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Mediziner erklärt

Was steckt hinter Selbstheilung und wie funktioniert sie?

Junger Mann sitzt mit geschlossenen Augen auf einer Couch – Selbstheilung
Meditation und Yoga stärkt nachweislich die körpereigenen Selbstheilungskräfte Foto: Getty Images
Friederike Ostermeyer
Freie Autorin

29. März 2022, 17:07 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Wovon die Alternativmedizin schon lange ausgeht, dem kommt seit einigen Jahren auch die Schulmedizin auf die Spur: Jeder Mensch verfügt über Selbstheilungskräfte. Was das genau bedeutet und wie wir unseren „inneren Arzt“ aktivieren können, darüber haben wir mit dem Mediziner Prof. Dr. Tobias Esch gesprochen.

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Selbstheilungskräfte – das hört sich irgendwie esoterisch an. Ist es aber nicht, denn genau genommen hat sie jeder von uns schon mal erlebt. Wenn wir uns zum Beispiel in den Finger schneiden, hört nach einiger Zeit die Blutung von allein auf, wenige Tage später ist die Wunde von selbst zugewachsen. Wir mussten nichts dafür tun, außer abzuwarten. Das ist Selbstheilung. So liegt es nahe, dass diese Fähigkeit nicht nur bei kleinen Alltagsunfällen funktioniert, sondern auch bei ernsteren Erkrankungen. Was steckt also genau dahinter?

Selbstheilung beginnt im Kopf

Prof. Tobias Esch von der Universität Witten/Herdecke – Autor des Buches „Der Selbstheilungscode: Die Neurobiologie von Gesundheit und Zufriedenheit“ – weiß als Arzt und Hirnforscher: „Selbstheilung ist ein Prinzip. Jeder Körper, jeder Organismus will leben. Deshalb aktiviert er bei jeder Störung von ganz allein das eigene Selbstheilungssystem. Reichen die vorhandenen Kräfte aus, geschieht das ganz unbemerkt. Reichen sie nicht aus, entsteht Krankheit.“

Die westliche Schulmedizin hat diesen Aspekt lange vernachlässigt. Doch immer mehr Forscher wie Tobias Esch kommen dahinter, wie wichtig unser „innerer Arzt“ für die ganzheitliche Heilung ist. Denn er wirkt nicht nur bei einem aufgeschürften Knie, sondern auch bei psychischen Leiden wie Trauma oder Depression. „Selbstheilung beginnt im Gehirn“, sagt er. Tatsächlich sei mittlerweile gut nachweisbar, was genau auf der Zellebene passiert, wenn Selbstheilung einsetzt – oder diese durch negative Faktoren wie Stress, Angst oder Schuldgefühle behindert wird, erklärt der Experte weiter.

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Wie setzt man Selbstheilungsprozesse in Gang?

Eigentlich ist es ganz einfach: Sobald das Belohnungssystem beginnt, glücklich machende Botenstoffe wie Serotonin und Co. auszuschütten, wirken diese bis in den Zellkern hinein. Das sorgt dafür, dass sich nicht nur die Stimmung hebt, sondern auch das Immunsystem gestärkt werden soll.

Und wie können wir jetzt diese selbstheilungsaktivierenden Botenstoffe in Gang setzen? Auch das sei gar nicht so kompliziert, behauptet Esch: „Eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung, genug Schlaf, Meditieren, stabile soziale Kontakte, aber auch gelebte Spiritualität können den Prozess beschleunigen.“

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Mit dem Belohnungssystem zusammenarbeiten

Das ist natürlich einfacher gesagt als getan. Wer gerade unter Depressionen leidet oder an Krebs erkrankt ist, kann nur schwerlich „auf Knopfdruck“ glücklich sein. Doch selbst hierfür gebe es ein paar „Gedankentricks“, weiß Esch. „Wir müssen lernen, mit unserem Belohnungssystem zusammenzuarbeiten. Wenn wir also etwas unternehmen, das mit einem guten Gefühl belohnt wird, dann ist das in der Regel auch gut für uns. Falls nicht, müssen wir etwas anderes ausprobieren.“

Schuldgefühle, innerer Druck, Zwang und Stress sind übrigens die mächtigsten Gegenspieler der Selbstheilung. Menschen, die psychisch besonders unter ihrer Krankheit leiden, rät Esch: „Statt die Krankheit zu sehen, fragen Sie sich: Was an mir ist eigentlich gesund? Mein Erinnerungsvermögen? Mein Gehör, die Fähigkeit zu genießen? Sich auf das Nicht-Kranke zu fokussieren, hilft ungemein.“

Esch erfährt immer wieder, wie wirksam Selbstheilung in der Praxis ist. Er habe schon Patienten mit chronischen Schmerzen gehabt, die über Jahre starke Medikamente einnehmen mussten, bis sie – dank einer Kombination aus Yoga, Qi­gong und einer veränderten inneren Einstellung – ihr Leiden maßgeblich verringern konnten. Und zwar „allein aus der Tatsache heraus, dass ihnen bewusst wurde, dass sie selbst etwas bewirken können.“ Und durch das Erkennen der eigenen Selbstwirksamkeit wurde bildlich gesprochen „der große Löwe Schmerz zu einem kleinen Kätzchen“.

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Wie die (Wieder)entdeckung der Selbstheilungskräfte die Medizin verändert

Es wurde lange unterschätzt, welche starken körpereigenen Prozesse es gibt. Doch durch die wachsenden Informationsmöglichkeiten wie das Internet habe sich auch die Gesellschaft in den letzten Jahren stark beeinflussen lassen, beobachtet Esch. Immer mehr Menschen würden auf andere Ansätze aufmerksam werden. Diese Wiederentdeckungen von alternativen Methoden oder Therapien, die in Vergessenheit geraten waren, habe auch die Forschung verändert. Auf einmal setzt sich die Wissenschaft mit Themen wie Achtsamkeit oder Meditation auseinander und stellt fest: Da ist ja wirklich etwas dran!

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Und genauso halte es sich auch mit dem eigenen inneren Arzt, der im Idealfall mit dem äußeren Arzt zusammenarbeitet. „Wir verstehen mehr und mehr, dass es auch in der Verantwortung eines jeden Einzelnen liegt, selbst etwas zur eigenen Heilung beizutragen.“

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