19. Mai 2020, 13:59 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Bei „Wer wird Millionär“ wetterte ein Ex-Kandidat gegen Powernaps, weil diese angeblich schlecht für den Nachtschlaf seien. FITBOOK wollte von einer Schlafforscherin wissen, was an den Behauptungen dran ist.
Montag Abend ging es bei Günther Jauch wieder um die Million – und als die Frage aufkam, wofür ein Schlüsselbund als gängiges Hilfsmittel taugt (Antwort: fürs Powernapping), entfachte dies kurzerhand eine kernige Diskussion zu den angeblichen Nachteilen des viel gelobten Mittagsschläfchens. Der Wirtschaftswissenschaftler und Psychologe Leon Winscheid, der 2015 bei Wer wird Millionär den maximalen Gewinn einstreichen konnte, sagte hierzu meinungsstark:
„Es ist übrigens selten dumm, dieses Powernapping zu betreiben, weil man sich da den natürlichen Schlafdruck für den Abend nimmt. Es gibt mittlerweile so viele Menschen, die Schlafprobleme haben, und die vertun sich und denken, ‚Ich mach im Büro kurz eine coole Viertelstunde Mittagsschlaf, wie ich es bei Google gesehen habe‘, und dann ist man abends nicht mehr fähig zu schlafen. Der Körper baut tagsüber einen Schlafdruck auf, und den macht man mit sowas kaputt.“
Hört sich erstmal nicht unlogisch an, doch Schlafexperten sind da anderer Meinung. Eine davon ist die Schlafforscherin Dr. Christine Blume, die in Basel am Zentrum für Chronobiologie zum menschlichen Schlaf forscht.
Das sagt die Schlafforscherin zu Powernaps
Aus Sicht von Dr. Blume würde ein Powernap NICHT generell bewirken, dass unsere innere (Schlaf-)Uhr aus dem Takt kommt: „Prinzipiell ist gegen einen Powernap am Nachmittag aus schlaftherapeutischer Sicht nichts einzuwenden, in vielen Kulturen ist er als Siesta ja sogar etabliert.“ Es sei jedoch wichtig, darauf zu achten, dass der Powernap nicht länger als 20 Minuten andauert, „eben um den Schlafdruck nicht so weit abzubauen, dass man in der Nacht nicht mehr schlafen kann“, so die Expertin weiter.
Dazu müsse man wissen, dass Schlaf über zwei Faktoren reguliert werde, erklärt Dr. Blume: „Der eine ist ein sogenannter zirkadianer Faktor – wir können in der Nacht einfach besser schlafen als am Tag. Der andere ist der Schlafdruck, der sich vom Aufstehen bis zum Zubettgehen stetig aufbaut und gemeinsam mit dem zirkadianen Faktor am Abend den Schlüssel zu einem guten Schlaf darstellt.“
Bei Menschen mit Schlafstörungen sei die Lage jedoch etwas anders, insbesondere bei Patienten mit einer Insomnie, sagt Dr. Blume. Bei diesen Patienten seien Mittagsschläfchen kontraindiziert, denn die Regel lautet: „Wer in der Nacht nicht gut schlafen kann, der darf nicht am Tag schlafen“, erklärt Dr. Blume weiter.
So wirkt sich ein Powernap auf Ihren Körper aus
Jetzt haben wir also geklärt, dass Powernaps – wenn es wirklich beim Nap, also Nickerchen bleibt – im Allgemeinen keine Nachteile für den Nachtschlaf mit sich bringen. Doch damit nicht genug: Sie sollen sogar gesundheitliche Vorteile bieten.
Ein Nickerchen zur zweiten Tageshälfte soll Leistungsfähigkeit, Produktivität und Kreativität wieder ankurbeln. Das bestätigt auch Psychologe und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) Hans-Günter Weeß. Zudem könne ein Mittagsschlaf Stimmungsschwankungen und selbst ernste Gesundheitsrisiken (wie Schlaganfall oder Herzinfarkt) reduzieren. Zehn bis 20 Minuten seien ausreichend, sagt der Schlafforscher, „das ist nicht zu lange und man fühlt sich danach wieder frisch.“
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Mit diesem Tipp wird’s NOCH effektiver!
Zusätzlich könne eine Tasse Kaffee vor dem Nickerchen hilfreich sein. Laut Weeß brauche die wachmachende Wirkung des Koffeins etwa 20 bis 30 Minuten. Er setze also dann ein, wenn man den „Powernap“ bereits erledigt haben sollte. Heißt: Man fühlt sich NOCH fitter!
So geht powernappen richtig
Damit aus dem geplanten Nickerchen keine ausgedehnte Nachmittagsruhe wird, hilft ein Trick: Nehmen Sie einen Schlüsselbund zur Hand, bevor Sie sich gemütlich hinsetzen und die Augen schließen. Wenn Sie eingeschlafen sind, wird er nicht sofort, aber nach einigen Minuten geräuschvoll herunterfallen und Sie wecken – in einer günstigen Schlafphase, aus der Sie erfrischt und ausgeruht in den restlichen Arbeitstag starten können. Diesen Moment zu verschlafen und in der „Traumschlafphase“ aufgeschreckt zu werden (beispielsweise von einem Wecker), könnte sich mit umso größerer Erschlagenheit und Antriebslosigkeit rächen, warnt Weeß.
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Kann man das Nachmittagstief verhindern?
„Leichte Kost wie Geflügel, Salat oder Gemüse sollten mittags dem fetten Schweinebraten vorgezogen werden“, sagt Weeß. Ein schweres Mittagessen nämlich beschwöre das Mittagstief förmlich herauf. Allzu viel bringe das aber nicht. Früher oder später erwische das Tief jeden, das ist laut Weeß so in der menschlichen Biologie verankert.
Wer kein ruhiges Plätzchen für einen Mittagsschlaf findet, könne sich quasi auf gegenteilige Weise helfen: durch körperliche Aktivität. „Ein kurzer Spaziergang an der frischen Luft oder etwas Gymnastik aktivieren das Herz-Kreislauf-System und man fühlt sich direkt wacher“, weiß Weeß.