das Varizella-zoster-Virus erneut ausbricht, z.B. als Gürtelrose, der trägt ein höheres Risiko in sich, dass auch das HSV1 reaktiviert wird. Und dadurch steigt auch die Wahrscheinlichkeit für Eiweißablagerungen an den Nervenzellen bzw. Alzheimer. Allerdings scheinen Menschen, die gegen Gürtelrose bzw. Windpocken geimpft sind, einen gewissen Schutz gegen die Reaktivierung des VZV in sich zu tragen. Auch Lippenbläschen würden nach Cairn bei Geimpften seltener auftreten, weil das HSV-1-Virus im Ruhezustand bleibt und damit keinen Schaden anrichten kann.
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Quellen
- 1. Cairns D.M., Ithhaki R.F., Kaplan D.L. (2022) Potential Involvement of Varicella Zoster Virus in Alzheimer’s Disease via Reactivation of Quiescent Herpes Simplex Virus Type 1. Journal of Alzheimer’s Disease.
- 2. Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. (2020). Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen. (aufgerufen am 8.8.2022)
- 3. Readhead B., Haure-Mirande J.V., Funk C.C. et al. (2018) Multiscale Analysis of Independent Alzheimer’s Cohorts Finds Disruption of Molecular, Genetic, and Clinical Networks by Human Herpesvirus. Neuron.
- 4. Shukla D, Patil C, Ames J et al. (2021): OPTN is a host intrinsic restriction factor against neuroinvasive HSV-1 infection. nature.
- 5. Cairns D.M., Rouleau N., Parker R.N. et al. (2020). A 3D human brain–like tissue model of herpes-induced Alzheimer’s disease. Science Advances.