24. März 2023, 16:11 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
In Deutschland wird am 26. März wieder an der Uhr gedreht und eine Stunde vorgestellt. Dabei wäre es aus gesundheitlicher Sicht besser, auf eben diese Sommerzeit zu verzichten.
In der Nacht zum Sonntag, 26. März 2023, stellen wir die Uhren wieder eine Stunde vor, von zwei auf drei Uhr. Im Fall von Smartphones, Laptops und dergleichen geschieht diese Umstellung automatisch. Damit beginnt wie jedes Jahr die Sommerzeit. „Endlich!“ – denken jetzt viele. „Schon wieder!“, „denken“ dagegen unsere Körper. Denn es gibt wissenschaftliche Belege dafür, dass die Sommerzeit ungesund ist.
Übersicht
Woher kommt die Sommerzeit eigentlich?
Erfunden haben die Sommerzeit tatsächlich die Deutschen. Sie führten die Zeitumstellung von der Normalzeit (Winterzeit) auf die Sommerzeit während des Ersten Weltkriegs ein – und stellten die Uhr zum ersten Mal am 1. Mai 1916 um. So wollten das Tageslicht effektiver nutzen und somit Energie sparen. Schon bald übernahmen andere europäische Länder die Maßnahme, in den USA kam die Zeitumstellung 2018 an. Wie sich herausgestellt hat, ist der Nutzen der Zeitumstellung fürs Energiesparen aber – positiv formuliert – überschaubar.
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Ist die Sommerzeit ungesund?
Zudem stellen sich immer mehr Menschen die Frage, was die Zeitumstellung eigentlich gesundheitlich mit uns macht? Die Forschung fand heraus, dass sich die Sommerzeit negativ auf die Gesundheit auswirken kann. Die Umstellung auf die Sommerzeit stört den Schlafrhythmus und führt dadurch zu körperlichen Beschwerden, die auch negative Auswirkungen auf die Sicherheit haben. Laut Dr. Sasheel Patil, Schlafexperte und Professor an der Case Western Reserve University School of Medicine, liege dies daran, dass man ca. eine Woche brauche, um sich an den neuen Schlafrhythmus zu gewöhnen. Eine Woche also, in der man weniger schläft als normalerweise.1
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Mehr Fehler und Unfälle
Studien konnten aufzeigen, dass sich die Umstellung auf die Sommerzeit auf die allgemeine Sicherheit auswirkt. So ergab ein Projekt in den USA, in dem nationale Daten aus 20 Jahren ausgewertet wurden, dass es zu Beginn der Sommerzeit sechs Prozent mehr Autounfälle gibt. Der Analyse zufolge ist die Sommerzeit für durchschnittlich 28 Todesfälle durch Autounfälle verantwortlich.2
Eine andere Untersuchung ergab, dass es der Woche nach der Zeitumstellung zu mehr medizinischen Fehlern bzw. Behandlungsfehlern kommt. Während es in der ersten Woche der Winterzeit rund fünf Prozent mehr Fehler gibt, sind es in der ersten Woche der Sommerzeit knapp 19 Prozent. Der kurzzeitige Schlafentzug habe demnach Folgen für das Handeln von medizinischem Personal, was zum Teil ernsthafte gesundheitliche Folgen für Patienten nach sich ziehen kann.3 Auch außerhalb medizinischer Berufe führt die Umstellung auf Sommerzeit laut Forschung offenbar zu mehr Arbeitsunfällen.4
Mehr akute Herz-Kreislauf-Beschwerden
Auch für unser Herz scheint die Umstellung auf die Sommerzeit eher ungesund zu sein. So belegte beispielsweise eine Studie aus dem Jahr 2019 ein signifikant erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt in den ersten Wochen der Sommerzeit. Für den Beginn der Winterzeit konnten die verantwortlichen Wissenschaftler dies dagegen nicht aufzeigen.5 Eine weitere Studie kam zu dem Ergebnis, dass besonders der zweite Tag – also der Montag – nach der Zeitumstellung im März einen Anstieg akuter Herzinfarkte verzeichnete. Und zwar um 24 Prozent. An den anderen Tagen der ersten Sommerzeit-Woche zeigten sich keine solchen Effekte. Interessanterweise konnte für die Winterzeit eine gegenteilige Auswirkung auf die Herzinfarkte gezeigt werden, allerdings für den Dienstag statt Montag. Hier sanken die akuten Fälle von Herzattacken um 21 Prozent.6 Für Frauen scheint die Sommerzeit speziell das Risiko für Vorhofflimmern mit sich zu bringen. Wie eine Untersuchung herausfand, sind Männer davon offenbar nicht signifikant betroffen.7
Darüber hinaus deuten wissenschaftliche Erkenntnisse, u. a. aus Finnland, darauf hin, dass auch das Schlaganfallrisiko in den Tagen nach der Zeitumstellung auf die Sommerzeit ansteigt.8
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Negativer Einfluss auf die mentale Gesundheit.
Auch auf die Psyche wirken sich Sommer- und Winterzeit nachweislich aus. Die Zeitumstellung ist wohl nicht dafür verantwortlich, dass mentale Störungen entstehen, sie drückt jedoch die Stimmung und kann schon bestehende Beschwerden verschlimmern. Darauf deutete beispielsweise eine australische Studie mit bipolaren Menschen hin. Sie kam zu der Erkenntnis, dass die Suizide kurz nach Umstellung auf Sommerzeit anstiegen. Auch zu Beginn der Winterzeit war die Rate erhöht, wenn auch nicht ganz so stark wie im Frühjahr. Daraus schlussfolgerten die Wissenschaftler, dass generell die Zeitumstellung und die Störung des Schlafrhythmus ungesund für die Psyche sind.9
Warum hat die Sommerzeit diesen ungesunden Effekt?
Die ungesunde Wirkung der Sommerzeit führen Schlafexperten darauf zurück, dass der zirkadiane Rhythmus bzw. Biorhythmus gestört wird. Dieser sorgt dafür, dass wir Menschen Wach- und Schlafphasen haben und wird u. a. von Dunkelheit und Helligkeit (Tageslicht) beeinflusst.
Laut Patil führt die Sommerzeit in der modernen Welt zu Problemen mit dem Biorhythmus, weil wir nicht mehr wie früher mit Sonnenaufgang aufstehen und mit Sonnenuntergang ins Bett gehen. Stattdessen haben wir relativ feste Zeiten – Uhren und Wecker bestimmen, wann wir aufstehen und wann wir schlafen. Die Umstellung auf Sommerzeit bedeute, so erklärt der Professor, dass man nun laut Uhrzeit eine Stunde früher aufstehen muss und es zudem zu diesem Zeitpunkt dunkler ist. Dies störe den delikaten zirkadianen Rhythmus und führe zu kurzzeitig schlechterem Schlaf und dem Gefühl, tagsüber unausgeschlafen zu sein.
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Sollte die Zeitumstellung in Europa nicht abgeschafft werden?
Vieles spricht also dafür, dass die Sommerzeit der Gesundheit zuliebe abgeschafft werden sollte. Paradoxerweise möchte sich die USA nun auf eben diese Zeit festlegen. Immerhin gäbe es dann keine Umstellung mehr auf eine andere Zeit, sprich Winterzeit, was langfristig wahrscheinlich auch gesundheitsförderlich sein dürfte. Und in Europa soll die Zeitumstellung eigentlich auch abgeschafft werden. Das beschloss das Europäische Parlament bereits im März 2019 – und erklärte die Zeitumstellung zu einem Auslaufmodell. Das letzte Mal sollte im Oktober 2021 an der Uhr gedreht werden. Da sich die EU-Mitgliedstaaten aber nicht einigen können – Sommerzeit, Winterzeit oder doch weiter beides im Jahr – besteht die Zeitumstellung weiter. Auch wenn besonders die Umstellung auf die Sommerzeit nachweislich ungesund ist.
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Quellen
- 1. Healthline. Why Ditching Daylight Saving Time Would Be Healthier for Everyone. (aufgerufen am 16.3.2022)
- 2. Fritz, J., VoPham, T., Wright, K.P., Vetter, C. (2020). A Chronobiological Evaluation of the Acute Effects of Daylight Saving Time on Traffic Accident Risk. Current Biology.
- 3. Kolla, B.P., Coombes, B.J., Morgenthaler, T.I., Mansukhani, M.P. (2020). Increased Patient Safety-Related Incidents Following the Transition into Daylight Savings Time. Journal of General Internal Medicine.
- 4. Barnes, C.M., Wagner, D.T. (2006). Changing to Daylight Saving Time Cuts Into Sleep and Increases. Journal of Applied Psychology.
- 5. Manfredini, R., Fabbian, F., Cappadona, R. et al. (2019). Daylight Saving Time and Acute Myocardial Infarction: A Meta-Analysis. Journal of Clinical Medicine.
- 6. Sandhu, A., Seth, M., Gurm, H.S. (2014). Daylight savings time and myocardial infarction. Open Heart.
- 7. Chudow, J.J., Dreyfus, I. Zaremski, L. et al. (2020). Changes in atrial fibrillation admissions following daylight saving time transitions. Sleep Medicine.
- 8. Sipilä, J.O.T., Ruuskanen, J.O., Rautava, P., Kytö, V. (2016). Changes in ischemic stroke occurrence following daylight saving time transitions. Sleep Medicine.
- 9. Berk, M., Dodd, S., Hallam, K. et al. (2008). Small shifts in diurnal rhythms are associated with an increase in suicide: The effect of daylight saving. Sleep and Biological Rhythms.