5. Mai 2021, 20:03 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die Nieren haben zahlreiche wichtige Funktionen. Unter anderem entgiften sie den Körper und regeln die Bildung der roten Blutkörperchen. Erkrankungen der wichtigen Organe können schwerwiegende und sogar tödliche Folgen wie Herzinfarkte, Blutarmut, Schlaganfälle oder Störungen des Nervensystems haben. Eine Studie hat diese Liste nun um einen weiteren Punkt ergänzt: ein erhöhtes Risiko für Demenz.
Patient*innen mit einer Schädigung der Nieren sollen ein bis zu 162 Prozent höheres Risiko haben, an Demenz zu erkranken. Die Ergebnisse der Studie des Karolinska Institute in Stockholmes sind auch für Menschen mit vermeintlich gesunden Nieren interessant. Denn bis zu 90 Prozent der Menschen mit einer chronischen Nierenkrankheit sind sich derer nicht bewusst, vermuten die Forschenden.
Übersicht
Schon eine leichte Einschränkung der Nieren erhöht das Risiko für Krankheiten
Daten aus den USA deuten darauf hin, dass rund 15 Prozent der Erwachsenen US-Amerikaner*innen an einer chronischen Nierenkrankheit leiden. Das Risiko steige mit dem Alter, ist der Pressemitteilung zur aktuellen Studie zu entnehmen. Da sich die Erkrankung häufig erst in späten Stadien durch Symptome zeige, wüssten rund 90 Prozent der Betroffenen nicht, dass sie erkrankt sind. Eine chronische Nierenkrankheit zeichnet sich dadurch aus, dass die Nieren zunehmend ihre Fähigkeit verlieren, Giftstoffe aus dem Blut zu filtern. Dieser Zustand erhöht nicht nur das Risiko für Demenz, sondern auch für zahlreiche andere Probleme.
„Selbst eine milde Reduktion der Nierenfunktion wird mit einem höheren Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Infektionen in Verbindung gebracht“, erklärt Studienautor Dr. Hong Xu vom Karolinska Institute in Stockholm. „Es gibt immer mehr Beweise, dass es auch eine Beziehung zwischen den Nieren und dem Gehirn gibt.“ Weitere liefert das Karolinska Instute in Zusammenarbeit mit dem Swedish Research Council nun selbst.
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Studie zur Beziehung zwischen Schädigung der Nieren und Demenz
„Es gibt noch keine effektive Behandlung, um Demenz zu verhindern oder zu verlangsamen. Daher ist es wichtig, mögliche Risikofaktoren zu ermitteln.“ Die Theorie der Forschenden: Chronische Nierenkrankheiten könnten einer der Risikofaktoren für Demenz sein. Um sie zu überprüfen, beobachtete das Team 330.000 Menschen über einen Zeitraum von durchschnittlich fünf Jahren hinweg. Alle Proband*innen waren älter als 64 Jahre und erhielten ihre Gesundheitsversorgung in Stockholm. Keiner von ihnen war vor Beginn der Untersuchungsreihe mit Demenz diagnostiziert worden, hatte eine Nierentransplantation hinter sich oder war Dialyse-Patient*in. Während des Studienzeitraums bekamen sechs Prozent (18.983 Personen) die Diagnose Demenz.
Außerdem wurde die glomeruläre Filtrationsrate der Proband*innen bestimmt. Diese zeigt, wie schnell ein körperfremder Stoff aus dem Blut gefiltert wird und gilt als einer der wichtigsten Indikatoren der Funktionsfähigkeit der Nieren. Mindestens 90 Milliliter pro Minute gelten als Normalwert einer gesunden Person.
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71 bis 162 Prozent höheres Demenz-Risiko
„Unsere Studie zeigt, dass eine verminderte Nierenfunktion mit der Entwicklung von Demenz in Verbindung steht“, fasst Studienautor Dr. Hong Xu zusammen. Um die Proband*innen mit unterschiedlicher Beeinträchtigung der Nieren akkurat vergleichen zu können, wählte Xus Team die Einheit „Person-Years“. Dabei handelt es um das Produkt der Anzahl von Jahren, in der eine Person Teil der Studie war, multipliziert mit der Anzahl der Proband*innen. Dabei zeigte sich: Von den Menschen mit einer normalen Filtrationsrate (90 bis 104 Milliliter pro Minute) erkrankten sieben pro 1.000 Person-Years an Demenz. Unter den Teilnehmenden mit schweren Nierenkrankheiten (Filtrationsrate von weniger als 30 Milliliter pro Minute) waren es 30 Fälle.
Die Wissenschafter*innen kommen schlussendlich zu dem Ergebnis, dass die Menschen mit einer Filtrationsrate von 30 bis 59 Millilitern pro Minuten ein 71 Prozent höheres Risiko haben, an Demenz zu erkranken. Bei diesen Werten handelt es sich um eine moderate chronische Nierenkrankheit. Wer eine Filtrationsrate von weniger als 30 Millilitern pro Minute aufweist, hat sogar ein 162 Prozent höheres Risiko – verglichen mit Personen mit normalen Werten.
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Höheres Risiko als Diabetes oder kardiovaskuläre Erkrankungen
Das Forscherteam schätzt, dass zehn Prozent der Demenz-Erkrankungen einer Filtrationsrate von weniger als 60 Millilitern pro Minute zuzuschreiben sein könnten. Damit wäre eine Schädigung der Nieren für mehr Demenz-Fälle verantwortlich als kardiovaskuläre Erkrankungen oder Diabetes. Dr. Xu merkt jedoch an, dass es zwar eine Verbindung gäbe, aber eine Ursache noch nicht bewiesen sei. Weitere Forschung sei notwendig, um die genauen Gründe dieser Verbindung zu bestimmen. „Dennoch sollten unsere Erkenntnisse das Bewusstsein für die Verknüpfung der beiden Erkrankungen schärfen.“ Mediziner*innen sollten außerdem darauf achten, Menschen mit hohem Demenz-Risiko regelmäßig auf Nierenerkrankungen zu untersuchen. „Diese Fälle zu diagnostizieren und zu behandeln, könnte das Risiko für Demenz senken.“