4. April 2019, 7:03 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Sogenannte stille Entzündungen im Körper erhöhen das Risiko auf (chronische) Krankheiten und treiben den Alterungsprozess maßgeblich voran. Das berichtet uns ein deutscher Internist über erschreckende neuere Erkenntnisse der Medizin. Das Gute daran: Jeder von uns kann gegen die Entstehung von Entzündungen vorgehen.
Zum Verständnis: Es sind nicht Entzündungen gemeint, die sich beispielsweise mit Rötungen auf der Haut zeigen. Gefährlich sollen vor allem stille Entzündungen sein, die sich im Inneren des Körpers abspielen und etwa per Blutuntersuchung festgestellt werden können.
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Was sind stille Entzündungen?
Wie Dr. Matthias Riedl, Facharzt für Innere Medizin und Ernährungsmedizin, im Gespräch mit FITBOOK erklärt, befindet sich der Körper ständig in Abgrenzungssituation zur Umwelt. Überall dort, wo etwas oberflächlich auf uns einwirkt oder in unser System eindringt (wie u.a. beim Essen), müsse er entscheiden: ‚Ist das OK für mich oder muss ich Abwehrzellen zur Verfügung zu stellen?‘ Mit dem Alter funktioniert dieser Prozess immer weniger gut – so wie alles, was mit dem Immungeschehen in Verbindung steht. Deshalb kann der Körper kleinere Entzündungsprozesse schlechter regulieren.
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Stille Entzündungen (auch „heimliche Entzündungen“ oder „Silent Inflammation“ genannt) treten plötzlich auf und breiten sich unbemerkt aus. In der Folge ist der Körper in einer ständigen Abwehrsituation, praktisch gegen sich selbst, und das laugt ihn aus. Deshalb kann sich eine stille Entzündung ab einem gewissen Zeitpunkt mit Schlappheit und generellen Krankheitssymptomen bemerkbar machen – und schlimmer noch: zu (oftmals chronischen) Folgeerkrankungen führen.
„Stille“ können zu aktiven Entzündungen werden
„Man bemerkt stille Entzündungen an den Arterien“, weiß Dr. Riedl, „Arteriosklerose wird dadurch gefördert.“ Sie sollen unter anderem die Gefahr auf Demenz und Arterienverkalkung erhöhen können, „und auch viele weitere Krankheiten, die man sich früher nicht erklären konnte, sind auf stille Entzündungen zurückzuführen.“ Zudem sollen aus „stillen“ aktive Entzündungen entstehen können, etwa in Form von Arthrose.
Wer ist besonders entzündungsgefährdet?
Im Grunde jeder. Wie bereits erklärt, nimmt mit zunehmendem Alter und dem natürlichen Nachlassen aller Körper- und Abwehrfunktionen der Selbstschutz nach und die Gefahr auf innere Entzündungen zu. Zur Risikogruppe gehören ansonsten vor allem immungeschwächte und chronisch kranke Menschen – beispielsweise mit Allergien, Neurodermitis, Erkrankungen des zentralen Nervensystems und Autoimmunkrankheiten.
Der Stein der Weisen der Alterung?
Die konkreten Gefahren durch stille Entzündungen seien beim jüngsten Internistenkongress Thema gewesen. Und zunächst klingen sie scheinbar erschreckend. Tatsächlich sieht Dr. Riedl das Wissen vielmehr als Chance. Denn: „Altern ist eine stille Entzündung. Und die kann man nicht nur befeuern, sondern mit den richtigen Verhaltensweisen aufhalten“, erklärt er. Dadurch soll man länger gesund bleiben und den Alterungsprozess maßgeblich verlangsamen können. Jeder, der lange gesund bleiben und alt werden möchte – und insbesondere die Risikogruppe –, sollte entzündungsfördernde Verhaltensweisen vermeiden.
Achtung vor diesen Entzündungsförderern!
Schlafmangel, Depressionen, Stress – ein seelisches Ungleichgewicht soll sich stark entzündungsfördernd auswirken. Vor allem aber betont Dr. Riedl die Bedeutung der Ernährung. So rät er, Transfette, wie sie beispielsweise beim Frittieren entstehen, bestmöglich zu vermeiden, und empfiehlt auch einen sparsamen Umgang mit tierischem Eiweiß und Fett.
Zudem warnt der Ernährungsmediziner vor den meisten Kohlenhydratarten und insbesondere vor Zucker. „Unsere Ernährung ist sehr reich an Brot, Reis und Nudeln. Das wäre in Ordnung, wenn man sie auch verbrennen würde. Das tun die meisten aber nicht und sitzen stattdessen viel.“ Jene Kohlenhydrate, die in den Fettzellen gespeichert werden, sollen zu innerem Bauchfett werden können – offenbar ein besonders großer Risikofaktor.
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Bei innerem Bauchfett handelt es sich um das Unterhautgewebe eines etwaigen Bäuchleins – „eine große Drüse, die schädliche Botenstoffe produziert“, wie der Diabetologe erklärt, „und diese lösen Entzündungsreaktionen im Körper aus“. Stark erhöhte Entzündungswerte im Blut von Patienten mit viel innerem Bauchfett stellen laut Dr. Riedl eine extreme Belastung für ihr Herzkreislaufsystem dar, häufig mit der Folge von Arterienverkalkung und Beeinträchtigungen der Hirnfunktion.
Auf dieser Weise lassen sich Entzündungen aufhalten
Der Fachmann empfiehlt ganz klar ein „artgerechtes“ Leben. Dieses sehe sozialen Zusammenhalt und Interaktionen vor, ausreichend Bewegung und Schlaf, als Extra-Stresskiller idealerweise Meditation – UND eine gesunde Ernährung.
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Wichtig: „artgerechte“ Ernährung
Wissenschaftler messen einem gesunden Gleichgewicht aus Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren eine große Bedeutung für einen entzündungsarmen Körper bei. In der Steinzeiternährung soll dieser sich von Natur aus geregelt haben, heutzutage hingegen sorgen minderfertige Fette und übermäßiger Fleischkonsum für ein ungünstiges Überverhältnis an Omega 6.
„Wichtig ist es daher, Omega 3 über die Nahrung zuzuführen“, so Riedl. Und das stecke nicht nur in tierischen Produkten wie Lachs, sondern auch in beispielsweise Leinöl und Chia.
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Machen Sie tierische Produkte wieder zur „Beikost“!
Viele Menschen glauben, die Steinzeitkost sei sehr fleischlastig gewesen. Wie Mediziner Riedl klarstellt, haben den größten Anteil der Urernährung pflanzliche Produkte ausgemacht, also Gemüse und Kräuter. „Fleisch war eher Beikost“, und heute sei es genau umgekehrt. Man könnte – und sollte! – sich aber wieder daran gewöhnen.
Der Arzt würde es jedem nahelegen, sich vegetarisch oder bestenfalls vegan zu ernähren. „Man kann auch mit einzelnen veganen Tagen anfangen und die Regelmäßigkeit erhöhen“, so sein Tipp. Dass dies einigen Menschen schwerfällt, sieht er im mangelnden Angebot an leckerem gesunden Essen. Hier kann aber zum Glück jeder selbst erfinderisch werden.
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