28. November 2022, 11:03 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Es zieht und zwickt im Rücken, und das bei Millionen Deutschen. Rückenschmerzen sind eine echte Volkskrankheit. Doch die Ursachen sind vielfältig – und deshalb auch für Profis nicht immer leicht zu erkennen.
„Ich hab Rücken“ – das ist eine weitverbreitete Klage. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland (61 Prozent) können diesen Satz sagen.1 In der Rangliste der schmerzhaften Problemzonen liegt der Rücken damit an der Spitze, deutlich vor Nacken, Knie oder Schulter. Das zeigt eine Umfrage des Marktforschers Dynata. Warum ist das so? Und was können Betroffene tun? Auslöser und damit Behandlungsmöglichkeiten für Rückenschmerzen sind vielfältig und nicht immer einfach zu finden – wie auch Dr. Markus Eichler, Chefarzt der Abteilung für Wirbelsäulenchirurgie an der Schön Klinik im hessischen Lorsch erklärt.
Übersicht
Rückenschmerzen haben nicht immer mit dem Alter zu tun
Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit. War das schon immer so?
Dr. Markus Eichler: Es ist ganz klar so, dass die Beschwerden zunehmen. Ein Grund dafür ist sicher, dass die Gesellschaft insgesamt älter wird. Aber es gibt auch Ursachen für die Rückenschmerzen, die mit dem Alter nichts zu tun haben: Übergewicht, Bewegungsmangel oder psychische Belastung, am Arbeitsplatz zum Beispiel. Es gibt Untersuchungen, wonach selbst bei den ganz Jungen unter 25 rund drei Viertel schon einmal in ihrem Leben Rückenschmerzen hatten. Und gerade da stehen dann solche Ursachen ganz klar im Vordergrund.
Beschwerden möglicherweise Alarmsignal
Die Rückenschmerzen sind also eine Art Alarmsignal für andere Probleme?
Das kann man so sagen. Bei 80, 85 Prozent der Patienten mit Rückenschmerzen finden wir kein direktes Korrelat. Es gibt also nichts, was man auf einem Röntgenbild sehen könnte, einen Bandscheibenvorfall zum Beispiel. Stattdessen haben die Patienten das, was wir unspezifische Rückenschmerzen nennen, mit anderen Ursachen oder Auslösern. Und die muss man dann natürlich erst einmal finden.
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Vielfältige Auslöser erschweren Behandlung von Rückenschmerzen
Geht das überhaupt?
In einem ausführlichen Gespräch lässt sich das schon herausfinden – man muss sich aber die Zeit dafür nehmen. Eine der möglichen Frage wäre, wie sich der Schmerz in Ruhephasen wie zum Beispiel in einem Urlaub verhält. Oft ist er da weg – und das ist dann ein deutlicher Hinweis darauf, was die Ursachen sein können. Echte chronische Rückenschmerzen sind nach wie vor eher selten.
Ernährung und Rauchen spielen eine Rolle
Wie lassen sich die Schmerzen denn bekämpfen, wenn die Ursache nicht im Rücken selbst liegt?
Die klassische Krankengymnastik ist ein wesentlicher Bestandteil der ersten Therapieschritte. Weitere Formen sind Muskelaufbau-Training, Wärme- oder Kältetherapie und so weiter, gefolgt von ergänzenden Maßnahmen wie zum Beispiel Akupunktur. Damit lässt sich der Schmerz durchaus bekämpfen, auch langfristig.
Im Idealfall kommt noch eine Ernährungsumstellung mit Reduktion eines möglichen Übergewichts hinzu, oder der Patient hört zum Beispiel mit dem Rauchen auf. Denn auch das kann ein Auslöser sein (mögliche Erklärung: Nikotin verengt die Blutgefäße, durch die verringerte Durchblutung werden auch Knochen schlechter versorgt – und die Knochendichte nimmt ab; Anm. d. Red).
Wenn psychische Überlastung die Ursache für den Schmerz ist, muss es dann zusätzlich immer eine Psychotherapie sein?
Da muss man aufpassen. Denn nicht jeder Patient, der bei der Arbeit zum Beispiel psychisch überlastet ist, braucht eine Psychotherapie. Oft hilft es schon, wenn die Betroffenen zum Beispiel im Rahmen einer Schmerztherapie lernen, ihr Stresslevel zu senken oder mit Stress besser umzugehen – und nicht nur zur Tablette zu greifen, wenn der Rücken schmerzt.
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Medikamente – ja oder nein?
Sind Medikamente bei Rückenschmerzen denn grundsätzlich falsch?
Nein. Im Akutfall ist es richtig, Schmerzmittel zu nehmen, und oft müssen Betroffene auch nicht sofort zum Arzt. Denn es kann eben gut sein, dass der Schmerz ohne Probleme oder Folgen vorbeigeht. Wenn sich der Schmerz verselbstständigt oder nicht auf Therapien anspricht, wenn er also länger bleibt (und da reden wir von Wochen, nicht von Tagen), spätestens dann sollten Patienten den Arzt aufsuchen.
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Quellen
- 1. Robert Koch Institut. Journal of Health Monitoring. (aufgerufen am 25.11.2022)
- Mit Material von dpa