26. März 2020, 14:42 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Weltweit haben sich nach aktuellen Angaben bereits knapp 420.000 Menschen (Stand 25.03.20) mit dem Coronavirus infiziert. Die Dunkelziffer wird indes deutlich höher liegen, da viele Erkrankte keine und nur milde Symptome entwickeln, bei ihnen keine Tests durchgeführt werden und die tatsächliche Ansteckungszahl unerkannt bleibt. In Island hat man nun eine Test-Offensive gestartet. Der Clou: Die Getesteten werden zufällig ausgewählt, also auch Personen ohne Symptome. Das ermöglicht repräsentative Ergebnisse für die Gesamtbevölkerung.
Die Strategie, zur Eindämmung der Verbreitung von Corona-Infektionen so viele Menschen wie möglich auf Sars-CoV-2 zu testen, wurde bereits in Südkorea angewandt. Dort werden am Tag ca. 12.000 Menschen unter anderem in sogenannten Drive-In-Teststationen getestet. Das sind in Relation zur Gesamtbevölkerung etwa drei Mal so viele wie momentan in Deutschland. So schaffte man es, die Infizierten weitgehend zu isolieren. Scheinbar mit Erfolg: Die Anzahl an Neuansteckungen steigt dort mittlerweile nicht mehr exponentiell an.
Privates Forschungsinstitut führt Massentests durch
Diesem Vorbild folgte jetzt als erstes Land in Europa auch Island. Neben einer Einschränkung des öffentlichen Lebens setzt man hier ebenfalls auf großflächiges Testen. Neben Tests von behördlicher Seite mischt auch die Forschungsinstitution deCode Genetics mit. Ihr Clou: Hier werden die Personen zufällig ausgewählt, also nicht nur Personen mit Corona-typischen Symptomen. Bis Mittwoch (Stand: 14.00 Uhr) hatte man 6.163 Personen auf Sars-CoV-2 getestet. Durch die Randomisierung der Testpersonen gelten die Ergebnisse als repräsentativ für die Bevölkerung. Außerdem erhofft man sich dadurch, die Dunkelziffer an unerkannt Corona-Erkrankten besser abschätzen zu können.
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Hälfte der Corona-Infektionen ohne Symptome
Von den 6.163 auf Sars-CoV-2 getesteten Personen waren 52 positiv (Stand: Mittwoch, 14.00 Uhr), damit läge die Häufigkeit einer Infektion in der isländischen Gesamtbevölkerung bei unter einem Prozent (0,84 Prozent). Thorolfur Gudnason, Chef-Epidemiologe von deCode Genetics, zu BuzzFeed News: „Die ersten Ergebnisse implizieren, dass sich bis jetzt nur ein geringer Anteil der Bevölkerung mit dem Virus infiziert hat.“
Mindestens genauso interessant ist aber die zweite Erkenntnis aus Island. Denn auffallend sei dabei laut Gudnason außerdem gewesen, dass etwa bei der Hälfte der positiv getesteten Personen keinerlei Symptome aufgetreten seien. Die andere Hälfte habe nur moderate Beschwerden, ähnlich einer Erkältung, gezeigt.
Sicherlich ist es derzeit noch zu früh und die Anzahl der Getesteten zu gering, um sicher sagen zu können, dass eine Corona-Infektion generell in 50 Prozent der Fälle symptomfrei verläuft. Dennoch unterstreichen die Ergebnisse die Befürchtung, dass die Dunkelziffer der Corona-Infizierten ausgesprochen hoch sein könnte. Gerade diese unbemerkten Infektionen sind so gefährlich, da vermeintlich gesunde Personen das Virus unwissend auf andere übertragen können. Es gilt also einmal mehr, derzeit soziale Kontakte, auch wenn man sich gesund fühlt, zu meiden.
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Wann wird man in Deutschland auf Corona getestet?
In Deutschland hingegen werden die Tests derzeit immer noch auf „echte Verdachtsfälle“ beschränkt, also vor allem Rückkehrer aus Risikogebieten und Personen mit Symptomen, die nachweislich Kontakt zu Infizierten hatten. Wer keine Symptome zeigt, wird meistens nicht auf das Coronavirus getestet. Das Ermessen liegt aber beim behandelnden Arzt.
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Wie hoch sind unsere Testkapazitäten?
Aber warum testet man nicht auch hierzulande großflächiger? Die dadurch möglichen Erkenntnisse im Hinblick auf die Gesamtinfektionen in der Bevölkerung scheinen doch einleuchtend? Schuld daran sind ganz einfach unsere fehlenden Testkapazitäten in den Laboren. Diese werden zwar derzeit ausgebaut, dennoch müssen neben den Corona-Tests auch weiterhin andere wichtige Tests (beispielsweise von Krebspatienten) möglich sein. Man will durch diese Regelung außerdem Krankenhäuser, Arztpraxen und die Gesundheitsämter vor einer Überlastung schützen.
Wie viele Tests am Tag tatsächlich durchgeführt werden, ist aufgrund unseres föderalistischen Systems in Deutschland schwer zu überblicken. So melden die Bundesländer den Behörden und dem Robert-Koch-Institut teils nur die Zahl der Neuerkrankungen, nicht aber die durchgeführten Tests. Vom Labor Berlin, dem größten Krankenhauslabor Europas, weiß man aber, dass dort täglich etwa 15.000 Proben aus Berlin und ganz Deutschland ankommen.