26. November 2023, 7:33 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wie groß wir werden, bestimmen unsere Gene – aber nur zum Teil. Eine weltweit angelegte Untersuchung, bei der die Daten von 65 Millionen Heranwachsenden analysiert wurden, ergab jetzt: Eine schlechte Ernährung hemmt das Wachstum bei Kindern. Um welche Lebensmittel es insbesondere geht und warum ausgerechnet Schulen zu diesem Problem beitragen, erfahren Sie in diesem Artikel.
Wie wichtig eine gesunde Ernährung von frühester Kindheit an ist, belegt einmal mehr eine international angelegte Studie: Hierfür hatten Forschende des „Imperial College London“ Daten bezüglich Größe, Gewicht und Entwicklung von 65 Millionen Kinder aus 193 Ländern über einen Zeitraum von 35 Jahren gesammelt und untersucht.1 Was besonders herausstach: In den Ländern, in denen sich seit 1985 der Lebensstandard erheblich verbesserte, nahm auch das Wachstum der Kinder erheblich zu. Das heißt, im Alter von 19 Jahren hatten sie durchschnittlich eine höhere Körpergröße erreicht als ihre Eltern und Großeltern. Die Forscher schließen unter anderem daraus, dass der Körper mit einer besseren Nährstoffversorgung mehr Energie für das Wachstum zur Verfügung stellen kann. Und zwar in einem deutlicheren Maße als bislang angenommen: Eine schlechte Ernährung in der Kindheit könnte in den Nationen mit den größten und kleinsten Menschen zu einem Höhenunterschied von 20 Zentimetern beigetragen haben.
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Übersicht
- In den Niederlanden werden Kinder am größten
- Wachstum verlangsamt sich wegen schlechter Ernährung – Großbritanniens Kinder fallen zurück
- Die Mangelernährung beginnt oft in der Schulzeit
- Wie steht es um die Schulverpflegung in Deutschland?
- Zugang zu gesunder Ernährung muss ab der frühen Kindheit gewährleistet sein
- Quellen
In den Niederlanden werden Kinder am größten
Ein 19-jähriger Niederländer ist im Schnitt 1,83 Meter groß, eine gleichaltrige Niederländerin 1,69 Meter. Damit belegen sie Platz 1 im weltweiten Größe-Ranking. Ein gleichaltriger junger Mann aus Osttimor (Asien) ist durchschnittlich 1,60 Meter groß, eine junge Frau aus Guatemala 1,50 Meter, womit sie das Schlusslicht bilden. Aber auch dazwischen entdeckten die Forschenden bemerkenswerte Tendenzen. So werden zwar asiatisch stämmige Menschen schon allein genetisch gesehen kleiner als Nordeuropäer. Dennoch scheinen neben der Genetik weitere Faktoren eine Rolle zu spielen. Zum Beispiel sind 19-jährige Jungen in China heute acht Zentimeter größer als im Jahr 1985. Ein Phänomen, das mit der veränderten Ernährung eingeht, allerdings zusammen mit einer teils ungesunden Zunahme des BMI (Body-Mass-Index). Kinder brauchen also nicht nur ausreichend Kalorien, sondern eine nährstoffreiche Ernährung, damit sie ihr volles Potenzial bezüglich Wachstum entfalten können.
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Wachstum verlangsamt sich wegen schlechter Ernährung – Großbritanniens Kinder fallen zurück
Der Trend kann aber auch in die andere Richtung ausschlagen, wie die Untersuchung weiter offenbart. Während das Wachstum in den meisten Industrienationen immer weiter zunimmt, fallen die britischen Kinder im weltweiten Ranking weiter zurück. Noch im Jahr 1985 belegten britische Jungen in Sachen Größe Platz 28. 2019 fielen sie auf Platz 39 zurück. Britische Mädchen belegen nur noch Platz 42. Zum Vergleich: Deutsche Jungen belegen im weltweiten Größen-Ranking Platz 19 und die Mädchen Platz 25.
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Die Mangelernährung beginnt oft in der Schulzeit
Eine weitere Erkenntnis der Forscher: Die meisten Kinder liegen bis zu einem Alter von fünf Jahren bezüglich Größe und Gewicht im gesunden Bereich. Im Laufe der ersten Schuljahre ändert sich dies oft radikal. „Wir beobachten, dass viele Kinder mit dem Eintritt in die Schule langsamer wachsen und gleichzeitig schwer werden“, heißt es in der Studie. Die Wissenschaftler vermuten übrigens einen Zusammenhang mit der schlechten Qualität des Schulessens, das in Großbritannien immer wieder als zu fett, zu zuckerhaltig und zu nährstoffarm kritisiert wird.
Nicht verwunderlich, wenn man sich eine Analyse anschaut, die in der Fachzeitschrift „Nutrients“ publiziert wurde.2 Dabei untersuchten Wissenschaftler die Zusammensetzung der Mittagessen, die von mehr als 3300 Grund- und weiterführenden Schulkindern verzehrt wurden. Insgesamt machten stark verarbeitete Lebensmittel 82 Prozent der Kalorien in Lunchpaketen und 64 Prozent in Schulmahlzeiten aus. Laut der Analyse aßen Kinder zudem beim Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule mehr stark verarbeitete Lebensmittel. Dadurch stieg der durch die Lebensmittel bereitgestellte Kaloriengehalt von 61 auf 77 Prozent. Teilweise ist dieser Umstand darauf zurückzuführen, dass in der weiterführenden Schule mehr Fast Food und Pudding serviert wurde im Vergleich zu Grundschulen.
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Wie steht es um die Schulverpflegung in Deutschland?
Einem Bericht des Robert-Koch-Instituts zufolge nehmen 43 Prozent der Kinder und Jugendlichen das Mittagsangebot in der Schule an.3
Um Schülern eine ausgewogene Ernährung bieten zu können, hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) den „DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Schulen“ herausgegeben. Dabei handelt es sich um eine Art Leitfaden für Küchen und Mensen in der Gemeinschaftsverpflegung.4 Und das ist auch der Knackpunkt: Verpflichtend ist dieser Standard nicht. Laut RKI gaben 27 Prozent der befragten Schulleitungen an, dass in ihrer Schule der DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung umgesetzt wird. Dem stehen stolze 41 Prozent Schulen gegenüber, in denen Schüler sogar zuckerhaltige Softdrinks erwerben können.
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Wie beeinflusst der Veggie-Trend das Wachstum von Kindern und Jugendlichen?
Im Rahmen der VeChi-Youth-Studie wurden 401 Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis unter 19 Jahren in Deutschland untersucht.5 Sie ernährten sich vegetarisch, vegan oder omnivor ernährten. Sie kommt zu dem Schluss, dass jede dieser Ernährungsformen zu einem altersgemäßen Wachstum führen kann. Allerdings sollte man bei vegan und vegetarisch essenden Jugendlichen die Proteinzufuhr steigern, da pflanzliche Proteinquellen eine geringe Qualität aufweisen. Kleinkinder hingegen sollte man auf Rat von Kinderärzten nicht vegan ernähren (FITBOOK berichtete).
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Zugang zu gesunder Ernährung muss ab der frühen Kindheit gewährleistet sein
Ein Resümee der internationalen Studie lautet deshalb: Es muss sichergestellt werden, dass Kinder über ihre gesamte Wachstumsphase hinweg mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln versorgt werden. Das sei auch Aufgabe der Politik, fordert Studienleiterin Dr. Andrea Rodriguez. „Die Verfügbarkeit nahrhafter Lebensmittel muss erhöht und die Kosten dafür gesenkt werden“, sagt sie. Neben den Wachstumsstörungen sieht sie obendrein eine große Gefahr in den immer weiter steigenden BMI der Kinder. Denn Übergewicht kann noch zu vielen weiteren gesundheitlichen Problemen führen. Was diesbezüglich in frühester Kindheit versäumt wurde, ist in vielen Fällen nicht mehr aufzuholen.
Quellen