12. April 2019, 17:21 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Wer schlecht schläft, neigt nicht nur zu Unkonzentriertheit. Er oder sie hat auch Schwierigkeiten, nicht schwarzzusehen. Nur eine emotionale Eigenschaft scheint unerschütterlich zu sein.
Fühlen Sie sich nach einer schlaflosen Nacht besonders schlecht gelaunt, wortfaul und bisweilen sogar angetrunken? Dann war das bisher keine Einbildung, unser Gehirn reagiert nämlich sehr empfindlich auf Schlafentzug und beeinflusst die Art und Weise, wie wir die Dinge um uns herum sehen und mit unseren Mitmenschen interagieren (oder eben nicht).
Eine schwedische Doktorandin hat sich jetzt des Zusammenhangs zwischen Schlafentzug und Emotionen angenommen. Sandra Tamm – von der Abteilung für klinische Neurowissenschaften am Karolinska Institutet in Stockholm – hat genauer gesagt in einer Studie untersucht, wie Schlafentzug unsere emotionale Wahrnehmung und Reaktionen beeinflussen kann.
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Dafür hat sie mithilfe von bildgebenden Verfahren (PET und MRT) drei Funktionen des menschlichen Gehirns untersucht: die „emotionale Ansteckung“ (bezeichnet in der Psychologie das Phänomen, wenn Menschen Gefühle und Emotionen anderer übernehmen); Reaktionen auf emotionale Bilder; sowie Empathie für Schmerz.
Das hat die Studie herausgefunden
In ihrer Untersuchung mit 117 Probanden kam sie auf folgendes Ergebnis:
Bei Menschen mit Schlafmangel zeigte sich, dass sie emotionale Reize häufiger negativ interpretierten. In der Wissenschaft spricht man hierbei von „Negativity Bias“, manchmal auch vom „Negativitätseffekt“. Damit ist gemeint, dass – selbst bei gleicher Intensität – negative Erfahrungen (z.B. Gedanken, Emotionen, Traumata) einen stärkeren Einfluss auf unsere Psyche ausüben als neutrale oder positive Erfahrungen.
Diese Negativitätsverzerrung könnte man – auf die Untersuchung umgemünzt – so zusammenfassen: Wer wenig oder gar nicht schläft, sieht die Welt (ein bisschen) schwärzer.
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Außerdem zeigte sich, dass schlaflose Probanden häufiger unter schlechter Laune litten und weniger gut imstande waren, emotionale Reaktionen bewusst zu steuern.
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Nur eine Fähigkeit des Menschen – passenderweise das, was uns vielleicht mit am „menschlichsten“ macht – blieb auch bei Schlafentzug unversehrt: unsere Fähigkeit, sich in den Schmerz anderer einzufühlen, mitzufühlen.
Auch wenn die Studie nicht herausfinden konnte, welche Prozesse genau dahinterstecken, glaubt Tamm, dass ihre Ergebnisse einen Beitrag dazu leisten, besser zu verstehen, warum Schlaf ein wichtiger Risikofaktor für psychische Erkrankungen darstellt:
„Die Ergebnisse können letzten Endes dabei helfen zu verstehen, inwiefern chronische Schlafprobleme, Schläfrigkeit und Müdigkeit psychiatrische Erkrankungen begünstigen, zum Beispiel indem sie das Risiko für Depressionen erhöhen.“