11. April 2024, 15:45 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Grundsätzlich kann jede Infektion zu einer Sepsis, alltagssprachlich oft auch Blutvergiftung genannt, führen. FITBOOK klärt über Ursachen, Symptome und Behandlung auf.
Ein eitriger Zahn, ein Schnitt in die Hand, eine Lungenentzündung – die Infektionsquellen, die zu einer Sepsis (umgangssprachlich Blutvergiftung) führen können, sind vielfältig. In Deutschland kommt es jährlich zu rund 300.000 Fällen, 20 bis 25 Prozent davon enden tödlich. Das macht die Sepsis hierzulande zur dritthäufigsten Todesursache – nach Krebs- und Herz-Kreislauferkrankungen.
„Es gibt sehr viele Auslöser für Infektionen – deshalb sollte man das Thema weder dramatisieren noch unterschätzen“, sagt Prof. Dr. med. Michael Bauer im Gespräch mit FITBOOK. Er ist Klinikdirektor an der Uniklinik Jena und Sprecher des Zentrums für Sepsis und Sepsisfolgen. Bei FITBOOK erklärt er, was man über die weitgehend unbekannte Erkrankung wissen sollte.
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Übersicht
Wie eine Sepsis entsteht
Der Begriff Sepsis stammt aus dem Griechischen und bedeutet Gärung oder Fäulnis. Sie ist Folge zahlreicher Infektionskrankheiten, die sowohl durch äußerliche Wunden als auch innere Entzündungen entstehen können. Eine Blutvergiftung entsteht, wenn…
- … der Körper nicht in der Lage ist, die Infektion zu entfernen und das Immunsystem zu schwach reagiert – oder
- … die Abwehrreaktion des Immunsystems zu stark ausfällt und dem eigenen Körper sogar schadet.
„Infolgedessen kann es zum Schock, multiplem Organversagen und sogar zum Tod kommen“, sagt Intensivmediziner Prof. Bauer FITBOOK.
Symptome
Weil sich eine Blutvergiftung durch typische Grippesymptome wie Fieber und Schlappheit auszeichnet, werde sie mitunter nicht erkannt. Schüttelfrost, marmorierte Haut, starke Blässe bis hin zu gräulicher Gesichtsfarbe sowie Benommenheit des Betroffenen seien weitere Anzeichen dafür, dass sich die Entzündung im Körper bis zur Sepsis ausgebreitet hat, erklärt Bauer. Der Experte ergänzt, dass Betroffene häufig orientierungslos und verwirrt seien – ihr Blutdruck fällt ab (unter 100 mmHg) und die Atmung beschleunigt sich (mehr als 22 Atemzüge pro Minute).
Hat man bei einer Blutvergiftung einen roten Strich auf der Haut?
Irrtum! Bei dem bekannten roten Strich auf der Haut, der sich langsam ausbreitet, handelt es sich laut Prof. Bauer nicht um ein Sepsis-Symptom. Dieser sei vielmehr eine Folge von Lymphangitis – einer seltenen Entzündung der Lymphbahnen von Haut und Unterhautfettgewebe. Lymphangitis wird umgangssprachlich fälschlicherweise ebenfalls häufig als Blutvergiftung bezeichnet. Sie kann sich allerdings zu einer Sepsis entwickeln, wenn sich die Entzündung auf die Blutbahn ausweitet.
Wie man bei Babys eine Sepsis erkennt
Bei Neugeborenen und Babys ist es wichtig, dass Eltern die Frühsymptome einer Sepsis erkennen. Dazu zählen fleckige Haut, kalte Gliedmaßen und sehr schneller Herzschlag. Womöglich sind die Kleinen in ihrem Wesen verändert, scheinen träge oder lassen sich schwer aufwecken, erklärt Bauer. Bei Säuglingen könne zudem eine zu niedrige Temperatur ein Hinweis sein.
Auch hohes Fieber zählt zu den möglichen Anzeichen – das ist allerdings ein eher unspezifisches Symptom für alle Arten von Infektionen. Darum sollten Mütter und Väter vor allem dann aufmerksam werden, wenn zur erhöhten Temperatur plötzlich auch Appetitlosigkeit, Schläfrigkeit, Apathie und eine schwere oder schnelle Atmung hinzu kommen, oder wenn die Muskeln schlapp werden.
Dann sollte man sofort in die Arztpraxis oder Notaufnahme fahren. Oder man ruft gleich den Notruf 112 an.
Das ist bei einer Blutvergiftung zu tun
„Eine leichte oder weniger gefährliche Form der Sepsis gibt es nicht“, warnt Dr. Bauer. Unangenehme Infektionen seien die Vorstufe, die sich noch gut behandeln lasse. Sobald offiziell von einer Sepsis – und somit einer Ausbreitung des ursprünglichen Entzündungsherds – auszugehen sei, sollte man umgehend einen Arzt aufsuchen. Dieser bekämpfe dann den Infektionsherd; beispielsweise bei einer Lungenentzündung mit Antibiotika, bei einer Blinddarmentzündung sogar mit einer Operation.
Was ist der septische Schock?
Fällt der Blutdruck eines Sepsis-Patienten so weit ab, dass seine Organe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden, spricht man von einem septischen Schock. Die Überlebenschance sinkt drastisch, laut Prof. Bauer kommt es in 40 bis 50 Prozent der Fälle zum Tod.
Mögliche Auslöser einer Blutvergiftung
Die Anzahl möglicher Auslöser für eine Infektion ist groß. Ein 2017 veröffentlichter Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO benennt in erster Linie Pneumokokken, das unter anderem für Bronchitis verantwortliche Bakterium Haemophilus influenzae oder auch Salmonellen als häufige Verursacher.1 Aber auch saisonale sowie meldepflichtige Viren wie beispielsweise Schweinegrippe-, Gelbfieber- oder Ebola-Viren werden gelistet. Als weitere häufige Auslöser nennt Bauer Entzündungen der Lunge, des Hautgewebes und Bauchfells sowie der Harnwege. „Auch Krebspatienten, deren Immunsystem beispielsweise durch eine Chemotherapie stark geschwächt ist, sterben bei einer in diesem Fall häufiger auftretenden Infektion pro forma an einer Sepsis“, so Prof. Bauer zu FITBOOK.
Sepsis infolge einer Infektion mit dem Coronavirus
Auch eine Coronainfektion kann eine Blutvergiftung auslösen, die besonders tückisch sein kann. Dabei entwickeln Betroffene nach mehreren Tagen ein extremes Krankheitsgefühl. Gerade ältere Menschen laufen aus Angst vor dem Krankenhaus oder dem Arzt Gefahr, den Zeitpunkt zu verpassen, wo ihnen eine schnelle Therapie vielleicht noch das Leben gerettet hätte. Ein Multi-Organ-Versagen ist häufig der Endpunkt der Sepsis. Daran verstirbt man dann.
Wer gehört zur Risikogruppe?
Überproportional häufig von einer Sepsis betroffen sind laut dem Intensivmedizier Prof. Bauer von der Uniklinik Jena Säuglinge unter einem Jahr sowie ältere Menschen ab 70 beziehungsweise 75. Aber auch genetische Faktoren sowie Erkrankungen, die entweder selbst das Immunsystem schwächen oder bei denen Medikamente eingenommen werden, die das tun, spielen eine Rolle.
Zugehörige dieser drei Risikogruppen sollten auf hohe Hygienestandards achten und vorbeugende Impfungen durchführen lassen, bspw. gegen Grippe oder Pneumokokken. In besonders anfälligen Stadien, zum Beispiel während einer Chemotherapie, sollten außerdem große Menschenmassen wegen des hohen Infektionsrisikos gemieden werden.
Laut einer 2016 veröffentlichten Studie erhöht sich die Anzahl der Fälle in Deutschland um 5,8 Prozent im Jahr.2 Der Experte sieht die Zahl unter anderem aufgrund des demografischen Wandels kritisch – dennoch häufen sich auch seiner Erfahrung nach die Sepsis-Fälle. „Die Menschen werden immer älter und somit auch anfälliger.“
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Fazit
Früherkennung ist bei einer Sepsis beziehungsweise Blutvergiftung das A und O. Wie der Experte ausführt, kann sich die Prognose mit jeder Stunde weiter verschlechtern. Vor allem Angehörige der drei Risikoklassen sollten hohe Hygienestandards einhalten und sich von Risikofaktoren fern halten. Darüber hinaus empfiehlt sich in diesem Fall auch eine genaue Beobachtung von Wunden und erhöhte Wachsamkeit bei Beschwerden wie anhaltendem Husten und generellem Krankheitsgefühl. Je früher reagiert wird, desto besser sind die Behandlungschancen!