4. Januar 2021, 20:23 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Der Inzidenzwert gilt als entscheidendes Kriterium, wenn es um die Anordnung teils harte Corona-Maßnahmen oder deren Lockerung geht. Doch wofür steht der Wert eigentlich genau? Und ist die Zielmarke von 50 in Stein gemeißelt? Einige Experten sehen den Wert von 50 kritisch.
Eine Verlängerung des Corona-Lockdowns in Deutschland über den 10. Januar hinaus hängt insbesondere mit dem Inzidenzwert zusammen. Die Erreichung eines bestimmten Zielwertes soll unter anderem sicherstellen, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet wird. FITBOOK erklärt den Begriff und liefert eine kritische Einordnung.
Was bedeutet der Inzidenzwert?
Damit Infektionen mit dem Coronavirus nachverfolgt werden können und auch um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, gilt bislang ein Inzidenzwert von 50 als Zielmarke. Dieser Wert zeigt an, wie viele Menschen in einem bestimmten Zeitraum erkrankt sind. Der Inzidenzwert ist quasi die Neuerkrankungsrate. In der Coronapandemie wird dieser Wert für sieben Tage ermittelt. Bedeutet: Wie viele Menschen steckten sich innerhalb der letzten sieben Tage mit dem Coronavirus an, gemessen an 100.000 Einwohnern.
Bayern führte zudem einen Signalwert von 35 ein. Liegt der Inzidenzwert darüber, verhängen die zuständigen Behörden strengere Hygienemaßnahmen. Noch strengere Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie werden notwendig, sobald die Inzidenz auf die 50 übersteigt. Bundesweit lag mit Stand 30.12.2020 nach Angaben des Robert-Koch-Institut (RKI) der Inzidenzwert bei 141.
Und warum eine Spanne von sieben Tagen?
Einige Gesundheitsämter geben die aktuellen Zahlen erst zu Beginn der neuen Woche bekannt. Auch über die Feiertage schwanken die Zahlen. So können Unregelmäßigkeiten bei den Meldungen entstehen. Die gewählte Zeitspanne von einer Woche soll diese ausgleichen.
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Kritik am Inzidenzwert
Einige Experten haben jedoch Zweifel an der Zahl als alleinige Entscheidungsgrundlage für den Lockdown. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Ob wir uns dabei strikt an der Inzidenz von 50 orientieren, muss man mit Blick auf andere wichtige Faktoren wie zum Beispiel die psychosozialen Folgen der Schulschließungen genau abwägen.“
Andere Experten halten den Inzidenzwert von 50 als viel zu hoch angesetzt. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte jüngst, die Zielmarke für ein Ende des Lockdowns auf bundesweit 25 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in sieben Tagen zu verschärfen. „Wir sollten kein Stückwerk machen, sondern sagen, wir gehen aus dem Lockdown raus, wenn wir diese Ziel-Inzidenz von 25 erreicht haben. Vorher nicht“, zitieren „RTL“ und „ntv“ den Politiker. Als Grund für die Verschärfung verwies Lauterbach demnach auf neue, gefährlichere Varianten des Coronavirus. Selbst die momentane Zielmarke von 50 Neuinfektionen sei noch weit weg. „Das erreichen wir allenfalls Ende Januar. Das glaube ich aber auch noch nicht.“
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In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sprach sich auch Melanie Brinkmann für einen deutlich niedrigeren Grenzwert aus. Die Virologin vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung hält eine Lockerung des Lockdowns erst bei einem Inzidenzwert von 10 für sinnvoll. Auch die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, fragte im Frühjahr 2020, wie die Gesundheitsämter mit dem Inzidenzwert von 50 klarkommen sollten.