1. April 2020, 7:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
In vielen Ländern ist das Tragen von Mundschutz selbstverständlich. Nur hierzulande wird noch diskutiert, ob so eine Maske was bringt – nicht zuletzt durch irreführende Aussagen der WHO. FITBOOK-Autor Christian Glass hat dazu eine klare Meinung.
„Das Tragen einer Maske bietet keinen Schutz vor dem Coronavirus.“ Eine Aussage, die aus einer Troll-Fabrik bei Moskau entweichen könnte. Europa wird derzeit mit falschen Fakten über die Corona-Pandemie geradezu aggressiv geflutet, Absender oftmals Russland. Doch der Satz stammt nicht aus dem Riesenreich, sondern von der Internetseite der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das ist – gelinde gesagt – verstörend.
Die Experten der WHO toppen es sogar noch: Das Tragen einer Maske bringe nur was, um andere Menschen nicht anzustecken. Diesen geradezu zynischen Unterschied treffen tatsächlich Mediziner. Und diese Meinung zieht sich durch die breite Öffentlichkeit. Mit der Folge, dass hierzulande viele Menschen stoisch auf das Tragen von Mundschutz verzichten. Man fühlt sich ja nicht krank, ergo besteht keine Gefahr, jemanden anzustecken. Aber: Diese besteht aber sehr wohl.
Die Erkrankung infolge einer Infektion durch das Coronavirus verläuft oftmals mild. Eine Ansteckung erfolgt oft schon dann, wenn noch kaum oder gar keine Symptome auftreten. Wer also unbesorgt auf einen Mundschutz verzichtet, trägt dafür das Virus potenziell nach draußen – und steckt auf diese Weise unwissentlich Mitmenschen an.
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Es ist müßig, allem Anschein nach aber nötig, das noch mal aufzuschreiben: Ob Schutz nach innen oder außen – die Richtung ist egal! Würde jeder einen Mundschutz (genauer eine Mund-Nasen-Schutzmaske) aufsetzen, sobald er die Wohnung verlässt, schützt das jeden.
Corona-Mythen halten sich hartnäckig
Nun setzen sich in anderen Teilen der Erde die Menschen über die „Empfehlung“ der WHO hinweg – zum Glück. In Asien gehört das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes schon seit Langem zum Straßenbild, und sei es nur aus Höflichkeit. Auch Virologe Prof. Christian Drosten empfiehlt den Mundschutz. Im NDR-Podcast „Coronavirus-Update“ sagte er: „Man geht nicht mit Symptomen in den Supermarkt, aber man erkennt an, dass man nicht weiß, ob man morgen Symptome kriegt. Also ist es eben die Höflichkeitsgeste, jetzt zusätzlich eine Maske zu tragen. Das ist doch auch gut verständlich.“ Auch Drosten selbst trägt im Supermarkt einen Mundschutz, wie er selbst verriet, bemängelt aber die offenbar fehlende Akzeptanz.
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In Deutschland kostbare Zeit verschwendet
Ob der Gedanke mit der Höflichkeit hierzulande ausschlaggebend ist oder eher die schlichte Einsicht, dass eventuell doch was dran sein könnte am Mund-Nasen-Schutz, sei dahingestellt. Fakt ist: In Österreich wird das Tragen eines Mundschutzes beim Einkaufen Pflicht, Jena (Thüringen) zieht als erste deutsche Stadt nach. Der Einzelhandel in Berlin rief schon vor Tagen verzweifelt dazu auf, beim Einkaufen einen Mundschutz vor dem Gesicht zu tragen.
Plötzlich wagen sich auch die ersten Politiker wie Außenminister Heiko Maas oder Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (beide SPD) aus der Deckung. Und nun rät auf einmal auch die Bundesärztekammer zur Maske. Es scheint sich was zu bewegen – endlich! Denn es ist viel kostbare Zeit verschwendet worden mit dieser abstrusen Diskussion. Nun dämmert es hoffentlich immer mehr Menschen: Jeder von uns sollte in der Öffentlichkeit einen Mund-Nasen-Schutz tragen.
Aber was, wenn ich keinen Mundschutz kaufen kann?
Wichtig ist: Die Bevölkerung sollte auf keinen Fall einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz kaufen oder verwenden. Dieser sollte weiterhin ausschließlich für Kliniken und Fachpersonal vorbehalten sein. Eine Knappheit aufgrund einer breiten Nachfrage durch die Bevölkerung wäre dramatisch. Zumal ein improvisierter bzw. selbst genähter Mundschutz genauso effektiv ist. Unsere Kolleg*innen von STYLEBOOK erklären hier, wie man selbst einen bastelt. Um etwaige Viren abzutöten, sollte man den Stoff waschen und vor allem heiß bügeln. Tipp von Hygiene-Experte Zastrow: Eine Mund-Nasen-Schutzmaske legt man bei 70 Grad für 30 Minuten in den Ofen. Dann sind die Viren tot.
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Warum nur wurde so viel herumgeeiert?
Die Frage, die mich umtreibt und immer noch wütend macht: Weshalb fällt es hierzulande nach wie vor so vielen Menschen schwer, in der Öffentlichkeit einen Mundschutz zu tragen? Ist es die Angst, auf der Straße belächelt zu werden? Oder als möglicher Infizierter stigmatisiert zu werden? Das wären Beweggründe vielleicht aus Scham oder Eitelkeit, vielleicht auch aus Bequemlichkeit.
Mir ging es ja ähnlich, wurde ich doch beim ersten Gang in den Supermarkt mit Maske von vielen wie ein Alien erschrocken beäugt. Das ist im ersten Moment peinlich und unangenehm. Ich vermute, so ähnlich geht es vielen gerade. Für solche Momente ein Tipp: Denken Sie an Ihre Liebsten! An die Schwächsten, für die eine Infektion lebensbedrohlich ist. Schon ist es egal, wie Sie mit Maske auf andere wirken.
Ich kann nur hoffen, dass die unsägliche Diskussion um den Sinn einer Maske jetzt ein Ende findet. Denn eines macht der Mund-Nasen-Schutz deutlich: Die Lage ist sehr ernst. Wir müssen jeden und uns schützen. Auf diesen Psycho-Effekt weist auch Prof. Drosten im Podcast hin: „Wer draußen eine Maske trägt, der wird diese Maske nicht vom Gesicht nehmen, um dann bei einer Corona-Party einen Schluck aus der Bierflasche zu nehmen. Also das adressiert vielleicht eher die jüngeren Hörer oder die jüngeren Leute, die im Moment nicht so drüber nachdenken. Die werden vielleicht dadurch, dass alle oder viele in der Öffentlichkeit so eine Maske tragen, daran erinnert, dass es jetzt mal ernst ist.“ Das fände er wichtig als psychologischen Effekt, betont Drosten.
Also Maske auf, wenn man in der Öffentlichkeit ist! Für die Alten, für die Kranken – für uns alle.