27. Oktober 2023, 13:04 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Einmal im Jahr sollte man sich gegen die Grippe impfen lassen, an dieser Empfehlung hat auch die Corona-Pandemie nichts geändert. Gleichzeitig haben sich mit Eris, Fornax und Pirola neue Coronavarianten mit steigenden Fallzahlen angekündigt, gegen die angepasste Impfstoffe bereitstehen. Deren Wirksamkeit gilt zumindest bei Eris und Fornax als sicher. Daher stellt sich einmal mehr die Frage: Sollte man sich beide Impfungen gleichzeitig geben lassen?
Sich gleichzeitig gegen Corona (auch Auffrischungsimpfung) und Grippe (Influenza) impfen zu lassen, ist in Deutschland schon länger möglich. Aber ist diese „Kombi-Impfung“ auch sinnvoll, oder sollte man besser ein wenig Zeit zwischen den beiden Piksern verstreichen lassen? FITBOOK hat sich die Studienlage angeschaut.
Übersicht
- Diese neuen Corona-Virusvarianten sind jetzt in Deutschland im Umlauf
- Angepasste Vakzine sind jetzt verfügbar
- Sollte man sich gegen Corona und Grippe gleichzeitig impfen lassen? Studienlage
- Gleichzeitig gegen Corona und Grippe impfen lassen – Expertenmeinung
- Gleichzeitig gegen Corona und Grippe impfen lassen – das sagt das RKI
- Wem in Deutschland die Grippeimpfung empfohlen wird
- Quellen
- Quellen
Diese neuen Corona-Virusvarianten sind jetzt in Deutschland im Umlauf
Die Corona-Fallzahlen steigen wieder an, viele haben erneut (mehrere) Menschen im Umfeld, die an Covid-19 erkrankt sind. Das gab’s doch schon mal, möchte man nun denken – tatsächlich lag die Inzidenz im September 2023 (nach einem absoluten Tiefpunkt im Juli von 1 pro 100.000 Einwohner) bei 6,5 – was etwa 772 Neuinfektionen bundesweit pro Tag entspricht (die Neuinfektionen nach Altersgruppen und Bundesländer können Sie hier nachlesen).
In Deutschland sind seit Sommer die neuen Virusvarianten EG.5 und FL.1.5.1 im Umlauf, besser bekannt als Eris und Fornax. Anders als die stark mutierte Coronavariante Pirola (BA.2.86, FITBOOK berichtete), stammen Eris und Fornax von der Omikron-Subvariante XBB.1.5 ab. Und sie haben fast identische Spike-Proteine, weshalb den gegen XBB.1.5 angepassten mRNA-Impfstoffen Spikevax von Moderna sowie Comirnaty von Biontech/Pfizer auch hinsichtlich Eris und Fornax Wirksamkeit bestätigt wird.
Angepasste Vakzine sind jetzt verfügbar
Mehrere Experten, darunter die Immunologin Pro. Dr. Martina Prelog von der Uniklinik Würzburg, hatten auf FITBOOK-Anfrage im Sommer dazu geraten, diese angepassten Vakzine abzuwarten, um dann auch wirklich vor den aktuell zirkulierenden Coronavarianten geschützt zu sein.
Seit Ende September wird Comirnaty an Arztpraxen ausgeliefert und kann laut Zulassung Personen ab 12 Jahren verabreicht werden.1 Und tatsächlich ist es seit 2021 nicht unüblich, dass Patienten die Impfung gegen Covid-19 zusammen mit der saisonalen Grippeimpfung erhalten. Damals war man aus Angst vor einer „Twindemie“ – also der Befürchtung, dass zu Corona eine heftige Grippewelle hinzukommen könnte – dazu übergegangen.
Sollte man sich gegen Corona und Grippe gleichzeitig impfen lassen? Studienlage
Doch wie sinnvoll ist eine solche „Kombi-Impfung“? Sollte man sich jede Spritze besser zu unterschiedlichen Zeiten statt zusammen geben lassen? Eine erste Untersuchung aus dem Jahr 2021 stützte die simultane Impfung gegen Corona und Grippe2. Für die Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift „The Lancet“, erhielten 679 Probanden aus England und Wales gleichzeitig (in je einen Arm) beide Impfungen. In der Kontrollgruppe erfolgte die Grippe-Impfung erst drei Wochen nach der Covid-19-Impfung.
Die am selben Tag zweifach Geimpften nannten keine bemerkenswerten Nebenwirkungen, die über das typische Maß (Schmerzen am Arm, Müdigkeit) hinausgingen. Die Immunantwort zeigte sich sowohl bei der Corona- als auch bei der Influenza-Impfung stark. Und am Ende erklärten fast alle Probanden der Studie (98,7 Prozent), dass sie auch in Zukunft bereit wären, sich zwei Impfungen am selben Tag geben zu lassen.
In dieser Altersgruppe könnte gleichzeitige Impfung gegen Corona und Grippe das Schlaganfallrisiko erhöhen
Nun gibt es eine weitere Untersuchung zu einem möglichen Risiko der „Kombi-Impfung“: Sie stellt ein (wenn auch sehr gering) erhöhtes Schlaganfallrisiko für Senioren nach gemeinsamer Gabe von Covid-19- und Grippeimpfungen fest.
Die Erkenntnis beruht auf Daten, welche auf der Analyse von Anträgen an die öffentliche und bundesstaatliche Krankenversicherung in den USA für über 65-Jährige, Medicare, gestellt wurden, berichtet CNN.3 Forscher der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA), in den Vereinigten Staaten zuständig für die Zulassung für Arzneimittel und Impfungen, stellten fest, dass das Risiko von Schlaganfällen leicht erhöht war, wenn die beiden Impfstoffe gleichzeitig verabreicht worden waren und die Empfänger dabei 85 Jahre und älter waren. Ein Schlaganfall wird durch ein Blutgerinnsel im Gehirn verursacht.
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Einordnung des zusätzlichen Risikos
Das zusätzliche Risiko sei jedoch sehr gering – lediglich drei Schlaganfälle pro 100.000 Impfdosen wurden verzeichnet. Damit ist es verschwindend gering im Vergleich zum Risiko für hochbetagte Menschen, an Covid zu sterben. Ganz zu schweigen von den möglichen schweren gesundheitlichen Folgen nach einer Grippe: sie erhöht bekanntermaßen das Schlaganfallrisiko und eine Grippeimpfung kann es erheblich senken, wie eine Studie mit über 14.000 Schlaganfall-Patienten 2022 gezeigt hat.
Von einem generellen Problem mit simultanen Impfungen sei man bei diesen Daten entsprechend weit entfernt: „Die verfügbaren Daten liefern keinen klaren und konsistenten Beweis für ein Sicherheitsproblem bei ischämischem Schlaganfall mit bivalenten mRNA-Covid-19-Impfstoffen, wenn sie allein oder gleichzeitig mit Grippeimpfstoffen verabreicht werden“, zitiert CNN Dr. Tom Shimabukuro, Direktor des Immunization Safety Office beim Center for Disease Control and Prevention, eine Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums.
Gleichzeitig gegen Corona und Grippe impfen lassen – Expertenmeinung
Die Forscher gaben an, dass sie den möglichen Zusammenhang weiter untersuchen – in der Zwischenzeit könne man sich bedenkenlos weiter parallel gegen Covid-19 und Grippe impfen lassen. Wer sich dennoch sorgt, könnte erwägen, sich beide Spritzen nicht gleichzeitig, sondern zu unterschiedlichen Zeiten geben zu lassen. CNN zitiert dazu Dr. Peter Marks, Leiter des Center for Biologics Evaluation and Research der FDA: „Wenn Sie das Risiko von Wechselwirkungen und die Verwechslung der Nebenwirkungen minimieren möchten, warten Sie zwischen den Impfungen etwa zwei Wochen.“
Gleichzeitig gegen Corona und Grippe impfen lassen – das sagt das RKI
Laut dem Robert-Koch-Institut können simultane Impfungen gegen Corona und Grippe erfolgen, sollten allerdings in unterschiedliche Gliedmaßen erfolgen. Voraussetzung ist, dass für beide Impfungen eine Indikation vorliegt. Als optimalen Impfzeitpunkt für eine Grippeimpfung nennt das RKI den Zeitraum von Mitte Oktober bis Mitte Dezember.4 Auch aus Sicht der Ständigen Impfkommission (Stiko) spricht nichts gegen eine gleichzeitige Impfung gegen Covid-19, Influenza und Pneumokokken.5
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Wem in Deutschland die Grippeimpfung empfohlen wird
In Deutschland werden Erwachsene gegen Influenza mit einem Totimpfstoff geimpft. Bei Totimpfstoffen wird die Krankheit nicht hervorgerufen und die Impfviren können andere nicht anstecken. Empfohlen wird die Grippeimpfung vor allem Menschen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Influenza-Verlauf. Dies auch unabhängig von einem schon bestehendem Corona-Impfschutz. Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Impfung älteren Menschen über 60 Jahre. Zudem Schwangeren ab dem 2. Trimester (bei erhöhter Gefährdung schon ab dem 1. Trimester) sowie Menschen mit Vorerkrankungen wie z.B. Diabetes, chronische Erkrankungen der Atmungsorgane oder Stoffwechsel- und Autoimmunerkrankungen.
Hinzu kommen alle, die solche Risikopersonen betreuen oder mit ihnen in einem Haushalt leben. Außerdem Menschen mit bestimmten Berufen wie medizinisches Personal in Krankenhäusern, Pflege- und Senioreneinrichtungen und im Gesundheitswesen. Für alle diese Personengruppen empfiehlt die STIKO ausdrücklich eine Grippeimpfung.
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Allerdings ist eher fraglich, dass die Impfung gegen Corona in Deutschland jetzt Fahrt aufnimmt. Wie eine aktuelle Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos ergab, hat weniger als ein Drittel der Deutschen (31 Prozent) vor, sich diesen Winter gegen Covid-19 impfen zu lassen. Befragt wurden 2.000 Personen im Alter von 18 bis 75 Jahren.6