14. Juli 2021, 17:29 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Erst abnehmen, dann wieder zunehmen – und am Ende hat man mehr Kilos auf den Rippen als vorher. Der Jo-Jo-Effekt lässt grüßen. Wie kann man vermeiden, im Laufe seines Lebens nicht übermäßig zuzunehmen? US-Forschende haben herausgefunden, welche Trainingsart prädestiniert dafür ist.
Die meisten kennen es: Ein bisschen zu viel genascht und schon zeigt die Waage ein paar lästige Pfunde zu viel an. Nicht weiter schlimm und häufig hat man sie auch schnell wieder abgenommen. In Deutschland gibt es jedoch immer mehr Menschen, die übergewichtig oder stark übergewichtig sind – mit Folgen für die Gesundheit. Welche Art von Training ist optimal, um Übergewicht zu verhindern? Eine Studie der Iowa State University gibt wichtige Hinweise, wie man sich vor dem Risikofaktor Fettleibigkeit schützen kann.
Übersicht
Mit welchem Training kann man Übergewicht am besten verhindern?
Rund zwei Drittel (67 Prozent) der Männer und die Hälfte (53 Prozent) der Frauen in Deutschland sind laut der Deutschen Adipositas Gesellschaft e.V. übergewichtig (BMI ≥ 25 kg/m2). Ein Viertel der Erwachsenen (23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen) sind stark übergewichtig (adipös; BMI ≥30 kg/m2)1. Da Übergewicht und Adipositas in den OECD Ländern, also in fast alle EU-Staaten, USA, Japan, Südkorea, Australien, Schweiz und Türkei das „alarmierende Ausmaß einer Volkskrankheit“ angenommen haben, wollten Forschende in Iowa ein besseres Verständnis vom Zusammenhang von Krafttraining und Gewichtskontrolle gewinnen. Mit dem Ziel, herauszufinden, wie Menschen es schaffen können, gar nicht erst adipös und krank zu werden.
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Frühere Untersuchungen konnten bereits aufzeigen, dass regelmäßige Bewegung wie Schwimmen oder Joggen einen positiven Effekt auf das Risiko, übergewichtig zu werden, haben kann.2 Doch wie sieht es eigentlich mit der Wirkung von Krafttraining aus? Welchen Einfluss hat diese Art von Training auf die Fähigkeit, sein Gewicht zu halten? Genau diesen Fragen ging das Team rund um Studienleiterin Angelique Brellenthin nach. Die Ergebnisse wurden in „PLOS Medicine“ veröffentlicht.3
Trainingsarten im Vergleich – Ausdauer vs. Kraft
Für ihre Untersuchung griffen die Forschenden auf bereits erhobene Daten der „Aerobics Centre Longitudinal Study“4 der Cooper Clinic in Dallas zurück – genauer: auf die Daten von 11938 Patientinnen und Patienten zwischen 18 und 89 Jahren, die die Klinik zwischen 1987 und 2005 besucht hatten. Brellenthin und ihr Team betrachteten vor allem Personen mittleren Alters, die über einen Zeitraum von sechs Jahren vielfach medizinisch untersucht worden waren, die ihre Fitness testen ließen und einen Fragebogen ausgefüllt hatten. Dabei beantworteten sie auch Fragen zu ihren Sportgewohnheiten wie Ausdauersport und Krafttraining. Das Team der Cooper Clinic wollte zum Beispiel wissen, ob die Patient*innen Übungen zur Muskelstärkung machten und wenn ja, wie häufig und wie viele Minuten pro Woche.
Meta-Analyse – wie gingen die Forschenden vor?
Nun hieß es für Brellenthin und ihr Team, die Daten zu analysieren. So verglichen sie Gewicht und Maße der Personen von Klinikbesuch zu Klinikbesuch. Um zu beurteilen, ob jemand übergewichtig war, legte man in der Studie an der Iowa State University drei Kriterien zugrunde: den Body-Mass-Index (BMI), Taillenumfang sowie Körperfettanteil. So konnten die Forscher*innen feststellen, dass auf Basis des BMI (≥ 30 kg/m2) rund sieben Prozent der Probandinnen und Probanden innerhalb von sechs Jahren adipös geworden waren. Auf Grundlage von Taille und Körperfett waren es sogar 19 Prozent. Beim Taillenumfang waren vorab 102 Zentimeter für Männer und 89 Zentimeter für Frauen als Grenze zur Fettleibigkeit festgelegt worden. Beim Körperfettanteil galten 25 Prozent für Männer und 30 Prozent für Frauen als Grenzwert.
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Das Gewicht bzw. die Entwicklung des Gewichts über den betrachteten Untersuchungszeitraum von sechs Jahren setzten die Studienverantwortlichen in Verbindung mit den Sportgewohnheiten bzw. dem Fehlen dieser. Sie entdeckten dabei einen interessanten Zusammenhang: Krafttraining schien dabei zu helfen, das Gewicht zu halten – und nicht adipös zu werden.
Krafttraining senkt Risiko für Fettleibigkeit am deutlichsten
Männer und Frauen, die angegeben hatten, mehrmals die Woche Krafttraining zu machen, waren weniger gefährdet, im Laufe der Jahre fettleibig zu werden. Dafür reichten bereits ein bis zwei Stunden in der Woche. Gemessen am BMI konnten sie ihr Risiko um 20 Prozent, gemessen an Taille und Körperfett sogar um 30 Prozent senken.
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Die Vorteile von Krafttraining zeigten sich auch, nachdem die Ergebnisse um die Faktoren, Alter, Geschlecht, Rauchen, allgemeine Gesundheit und Ausdauersport bereinigt worden waren. Überraschend ist, dass die Personen, die nur Krafttraining und gar kein oder ganz wenig Ausdauersport machten, genauso gut ihr Gewicht halten konnten wie die Personen, die sowohl Ausdauer- als auch Krafttraining machten. Das weist daraufhin, dass besonders Krafttraining das Risiko, adipös zu werden, minimieren kann.
Einordnung der vorliegenden Studie
Wie lässt sich die Studie von Brellenthin und ihrem Team bewerten? Sie beruht rein auf Meta-Analyse und Beobachtungen. Weitere Forschung auf dem Gebiet Training und Übergewicht ist aktuell noch offen. So konnte das Forschungsteam eine Verbindung zwischen Krafttraining und Gewichtskontrolle herstellen, aber noch nicht belegen, dass diese Trainingsart eine Gewichtszunahme verhindert. Außerdem wurden auch die Essgewohnheiten, genetische Faktoren oder der Lebensstil in der Studie außen vor gelassen. Schließlich kann sie auch nicht die Frage beantworten, wie genau die Stärkung der Muskeln das Körpergewicht beeinflusst.
Übergewicht verhindern und Gewicht halten
Was die Studie aus Iowa dagegen zeigen konnte: Moderates Krafttraining senkt das Risiko, an Fettleibigkeit zu erkranken, enorm – und hilf mit einiger Wahrscheinlichkeit dabei, sein Gewicht zu halten. Gesundheitsbewusste Menschen können daher ihr Ausdauer-Workout ruhig um ein paar Gewichtsübungen ergänzen.
Studie Übergewichtige Teenager haben ein erhöhtes Risiko für 17 Krebsarten im Erwachsenenalter
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Studie zum Adipositas-Risiko Mädchen oder Jungen? An wen Fettleibigkeit der Mutter eher vererbt wird
Quellen
- 1. Deutsche Adipositas Gesellschaft e.V. Prävalenz der Adipositas im Erwachsenenalter. (aufgerufen am 14.07.2021)
- 2. Lin WY, Chan CC, Liu YL, Yang AC, Tsai SJ, Kuo PH. Performing different kinds of physical exercise differentially attenuates the genetic effects on obesity measures: Evidence from 18,424 Taiwan Biobank participants. Plos Genetics. (2019, aufgerufen am 14.07.2021)
- 3. Brellenthin, AG, Lee DC, Bennie JA, Sui X, Blair SN. Resistance exercise, alone and in combination with aerobic exercise, and obesity in Dallas, Texas, US: A prospective cohort study. PLOS Medicine (2021)
- 4. Cooper KH, Pollock ML. et al. The Cooper Center Longitudinal Study (CCLS): the Largest Study of its’ Kind! The Cooper Institute. (2018, aufgerufen am 14.07.2021)