24. September 2019, 7:03 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Der Klimawandel sorgt nicht nur für einen steigenden Meeresspiegel, er gefährdet auch die Gesundheit. Vor allem das Herz-Kreislauf-System wird von zunehmender Hitze gestresst. Experten sehen das Gesundheitssystem vor einer großen Herausforderung.
Ende Juli jagte in Deutschland ein Hitzerekord den nächsten, mit 42,6 Grad Celsius wurde schließlich die höchste Temperatur im niedersächsischen Lingen gemessen. Solche heißen Tage sind anstrengend für den Körper und werden in der Bundesrepublik im Zuge des Klimawandels häufiger werden.
Vor allem dem Herz-Kreislauf-System machten hohe Temperaturen und große Temperatursprünge binnen kurzer Zeit zu schaffen, sagt Andreas Zeiher, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Die Folge? „Vermehrte Herzinfarkte“. Das zeigen verschiedene Studien.
Gesundheitsrisiko Klimawandel
Zeiher sieht die Klimaveränderungen als ein größeres Gesundheitsrisiko als das Rauchen – „weil die ganze Bevölkerung betroffen ist.“ Und: Gegen Temperaturschwankungen und Hitze könne man nichts machen – anders als etwa Nichtraucher zu werden. Die Klimaveränderungen seien „ganz sicher“ eine der größten Herausforderungen für das Gesundheitssystem in den nächsten 20 bis 50 Jahren. „Denn neben den Temperaturveränderungen gehen damit zum Beispiel Brände und eine erhöhte Luftverschmutzung einher.“
„Hitze und insbesondere abrupte Temperaturveränderungen bedeuten Stress für den Körper und das Herz-Kreislauf-System“, erklärt Mediziner Zeiher anlässlich des Welt-Herz-Tages am 29. September. Stresshormone würden ausgeschüttet, in der Folge verengten sich die Gefäße, das Blut werde klebriger und dickflüssiger. Die Gefahr für einen Herzinfarkt und auch für einen Schlaganfall steige. „Wir verzeichnen ein höheres Auftreten von Herzinfarkten und Schlaganfällen und insgesamt von Notfall-Besuchen im Krankenhaus an sehr heißen Tagen“, sagt Zeiher. Vor allem Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ältere Menschen und Diabetiker seien betroffen.
Eine Reihe von Studien habe gezeigt, dass sich bei höherer Lufttemperatur die Sterberate bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht, sagt auch Elke Hertig, Professorin für Klimawandel und Gesundheit an der Universität Augsburg. „Die Sterberate bei Hitzewellen kann sich um zwei bis drei Prozent erhöhen.“
Menschen müssen sich an Klima anpassen
Wie können sich gefährdete Gruppen bei Hitze und Temperatursprüngen wappnen? Viel trinken, bei hohen Temperaturen den Körper nicht außerordentlich fordern und belasten sowie gegebenenfalls in kühlen Innenräumen bleiben, sagen die Wissenschaftler übereinstimmend.
In Gegenden auf der Welt, wo stets höhere Temperaturen herrschen – beispielsweise im Mittelmeerraum, gibt es den Forschern zufolge trotzdem nicht mehr Herzinfarkte. „Die Leute sind adaptierter und kommen mit der Hitze besser klar, weil sie über Jahrhunderte gelernt haben, wie man etwa mit der Mittagshitze besser umgeht“, sagt Lungenfacharzt Christian Witt von der Charité. Vor allem in ihrem Verhalten seien die Bewohner von Regionen mit viel Hitze besser angepasst, sagt auch Hertig und verweist auf die andere Bebauung und lange Pausen wie die Siesta in der Mittagszeit. Und: Die hohen Temperaturen dort sind weitgehend konstant, es gibt nicht so große Sprünge, ergänzt Zeiher.
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Hitze belastet die Gesundheit am meisten
Auch andere mögliche Auswirkungen des Klimawandels machten der Gesundheit zu schaffen, etwa stark schwankende Temperaturen oder auch Starkregenereignisse sagt Witt, der Experte für Klimawandel und Gesundheit ist. Beispielsweise steige die Schimmelgefahr in Wohnungen und Kellern durch häufigeren und starken Regen. „Das Hauptthema ist aber Hitze, vor allem in den Städten.“ Denn gerade in diesen dicht besiedelten Räumen sei es durch Bebauung und Verkehr besonders heiß. Zwischen dem Berliner Zentrum und dem Stadtrand etwa gebe es Temperaturunterschiede von bis zu acht Grad Celsius.
Die politische Diskussion in Deutschland um ein Recht auf Arbeit von daheim aus an heißen Tagen oder hitzefrei für Menschen, die im Freien arbeiten, findet Zeiher trotzdem überzogen – „im Moment noch“.