2. Juni 2022, 11:04 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Chronischer Schlafmangel macht krank. Immer mehr Studien belegen, wie schädlich zu wenig Schlaf für die Gesundheit ist. Wer dauerhaft weniger als sieben Stunden pro Nacht schläft, riskiert aber nicht nur ein schwaches Immunsystem, sondern beeinflusst sogar die eigene DNA-Struktur.
Schlafen ist gesund. Ausreichender Schlaf stärkt das Immunsystem, beugt Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor und schützt vor psychischen Erkrankungen. Die Liste der positiven Auswirkungen von gesundem Schlaf ist endlos. Für die meisten ist das jedoch nichts Neues. Was einige aber vielleicht überraschen wird: Wer langfristig zu wenig schläft, zerstört im Umkehrschluss nicht nur die eigene Gesundheit, sondern beeinflusst damit sogar seinen genetischen Code. Kurz gesagt: Schlechter Schlaf kann Narben in der eigenen DNA hinterlassen. Das zeigen neueste Forschungsergebnisse.
Übersicht
Schlafmangel zerstört das Immunsystem
Ein gesunder Schlaf ist einer der wichtigsten Aspekte eines gesunden und glücklichen Lebens. Er reguliert unsere Emotionen und Hormone, verbessert unsere Stimmung und unser Energielevel, steuert unsere Verdauung und unseren Appetit, mildert schmerzhafte Erinnerungen und stärkt Kreativität und die Fähigkeit, konstruktive Entscheidungen zu treffen.
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Doch wenn Schlaf gesund macht, macht Schlafmangel krank. Wie sehr, scheint dem Großteil der Menschen aber nach wie vor nicht bewusst. Wer langfristig weniger als sechs bis sieben Stunden pro Nacht schläft, riskiert ernsthafte gesundheitliche Schäden: Stoffwechsel und Immunsystem werden zerstört, sodass chronische Krankheiten, insbesondere Schlaganfälle und Krebs, leichtes Spiel haben.1 Ein Experiment mit Ratten bestätigte das: Sie wurden 24 Stunden am Schlafen gehindert und hatten – verglichen mit der Kontrollgruppe – einen um 20 Prozent reduzierten Anteil an weißen Blutkörperchen. Dies stellt eine deutliche Veränderung des Immunsystems dar.2
Zu wenig Schlaf beeinflusst die DNA
Doch Schlafmangel kann leider noch mehr als nur das Risiko für Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder gar Alzheimer und Depressionen zu erhöhen. Er kann sogar das beeinflussen, was uns im Grunde ausmacht: unseren genetischen Code. So konnte Dr. Derk-Jan Dijk vom Surrey Sleep Research Centre in England nachweisen, dass Schlafmangel bei Menschen genauso stark auf die genetische Aktivität wirkt wie bei Mäusen. Bei der Studie durfte eine Gruppe junger Männer und Frauen eine Woche lang nur sechs Stunden pro Nacht schlafen. Nach den sieben Tagen leicht reduzierten Schlafs stellten die Forscher fest, dass insgesamt 711 Gene von dem Schlafmangel beeinflusst wurden.
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3,1 Prozent der Gene betroffen
Hier kommt die sogenannte Epigenetik ins Spiel: Sie ist ein junges Forschungsfeld, das die Interaktion zwischen Umwelt und Genexpression untersucht. Das Faszinierende an der Epigenetik ist also, dass die Veränderungen in der DNA direkt von der Umwelt beeinflusst werden.3
Heißt: Bestimmte Gene können durch Stress, Ernährung, Schlaf oder
Umwelteinflüsse aktiviert oder deaktiviert werden. Dr. Derk-Jan Dijks Studie ist dadurch ein kleiner Meilenstein, da zum ersten Mal untersucht wurde, wie sich Schlaf auf die DNA auswirken kann, genauer: wie viele Gene durch den chronischen Schlafmangel beeinflusst werden. Und mit 711 beeinflussten Genen sind damit etwa 3,1 Prozent der rund 23.000 menschlichen Gene betroffen. Und nicht irgendwelche, sondern vor allem jene Gene, die für verschiedene Stressreaktionen, Immunantworten und Entzündungsvorgänge verantwortlich sind.
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Schlafmangel durch Schichtarbeit
Aber was tun, wenn man wie viele andere Menschen Schichtarbeiter ist und mit einem sehr unsteten Schlaf-Wach-Rhythmus zu kämpfen hat? Auch da hat die Studienlage eine eher weniger gute Antwort parat: Beobachtungsstudien haben gezeigt, dass Schichtarbeit besonders gesundheitsschädliche Auswirkungen mit sich bringt und erhöhte DNA-Schäden oder eine verringerte Reparaturfähigkeit zu Krankheiten führen können. Dabei nahmen insgesamt 49 gesunde, vollzeitbeschäftigte Ärzte an der Studie teil. Jedem Teilnehmer wurde nach drei aufeinanderfolgenden Tagen mit ausreichend Schlaf eine Blutprobe entnommen. Teilnehmern, die über Nacht vor Ort arbeiten mussten, wurde an einem Morgen nach akutem Schlafentzug zusätzlich Blut abgenommen.
Bei den Probanden, die nachts auf Abruf arbeiten mussten, war nach akutem Entzug von Schlaf die Expression von DNA-Reparaturgenen verringert und die Zahl der DNA-Brüche erhöht. Erhöhte DNA-Schäden werden wiederum mit der Entwicklung chronischer Krankheiten in Verbindung gebracht.4
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Tipps für eine gesunde Nachtruhe
Das klingt alles recht dramatisch. Dennoch kann man mit einigen Tipps das Beste aus seinen verfügbaren Schlafstunden rausholen:
- Kein Sport am Abend bzw. höchstens zwei bis drei Stunden vor der Schlafenszeit: Der Körper schüttet dabei Stresshormone aus, die am Einschlafen hindern.
- Alkohol, Koffein und Nikotin vermeiden: Koffein bleibt etwa sechs Stunden im Blut und auch Alkohol sowie Nikotin im Blut sorgen dafür, dass man nicht in die Tiefschlafphase kommt.
- Schlafzimmer dunkel halten: Lichtquellen können dafür sorgen, dass das Schlafhormon Melatonin zu wenig ausgeschüttet wird (das nicht nur für einen gesunden Schlaf essenziell ist, sondern auch als Antioxidant am Heilungsprozess mitwirkt)
- Genug Sonnenlicht am Tag: Mindestens dreißig Minuten natürliches Sonnenlicht täglich sorgen dafür, dass man besser schläft.
- Nach 15 Uhr nicht mehr hinlegen: Zwar kann man damit verlorenen Schlaf aufholen, es sorgt aber auch dafür, dass man abends schlechter einschläft.
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Quellen
- 1. Ruesten A. Weikert C., Fietze I. (2012). Association of sleep duration with chronic diseases in the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition. PLOS ONE.
- 2. Zager A., Andersen M.L., Ruiz F.S. (2007). Effects of acute and chronic sleep loss on immune modulation of rats. American Journal of Physiology.
- 3. Morales D., De-la-Peña C., Murillo-Rodríguez E. (2017). Dad’s Snoring May Have Left Molecular Scars in Your DNA: the Emerging Role of Epigenetics in Sleep Disorders. Molecular Neurobiology.
- 4. Cheung V., Yuen V.M., Wong G.T.C. ( 2019). The effect of sleep deprivation and disruption on DNA damage and health of doctors. Association of Anaesthetics.