8. Juni 2022, 10:42 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Nicht immer weinen oder schreien Kinder, wenn sie Schmerzen haben. Trotzdem senden sie Signale. Wie Eltern sie richtig einordnen und warum es in der Regel sinnvoll ist, die Schmerzen zu behandeln, verrät FITBOOK.
Tut uns etwas weh, beklagen wir das. Wir schreien, weinen oder stöhnen. Kinder aber haben auch ganz andere Wege, mit Schmerz umzugehen. Philipp Gude, Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie des Katholischen Klinikums Bochum, hat untersucht, wie gut Eltern den Schmerz ihres Kindes einschätzen können. Im Interview erklärt er, woran man erkennen kann, ob Kinder unter Schmerzen leiden. Und warum Schmerzen unbedingt behandelt werden müssen.
Übersicht
- Wie unterscheiden sich Kinder in der Schmerzäußerung von Erwachsenen?
- Woran genau erkennen Eltern, ob Kinder Schmerzen haben?
- Eltern zögern häufig, ihren Kindern Schmerzmittel zu geben. Zu Recht?
- Was bedeutet „Schmerzgedächtnis“?
- Worauf sollten Eltern bei der Schmerzbehandlung achten?
- Eine Blutabnahme in der Arztpraxis tut Kinder oft sehr weh. Kann man dagegen etwas tun?
Wie unterscheiden sich Kinder in der Schmerzäußerung von Erwachsenen?
Philipp Gude: „Manche weinen und schreien, stöhnen oder halten sich das entsprechende Körperteil – so wie Erwachsene. Aber auch leise Kinder können Schmerzen haben, und die werden häufig übersehen oder falsch eingeschätzt.“
Woran genau erkennen Eltern, ob Kinder Schmerzen haben?
Gude: „Kinder, die Schmerzen haben, zeigen zum Beispiel weniger Spieltrieb, sie sind ruhiger, suchen die Nähe ihrer Eltern. Auch wenn Kinder keinen Appetit haben, kann das ein Zeichen für Schmerz sein. Verhaltensänderungen generell sollten hellhörig machen. Eltern sind deshalb an sich sehr gut geeignet, um einzuschätzen, ob ihr Kind Schmerzen hat und wie stark diese sind.“
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Eltern zögern häufig, ihren Kindern Schmerzmittel zu geben. Zu Recht?
Gude: „Das stimmt. Das zeigen übrigens auch internationale Studien. Viele fürchten sich vor einer möglichen Abhängigkeit und vor Nebenwirkungen. Was aber häufig übersehen wird: Auch der Schmerz selbst hat Folgen. Es bildet sich ein Schmerzgedächtnis.
Was bedeutet „Schmerzgedächtnis“?
Gude: „Ein Kind, das schon mal einen schmerzhaften Eingriff erlebt hat, reagiert beim nächsten Eingriff sehr viel heftiger auf die Schmerzen als ein Kind, das bisher kein solches Erlebnis hatte. Deswegen sollten Schmerzen behandelt werden.“
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Worauf sollten Eltern bei der Schmerzbehandlung achten?
Gude: „Das Wichtigste ist, sich an die Dosierungsvorschriften zu halten. Ist ein Kind operiert worden, rate ich den Eltern daher, sich vom behandelnden Arzt eine schriftliche Empfehlung für die Schmerzmedikation geben zu lassen. Ein Klinikaufenthalt mit Kind ist ein Ausnahmezustand. Viele Eltern erinnern sich zu Hause schlichtweg nicht mehr an das, was der Arzt gesagt hat. Zur konsequenten Behandlung von akuten Schmerzen kann auch gehören, dass Schmerzmittel nach einer Operation über einen längeren Zeitraum regelmäßig eingenommen werden müssen.“
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Eine Blutabnahme in der Arztpraxis tut Kinder oft sehr weh. Kann man dagegen etwas tun?
Gude: „Ja, es gibt Pflaster, die die Haut um die Einstichstelle herum betäuben. Aus meiner Sicht ist das absolut sinnvoll. Wie gesagt: Auch solche Erlebnisse werden im Schmerzgedächtnis abgespeichert. Wie flächendeckend diese Pflaster schon zum Einsatz kommen, weiß ich allerdings nicht. Eltern können in ihrer Kinderarztpraxis sicherlich aktiv danach fragen.“
Mit Material von dpa