30. Juli 2024, 13:13 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Von Schwimm-Legende Michael Phelps bis MMA-Star Conor McGregor – sie alle schwören auf Cupping! Das Schröpfen soll Schmerzen lindern bzw. den Regenerationsprozess beschleunigen. Dabei legt man eine Silikonglocke auf eine verspannte oder verletzte Muskelpartie und erzeugt einen Unterdruck. FITBOOK erklärt verschiedene Arten des Schröpfens, erläutert die Risiken – und beantwortet die Frage, ob Cupping wirklich etwas bringt – außer roter, kreisrunder Flecken auf der Haut.
Das Schröpfen gehört zu den traditionellen Behandlungsmethoden bei Schmerzen, die auf das Bindegewebe zurückzuführen sind. Nachdem es im 20. Jahrhundert weitgehend in Vergessenheit geriet, erlebt es seit einigen Jahren als eine Renaissance – und allerspätestens, als Schwimm-Legende Michael Phelps bei den Olympischen Spielen in Rio 2016 Cupping thematisierte, ist die Methode im Breitensport ein Thema. FITBOOK erklärt, wie Cupping (englisch für „Schröpfen“) funktioniert, welche Arten es gibt und ob Risiken bestehen. Außerdem erläutern wir Einsatzgebiete des klassischen Schröpfens und die Studienlage zur Wirkung.
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Übersicht
- Schröpfen – wer hat’s erfunden?
- So funktioniert das Schröpfen
- Gibt es einen Unterschied zwischen Schröpfen und Cupping?
- Cupping im Spitzensport
- So wirkt Cupping nach sportlicher Anstrengung
- Die unterschiedlichen Schröpfmethoden und bei welchen Beschwerden sie eingesetzt werden
- Einsatzgebiete der Schröpfkopftherapie
- Was sind die Risiken beim Cupping?
- Bei wem das Schröpfen nicht infrage kommt
- Hilft Schröpfen wirklich? Studienlage
- Quellen
Schröpfen – wer hat’s erfunden?
Cupping (engl. für „Schröpfen“) basiert auf einer langen Heiltradition. Beschrieben wurde es bereits vor über 3000 Jahren in Mesopotamien. Die alten Ägypter praktizierten es, ebenso die alten Griechen: Hippokrates, der erste Humanmediziner, soll das Schröpfen zur lokalen Ausleitung von Krankheitsstoffen bzw. zur Ableitung dieser Stoffe von entfernten Organen empfohlen haben. Von dort aus entwickelte sich das Therapieverfahren und war bis ins frühe 19. Jahrhundert Grundlage der Humoraltherapie, die damals Grundlage der klassischen Medizin war. Mit Verdrängung der Humoraltherapie im 19. Jahrhundert geriet das Schröpfen in Vergessenheit. Seit einigen Jahren besteht jedoch wieder ein steigendes Forschungsinteresse, auch Heilpraktiker wenden das Schröpfen wieder an. 1
In der islamischen Welt ist das Schröpfen als „Hidschama“ bekannt. Und in China gehört es bis heute zu den anerkannten Methoden der gelehrten Medizin (Traditionellen Chinesischen Medizin, kurz: TCM).
So funktioniert das Schröpfen
Schröpfen gilt als ein sogenanntes „Ausleitungsverfahren“, das heißt: Giftstoffe sollen dadurch aus dem Körper gelangen. Hierbei setzt man darauf, dass die Giftstoffe den Körper entweder direkt verlassen oder aber an die Hautoberfläche gelangen und dann über das Lymphsystem abtransportiert werden. Dieser Vorgang basiert auf dem Vakuum in sogenannten „Schröpfköpfen“ bzw. Saugglocken. Den Unterdruck erzeugt der Heilpraktiker, indem er die Luft mittels Schlauch oder Ballon abgesaugt – manchmal aber auch noch, indem er das Glas leicht erhitzt. Die abkühlende Luft zieht sich zusammen. Dadurch wird ein Vakuum erzeugt (Unterdruck), in dessen Folge es zu einer mechanischen Verschiebung verschiedener Muskel-, Bindegewebs- und Hautschichten gegeneinander kommt – also ganz anders als bei der Massage, bei der Muskeln geknetet oder gedrückt werden.
Gibt es einen Unterschied zwischen Schröpfen und Cupping?
„Cupping“ ist die englische Bezeichnung für „Schröpfen“. Bei beiden Begriffen handelt sich dabei im Wesentlichen um dasselbe Verfahren, welches sich auf dieselbe therapeutische Technik bezieht – Ansaugen von Haut und oberflächlichem Gewebe durch Schröpfköpfe (englisch: „Cups“) aus Silikon oder Glas. „Cupping“ hat als Begriff in letzter Zeit jedoch erheblich mehr Aufmerksamkeit erhalten, weil prominente Sportler öffentlich darüber sprachen – u. a. Michael Phelps bei den Olympischen Spielen in Rio 2016.2
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Cupping im Spitzensport
Spitzensportler sind großen Anstrengungen ausgesetzt, die starke Muskelverspannungen und -Schmerzen nach sich ziehen können. Und sie sind – ganz besonders in Wettkampfphasen – darauf angewiesen, schnell zu regenerieren. Cupping hat sich bei vielen Profis in den letzten Jahren als wirksamer Teil einer Regenerationsroutine entpuppt. Einer der ersten, die öffentlich darüber sprachen, war, wie bereits erwähnt, Michael Phelps 2016. Auch Dwayne ‚The Rock‘ Johnson, Conor McGregor, Karim Benzema und Neymar sollen Cupping als Therapiemethode einsetzen, um ihre körperliche und mentale Leistungsfähigkeit zu optimieren.3
So wirkt Cupping nach sportlicher Anstrengung
Zunächst sorgt der erzeugte Unterdruck dafür, dass die Durchblutung im behandelten Bereich erhöht wird. Dies soll die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung der Muskeln verbessern und die Regeneration der Muskulatur beschleunigen. Ein weiterer Effekt der erhöhten Durchblutung besteht darin, dass Schmerzpunkte (sog. „Triggerpunkte“) gelöst werden können. Wenn die Verspannung im Muskel reduziert wird, kann sich auch seine Beweglichkeit verbessern. Gleiches gilt für Gelenke. Eine verbesserte Beweglichkeit verringert bei Sportlern das Verletzungsrisiko. Zuletzt berichten viele Athleten davon, sich nach einer Cupping-Behandlung entspannt zu fühlen. Ein solcher Entspannungseffekt trägt zur Erholung nach großen Anstrengungen bei – und davon profitiert wiederum die Leistungsfähigkeit.
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Die unterschiedlichen Schröpfmethoden und bei welchen Beschwerden sie eingesetzt werden
Es gibt insgesamt drei Cupping-Methoden, die alle das gleiche Ziel verfolgen – sich aber in der Wirkungsweise und Anwendung teils stark unterscheiden. Grundsätzlich dient das Schröpfen dazu, Muskelverhärtungen und Verspannungen zu lösen.
Trockenes Schröpfen (Dry Cupping)
Beim trockenen Schröpfen (auch unblutiges Schröpfen genannt) werden die Schröpfköpfe aus Silikon oder Glas auf die Haut gesetzt und die Luft abgelassen. Der Körper reagiert auf den dadurch entstehenden Unterdruck, indem die Durchblutung im Bereich unter dem Schröpfkopf steigt und rote Blutzellen heraustreten sollen. Diese Variante kommt vor allem bei chronischen Beschwerden zum Einsatz.
Blutiges Schröpfen (Wet Cupping)
Beim blutigen Schröpfen wird die Haut zunächst „angeritzt“. Danach werden Schröpfköpfe auf diese Stellen gesetzt. Das Blut tritt durch das Vakuum verstärkt aus, wodurch darin enthaltene Schadstoffe effektiver ausgeleitet werden sollen. Diese Methode soll bei akuten Beschwerden helfen und zudem bewirken, dass das Blut wieder besser durch die Adern fließt.
Schröpfmassage (Massage Cupping)
Bei der Schröpfmassage wird die Haut zunächst eingeölt. Dann werden die Schröpfköpfe über die Haut gezogen, sodass ein stärkerer Effekt auftritt als bei einer reinen Massage. Muskeln werden auf diese Weise gelockert und die Durchblutung der behandelten Körperpartien soll angeregt werden. Zusätzlich sollen auch hier Giftstoffe über das Lymphsystem abtransportiert werden. Das allgemeine Wohlbefinden soll verbessert werden.
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Einsatzgebiete der Schröpfkopftherapie
Die Schröpfkopftherapie ist bei sehr unterschiedlichen Erkrankungen einsetzbar:
- Schmerzen durch Erkrankungen des Bewegungsapparats: Arthrose, rheumatische Arthritis, Fibromyalgie, Osteoporose, Karpaltunnelsyndrom, Verspannungen, chronische Rückenschmerzen
- Erkrankungen des Verdauungstrakts: Blähungen, Verstopfung, Diarrhö, Reizdarmsyndrom, Erkrankungen der Leber und der Gallenblase, Hämorrhoiden
- Erkrankungen der Atemwege: Erkältungen und grippale Infekte, akute oder chronische Bronchitis, Asthma
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: zu niedriger und zu hoher Blutdruck, Krampfadern, Herzinsuffizienz
- Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen: Tinnitus
- Stoffwechselerkrankungen: Gicht, Diabetes mellitus, Adipositas
- Erkrankungen der Harnwege: Harninkontinenz, Harnwegsinfekt
- Erkrankungen der Geschlechtsorgane: Störungen der Menstruation, Fluor vaginalis, entzündliche Prozesse im Bereich der Geschlechtsorgane
- Nerven/Psyche: Kopfschmerz, Migräne, Neuralgien, Depression, Schlafstörungen
- Erkrankungen der Haut: Narben, Cellulitis
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Was sind die Risiken beim Cupping?
Insgesamt gilt die Behandlungsmethode abgesehen von den Blutergüssen bzw. runden Flecken als nebenwirkungsarm. Nicht selten verspüren Patienten nach einer Schröpf-Session auch eine Art Muskelkater an den behandelten Muskelgruppen.
Bei wem das Schröpfen nicht infrage kommt
- Kinder, Schwangere und ältere Menschen
- Menschen mit Hauterkrankungen
- wenn gerinnungshemmende Medikamente eingenommen werden
- während oder nach einer Strahlentherapie
- bei Ödemen und schweren Herzerkrankungen
- nach langer Behandlung mit Kortison
- bei Wundheilungsstörungen1
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Hilft Schröpfen wirklich? Studienlage
Obwohl das Schröpfen seit Jahrtausenden angewandt wird, gibt es keine wissenschaftlichen Studien, die belegen, ob Giftstoffe durch das Schröpfen tatsächlich besser abgeleitet werden. Was jedoch inzwischen nachgewiesen ist, ist die Wirksamkeit des Schröpfens bei einigen (wenigen) Schmerzen bzw. Erkrankungen. Es gibt bislang mehrere Studien und Reviews zur Wirkung von Cupping.
Insbesondere Rückenschmerzen werden häufig erfolgreich durch das Schröpfen am Rücken behandelt. Es gibt zwei kleine, randomisierte Studien zur Wirksamkeit von pulsierendem Schröpfen bei Kniegelenksarthrose sowie chronischen Rückenschmerzen der Lendenwirbelsäule. Zwei Mal Schröpfen pro Woche konnte – nach einigen Wochen – Schmerzen bei Patienten lindern und deren Lebensqualität steigern, wenn sie chronische Schmerzen hatten. Einschränkend verweisen die Autoren selbst darauf, dass hochwertige Methoden folgen müssten, um die Ergebnisse dieser Studien zu bestätigen.4
Auch bei Nackenschmerzen soll Cupping helfen können – wie eine Analyse präklinischer Studien zeigt.5 Eine südkoreanische Metaanalyse konnte 2011 zeigen, dass Cupping einen positiven Effekt in der Schmerztherapie hat – untersucht wurde Schröpfen bei Patienten mit Schmerzen jeglicher Ursachen. Allerdings weisen die Autoren darauf hin, dass die Qualität der Untersuchungen teils qualitativ unzureichend ist.6
2009 kam eine randomisierte Studie mit Patienten mit Karpaltunnelsyndrom zu dem Schluss, dass Schröpfen bei der Linderung von Schmerzen und anderen Symptomen im Zusammenhang mit dem Karpaltunnelsyndrom wirksam sein kann.7 Eine andere Studie zeigte die Wirksamkeit des Schröpfens bei der Linderung der Symptome von Kniearthrose.8 Überdies wurde Wet Cupping (also „Blutiges Schröpfen“) in Studien bei der Behandlung von Herpes Zoster und Migräne als effektiv bewertet.9,10 Laut einer Arbeit aus dem Jahr 2015 soll sich die Cellulite an Schenkeln durch Trocken-Schröpfen ein wenig zurückgebildet haben.11 Auch dieses Ergebnis ist als eher dürftig einzuordnen.
Ein Manko dieser bisherigen Studien ist aber, warum es oftmals zu einer starken Verbesserung der Beschwerden kommt.
So fühlt sich Cupping an
„Ich lasse mich alle paar Monate am Rücken schröpfen, besonders nach intensiven Gym-Workouts. Etwa zehn Minuten lang bleiben die zehn Saugglocken haften – und es fühlt sich so an, als würde jemand mit voller Kraft an allen Enden meiner Haut ziehen. Nicht unbedingt schmerzhaft, aber auch nicht wirklich angenehm. Immerhin folgt der buchstäblichen Anspannung nach der Prozedur ein Gefühl der Entspannung, das vergleichbar ist mit einer intensiven Einheit auf der Faszienrolle. Hinzu kommt in den Stunden danach noch ein leichtes Kribbeln auf der Haut und eine Art ganz sanfter Muskelkater in den 48 Stunden danach. Bringt das Cupping auch etwas? Ja! Schon direkt im Anschluss ist mein Schultergürtel beweglicher und der Rücken wirkt in den darauffolgenden Tagen etwas weniger verspannt. Insofern würde ich empfehlen, Cupping einfach selbst mal auszuprobieren – sofern man kein Problem damit hat, dass man wegen der riesigen, von den Saugglocken stammenden Hämatome am See, in der Sauna oder zu Hause durchaus ein paar Fragen und seltsame Blicke erntet.“