12. Februar 2024, 4:14 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Vitamin D ist lebenswichtig. Ein Mangel kann negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben, weshalb häufig dazu geraten wird, zu supplementieren. Doch wie das Fallbeispiel eines Briten jetzt zeigte: Zu viel Vitamin D im Körper kann ebenfalls gefährlich werden.
Vitamin D ist unerlässlich für gesunde Knochen und ein starkes Immunsystem. Ein Mangel wird sowohl mit Osteoporose als auch mit Krebserkrankungen oder Demenz in Verbindung gebracht (FITBOOK berichtete).1,2 Auch das Risiko, sich mit Corona zu infizieren und ernsthaft daran zu erkranken, wird laut Studien u. a. vom Vitamin-D-Status beeinflusst.3 Kein Wunder also, dass das Vitamin D in Form von Nahrungsergänzungsmitteln immer beliebter wird. Doch bei der Einnahme ist es wichtig, auf die korrekte Menge zu achten. Denn wie eine aktuelle Fallbeschreibung von Medizinern im Journal „BMJ Case Reports“ aus dem Jahr 2022 zeigt, ist mit einer Vitamin-D-Überdosis nicht zu spaßen.4
Übersicht
Fallbeschreibung: Mann erleidet Vitamin-D-Überdosis
In dem beschriebenen Fall aus England geht es um einen Mann mittleren Alters, der mit ernsthaften Symptomen von seinem Hausarzt in ein Krankenhaus überwiesen wurde. Auf Anraten eines Ernährungstherapeuten hatte der Patient ein intensives Vitamin-Ergänzungsprogramm begonnen. Einen Monat später fingen seine gesundheitlichen Probleme an, die zu dem Zeitpunkt, als er in die Klinik kam, bereits drei Monate anhielten.
Es stellte sich heraus, dass der Betroffene mehr als 20 Vitamine supplementiert hatte. Dazu zählten u. a. die Vitamine C, K2, B6 (Pyridoxin), B9 (Folsäure) und B2 (Riboflavin). Besonderes überdosiert nahm der Mann Vitamin D zu sich, nämlich 50.000 IU bzw. IE (internationale Einheit) dreimal täglich, also insgesamt 150.000 und damit „375-mal mehr als die empfohlene Tagesdosis“, wie Dr. Alumin Alkundi vom William Harvey Krankenhaus in East Kent (England), behandelnder Arzt und Co-Autor des Fallberichts, auf CNN-Nachfrage erklärte.5 Als die Symptome auftauchten, hatte der Patient die Nahrungsergänzungsmittel abgesetzt, dennoch waren sie auch zwei Monate später noch nicht aus dem Organismus verschwunden.
Wie äußert sich eine Hypervitaminose D?
Erste Bluttests beim Hausarzt hatten ergeben, dass der Mann sehr hohe Kalzium– sowie erhöhte Magnesium-Werte hatte. Der Vitamin-D-Spiegel war siebenmal so hoch, wie er als gesund gilt.
In der Folge hatte der Patient einen akuten Nierenschaden entwickelt. Und weitere alarmierende gesundheitliche Beschwerden kamen hinzu, darunter Tuberkulose, ein Tumor im Innenohr (linkes Vestibularisschwannom), der zu Taubheit auf diesem Ohr geführt hatte, Flüssigkeitsansammlung im Gehirn (Hydrocephalus), bakterielle Meningitis und chronische Sinusitis (Entzündung der Nasennebenhöhlen).
Bekannte Symptome einer Vitamin-D-Überdosis
Hypervitaminose D wird, so erklären die Mediziner in ihrem Bericht, zumeist von Kalzium-Überschuss im Blut verursacht und könne genauso vielfältig wie ernst sein. Zu den bekannten Symptomen zählen:
- Schläfrigkeit
- Verwirrtheit
- Apathie
- Psychose
- Depression
- Starrezustand (Stupor)
- Gelenksteifigkeit
- Koma
- Anorexie
- Bauchschmerzen, Erbrechen
- Verstopfung
- Magengeschwüre
- Bluthochdruck
- Entzündliche Augenerkrankungen
- Hörverlust, Taubheit
- Herzrhythmusstörungen
- Nierenanomalien, bis hin zum Nierenversagen
Obwohl Fälle von Hypervitaminose D häufiger zu werden scheinen, betonen die Ärzte, dass noch relativ wenig darüber bekannt sei. Deshalb können weitere Beschwerden, auch langfristiger Natur, nicht ausgeschlossen werden.
Wie wird Hypervitaminose D behandelt?
Im Fall des englischen Patienten erfolgte eine achttägige Behandlung im Krankenhaus. Er erhielt intravenös Flüssigkeit, um sein System durchzuspülen, und Bisphosphonate. Dabei handelt es sich um Medikamente, die normalerweise zur Stärkung der Knochen oder zur Senkung überhöhter Kalzium-Werte im Blut eingesetzt werden.
Zwei Monate nach der Entlassung aus dem Krankenhaus hatte sich der Kalziumspiegel des Mannes wieder normalisiert, aber sein Vitamin-D-Spiegel war immer noch deutlich erhöht. „Dieser Fall verdeutlicht einmal mehr die potenzielle Toxizität von Nahrungsergänzungsmitteln – die weitgehend als sicher gelten – wenn sie in unsicheren Mengen oder in unsicheren Kombinationen eingenommen werden“, heißt es im Bericht.
So lautet die Dosierungsempfehlung bei Vitamin D
Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) liegt eine Vitamin-D-Unterversorgung vor, wenn die Konzentration des 25-Hydroxyvitamin D (25(OH)D) im Blut unter dem gewünschten Wert von 50 nmol/l liegt. Davon betroffen sind etwa 60 Prozent der Menschen in Deutschland. Wie das Robert-Koch-Institut betont, kann der Körper via Eigensynthese bei regelmäßigem Aufenthalt im Freien 80 bis 90 Prozent zur Nährstoffversorgung beitragen. 10 bis 20 Prozent können über die Ernährung (z. B. Fisch, Eier, Pilze) aufgenommen werden. Die DGE gibt an, dass man unter der Voraussetzung, dass die Eigensynthese gestört ist, täglich 20 µg Vitamin D zuführen sollte. Das kann über die Haut und in Form von Nahrungsergänzungsmitteln erfolgen.6,7
Angesichts der dargestellten Gefahren einer Vitamin-D-Überdosierung sollte man seinen Vitaminspiegel zunächst vom Arzt prüfen lassen. Im Fall eines Mangels kann dann entschieden werden, inwiefern mehr Aufenthalt im Freien sowie Ernährung helfen können – oder ob und wenn ja, in welcher Dosierung, ein ergänzendes Präparat sinnvoll ist.
Kann man genügend Vitamin D über die Sonne aufnehmen?
Ja, allerdings funktioniert das in unseren Breitengeraden nur im Sommer. Für die ausreichende Vitamin-D-Aufnahme durch die Sonne gibt es eine einfache Faustregel. Diese verriet uns Ernährungswissenschaftler und Vitamin-D-Experte Prof. Nicolai Worm in einem früheren FITBOOK-Artikel: „Stellen Sie sich mittags für einige Minuten in die direkte Sonne, ohne Sonnenschutzmittel, ohne Hut und mit gerade noch so viel Kleidung, dass es sozial verträglich bleibt. Je mehr Haut der Sonne ausgesetzt ist, desto schneller bildet sich auch Vitamin D.“ Wer dies beherzigt, kann im Sommer auf Supplements getrost verzichten.