18. Juni 2024, 11:01 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Kardiologen warnen: Wer über die Lebensmitte zu wenig Wasser trinkt, erhöht sein Risiko für akutes Herzversagen im Alter. Knackpunkt ist der Serumnatriumspiegel – der für unsere Gesundheit ab einem bestimmten Grenzwert äußerst schädlich zu sein scheint, wie eine Studie zeigt. Mit einer einfachen Formel lässt sich der individuelle Wasserbedarf berechnen.
Ausreichend Wasser ist der Schlüssel zu einem gesunden Herzen. Das Problem: Eine leichte Dehydration bleibt meist unbemerkt. Kardiologen gehen davon aus, dass der Großteil der Bevölkerung nicht genügend Wasser trinkt – und das jeden Tag. Bereits 2021 warnten Kardiologen, dass zu wenig Wasser ein Grund sein kann für späteres Herzversagen. Sie beziehen sich auf die Ergebnisse einer groß angelegten Langzeitstudie.
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Überblick
Wie zu wenig Wasser zu Herzversagen führen kann
Wenn es unserem Körper an Flüssigkeit mangelt, trocknet er aus. Den gestörten Wasser- und Salzhaushalt – durch Dehydration geht dem Körper auch Salz verloren – versucht er zu kompensieren, indem er Wasser spart und die Konzentration an Natrium im Blut (Serumnatrium) erhöht. Entsprechend lässt der Natriumspiegel einer Person Rückschlüsse auf den Hydrationsstatus zu.
Forscher nehmen an, dass sich der Flüssigkeitshaushalt und Natriumspiegel im Serum täglich ändert – und zwar je nachdem, wie viel wir täglich trinken. Allerdings bleibe die Natriumkonzentration im Serum über lange Zeiträume hinweg in einem engen Bereich, was mit der üblichen Flüssigkeitsaufnahme zusammenhänge.
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Studie mit 16.000 Teilnehmern in der Lebensmitte
Doch diese Prozesse sind offenbar so schädlich, dass ein Mangel an Wasser zur Entstehung von Herzinsuffizienz (Herzschwäche) und damit zum Herzversagen beitragen kann! Zu diesem dramatischen Ergebnis kam eine Studie, die 2021 auf dem Jahreskongress der European Society of Cardiology, dem größten medizinischen Kongress in Europa, vorgestellt wurde.1
„Unsere Untersuchung legt nahe, dass die Aufrechterhaltung einer guten Flüssigkeitszufuhr die Veränderungen, die zu Herzversagen führen, verhindern oder zumindest verlangsamen kann“, zitiert eine Pressemitteilung die Studienautorin Dr. Natalia Dmitrieva vom National Heart, Lung and Blood Institute in Bethesda (Maryland, USA).
Dmitrieva und ihr Team untersuchten den Serumnatriumspiegel von knapp 16.000 Erwachsenen über einen Zeitraum von 25 Jahren. Die Teilnehmenden waren zu Beginn der Studie zwischen 44 und 66 Jahre alt, befanden sich also in der Lebensmitte. Überprüft wurde die Flüssigkeitszufuhr sowie die Verdickung der Wände entlang der linken Herzkammer – die Hauptpumpkammer. Diese Art der Verdickung (oder linksventrikuläre Hypertrophie) ist ein häufiger Vorläufer von Herzinsuffizienz.
Dabei zeigte sich: Je höher die durchschnittliche Serumnatriumkonzentration einer Person ausfiel, desto wahrscheinlicher entwickelte sie im Laufe der Zeit eine Herzinsuffizienz. In Zahlen gesprochen erlitten von den knapp 16.000 Probanden über die Jahre 11,5 Prozent ein akutes Herzversagen (Herzinsuffizienz) – das entsprach 1366 Probanden.2
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Das geschieht bei akutem Herzversagen
Bei akutem Herzversagen (auch Herzinsuffizienz oder Herzschwäche genannt) ist das Herz unfähig, den Blutbedarf des Gewebes zu gewährleisten. Man spricht von einem kardiogenen Schock, wenn das Volumen des Blutes, das pro Zeitspanne vom Herzen gepumpt wird (Herzzeitvolumen) nicht mehr ausreicht, um die Sauerstoffversorgung der Organe zu gewährleisten. Akutes Herzversagen tritt schnell und ohne Vorwarnung ein. Dies ist der Unterschied zur chronischen Herzinsuffizienz, die langsam voranschreitet und in akutem Herzversagen münden kann.
Zur Risikogruppe gehören Menschen mit chronischer Durchblutungsstörung, aber auch Diabetiker, Adipöse und Menschen mit Bluthochdruck. Auch bestimmte Medikamente erhöhen das Risiko für akutes Herzversagen. Mehr zu den Symptomen von akutem Herzversagen und dem richtigen Verhalten im Notfall lesen Sie hier. Jenseits des 70. Lebensjahres steigt das Risiko für akutes Herzversagen auf acht Prozent bei Frauen und über zehn Prozent bei Männern.
Serumnatriumspiegel – ab diesem Grenzwert wird es kritisch
Ergebnis der Studie: Jede Zunahme der Serumnatriumkonzentration um ein Millimol pro Liter in der Lebensmitte ging mit einem um elf Prozent erhöhten Risiko für eine spätere Herzinsuffizienz einher. Um 20 Prozent erhöht war das Risiko für eine sogenannte linksventrikuläre Hypertrophie (LVH). Betroffene haben wiederum ein erhöhtes Risiko, an einer Herzinsuffizienz zu erkranken – aber auch das Herzinfarkt- sowie Schlaganfallrisiko erhöhen sich.
Dr. Natalia Dmitrieva und ihr Team ermittelten darüber hinaus, dass das Risiko für beide Erkrankungen zu steigen begann, sobald der Serumnatriumspiegel im mittleren Alter einen Wert von 142 mmol/l überschritten hatte. So hatten Erwachsene mit Werten ab etwa 143 mmol/l im mittleren Alter 25 Jahre später ein um 39 Prozent erhöhtes Risiko für akutes Herzversagen (Herzinsuffizienz).
Die Forscher stellten auch fest, dass ein Natriumspiegel von 146 mmol/l und mehr bei vielen älteren Menschen keine Seltenheit ist. Normal ist ein Serumnatriumspiegel von 135 bis 145 mmol/l.
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Es an vereinzelten Tagen auf 2,5 Liter Wasser zu bringen, nützt leider nicht viel. Der Serumnatriumspiegel ist nur in den Griff zu bekommen, wenn über einen längeren Zeitraum hinweg genügend Wasser getrunken wird. Vieles spricht also für ein Extra-Glas.
Gesundheitsexperten empfehlen für Frauen eine tägliche Flüssigkeitsaufnahme von 1,6 bis 2,1 Liter und zwei bis drei Liter für Männer. Allerdings sind das nur Richtwerte, die je nach Gewicht, Muskelmasse und Aktivität unterschiedlich ausfallen können.
Leider ist das Durstgefühl kein guter Ratgeber, weiß auch Sportmediziner Dr. Michael Despeghel. Für einen FITBOOK-Artikel zum Thema Dehydration erklärte er eine simple Formel, mit der sich ganz einfach der individuelle Wasserbedarf ausrechnen lasse: „Es sind 40 Milliliter pro Kilo Körpergewicht pro Tag.“ So braucht beispielsweise eine Person mit 70 Kilogramm Körpergewicht täglich 2,8 Liter Flüssigkeit. Wer sich an diese Regel hält, versorgt sich optimal mit Wasser und minimiert damit sein Risiko für ein späteres Herzversagen erheblich.