26. November 2020, 20:03 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Es drückt, kneift und schmerzt im Darm: Verdauungsprobleme. Der Griff zu Abführmitteln ist häufig der erste Reflex – doch aus Sicht unserer Expertin gibt es schonendere Methoden, um Abhilfe zu schaffen und den Darm zu entspannen.
Verdauungsprobleme bzw. Störungen des Magen-Darm-Trakts sind leider immer noch ein Tabuthema. Dabei leiden sieben von zehn Personen in Deutschland zumindest gelegentlich unter Verstopfung, Durchfall, Blähungen oder Schmerzen im Unterbauch. Was tun? Spezielle Massage- und Atemtechniken können Abhilfe schaffen. Im neurozentrierten Training spielt dabei der Vagusnerv eine besondere Rolle.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist los im Darm bei Verdauungsproblemen?
- Vagusnerv – das Geheimnis eines entspannten Darms
- Verdauungsprobleme lösen durch Massage
- Entspannter Darm – auch Zwerchfell und Beckenboden spielen eine Rolle
- Innere Massage der Organe durch Atemtechnik kann Verdauungsprobleme lindern
- Pro-Tipp: Atmung an die jeweilige Situation anpassen
Was ist los im Darm bei Verdauungsproblemen?
Besonders nach fett- oder zuckerhaltigen Mahlzeiten wird die Darmtätigkeit extrem gefordert. Das geht oft mit Blähungen und manchmal sogar mit Krämpfen und Bauchschmerzen einher. Im Darm entstehen Gase, die den Bauch aufblähen und durch Flatulenzen ausgeschieden werden. Bei Verstopfungen arbeitet der Darm in sehr langsamen Bewegungen. Dadurch bleibt die Nahrung länger im Verdauungstrakt und staut sich auf. Wird der Stuhl dann nach einiger Zeit hart, kommt es zu Problemen beim Ausscheiden.
Zur Lösung dieser Probleme setzt das neurozentrierte Training auf die Reduzierung von Stressoren in diesem Bereich des Körpers sowie auf die Aktivierung des Vagusnervs.
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Vagusnerv – das Geheimnis eines entspannten Darms
Der Vagusnerv steuert u. a. die Magen-Darm-Tätigkeit und ist für die Informationsweiterleitung und Regulierung nahezu aller Oberbauchorgane bis zum mittleren Dickdarm zuständig. Er spielt – neben einer ausgewogenen Ernährung und qualitativ hochwertigem Schlaf – eine entscheidende Rolle bei der Reduzierung von Stressoren im Verdauungstrakt. Der Vagusnerv gehört zu den Hirnnerven, die aus den Hirnnervenkernen direkt entspringen, und nicht aus dem Rückenmark. Seine Informationen werden mit höchster Priorität direkt an das Gehirn weitergeleitet.
Der Clou: Diese Informationsverarbeitung lässt sich verbessert, indem der Vagusnerv gezielt stimuliert bzw. aktiviert wird. In der Folge verlangsamt sich die Atem- und Herzfrequenz. Auch die Verdauung sowie die Regulation des Blutzuckers werden angeregt. Das wirkt sich im Umkehrschluss positiv auf die Regeneration aus, indem es den Schlaf und die Erholungskapazität des Körpers verbessert. Wir fühlen uns wohler und ausgeglichener.
Mit Hilfe der folgenden Übungen sollen Stressoren im Verdauungstrakt reduziert und gleichzeitig eine Aktivierung des Vagusnervs erreicht werden. Anwendbar sind sie übrigens nicht nur bei Verdauungsproblemen, sondern haben sich auch bei Regelschmerzen, Rückenschmerzen sowie Stress bewährt. Zudem können sie einen Abnehmwunsch unterstützen.
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Verdauungsprobleme lösen durch Massage
Die mechanische Massage des Bauchraumes führt auf neuronaler Ebene zu Entspannung. Durch die Massage werden unterschiedliche Rezeptoren aktiviert: Druckrezeptoren reagieren auf den Druck der Hand, Thermorezeptoren auf ihre Wärme. Diese Rezeptoren senden über den Vagusnerv Reize an das Gehirn. Durch die vermehrte Informationsweiterleitung aus dem Bauchraum wird die Verdauung angeregt. Die Muskulatur des Darms und der umliegenden Strukturen entspannt sich.
Bei der Bauchmassage arbeitet man mit langsamen, gleichmäßigen, kreisenden Bewegungen im Uhrzeigersinn (rechtsherum). Letzteres entspricht der Darmperistaltik – also dem Weg der Nahrung. Wer gegen diese Richtung arbeitet, riskiert Verstopfungen. Leichtes statisches Verschieben in alle vier Himmelsrichtungen auf verschiedenen Bereichen des Bauchraums ist ebenso möglich. Ansonsten gilt: Entscheiden Sie selbst, wie viel Druck Sie als angenehm und sicher empfinden. Wenn sie entspannt und ruhig weiter atmen können, liegen Sie richtig.
Zusätzlich können Sie testen, ob die Massage mit Wärme oder Kälte angenehmer ist – hier gibt es pauschal kein richtig oder falsch. Probieren Sie es aus, vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl!
Entspannter Darm – auch Zwerchfell und Beckenboden spielen eine Rolle
Eine weitere Möglichkeit, bei Verdauungsproblemen Abhilfe zu schaffen, sind bestimmte, schmerzlindernde Atemtechniken, wie sie u. a. auch in der Geburtshilfe eingesetzt werden. Ihre Wirkung setzt vor allem an den biomechanischen Funktionen des Zwerchfells und des Beckenbodens an.
Das Zwerchfell – ein zwei bis fünf Millimeter dicker, kuppelförmiger Muskel – ist einer unserer wichtigsten Atemmuskeln. Es verbindet das Brustbein mit den unteren Rippen sowie der Brust- und Lendenwirbelsäule und grenzt den Bauchraum nach oben ab (oberhalb liegen das Herz und die Lungenflügel, unterhalb die Bauchorgane). Beim Einatmen drückt es die Organe im Bauchraum nach unten und vergrößert somit den Raum im Brustkorb. Durch diese Kontraktion entsteht ein Unterdruck und Luft gelangt in die Lungenflügel.
Neben der Atembewegung gehört auch die Mobilisierung von Flüssigkeiten, z. B. Blutkreislaufsystem oder Lymphsystem, zu den Aufgaben des Zwerchfells. Außerdem stabilisiert es die Wirbelsäule, hilft beim Heben und Tragen von Lasten und moduliert wesentlich die Stimme. Da seine ständigen Bewegungen alle Bauchorgane mobilisieren, beeinflusst das Zwerchfell auch die Verdauung.
Auch der Beckenboden ist für die Schmerzlinderung durch Atmung wichtig, da er durch bewusste Atmung genauso wie das Zwerchfell entspannt werden kann. Wer z. B. nach einer Operation oder einem Unfall an Schmerzen im Bereich des Beckenbodens leidet, kann diese oft durch eine bewusste Bauchatmung entscheidend lindern.
Innere Massage der Organe durch Atemtechnik kann Verdauungsprobleme lindern
Durch eine bewusste Bauchatmung, bei der das Zwerchfell mitbewegt wird, erhalten die inneren Organe eine Art Massage – was wiederum Schmerzen im Bauchraum lindern kann. Als eine der wenigen vegetativen Körperfunktionen, die wir bewusst beeinflussen können, dient die Atmung als Ansatz, um die automatische Stressreaktion unseres vegetativen Nervensystems auszuhebeln. Evolutionsbedingt geht unser Körper unter Stress in den Kampf- oder Fluchtmodus.
Tiefes Atmen dagegen suggeriert dem Körper einen Schlafzustand und führt automatisch zu einer Entspannung. Schon wenige bewusste tiefe Atemzüge beruhigen das vegetative Nervensystem, senken den Blutdruck und die Herzfrequenz und die allgemeine Muskelspannung. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Übungen der bewussten Atmung nicht nur bei Stresssituationen helfen können, sondern auch bei Rückenschmerzen und Herzproblemen.
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Pro-Tipp: Atmung an die jeweilige Situation anpassen
Man sollte in der Lage sein, die Atmung an die jeweilige Situation anzupassen. Ob man schnell eine Treppe nach oben steigen muss, einen längeren Spaziergang macht oder man im Homeoffice vor dem Rechner sitzt. Das bedeutet, dass man sowohl in den Bauch, die Rippenbögen als auch den Brustkorb atmen können sollte, um das gesamte Atemvolumen zu nutzen. Um den Vagusnerv zu stimulieren und damit den Regenerationsmodus des Körpers zu unterstützen, empfiehlt sich der Fokus auf die Bauchatmung.
Zur Erinnerung: Durch die vielfachen Verzweigungen des Vagusnervs ist er mit fast allen inneren Organen verbunden. Durch bewusste Bauchatmung wird dieser Hirnnerv direkt aktiviert und stimuliert.
Zur Person: Luise Walther ist spezialisiert auf neurozentriertes Training. Bei diesem Ansatz werden unterschiedliche Gehirnbereiche aktiv in das Training eingebaut.