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Schnelle Hilfe bei Vergiftung?

Einfache Methode, die laut Forschern den Alkoholabbau beschleunigt

Eine einfache Methode kann den Alkoholabbau beschleunigen
Alkoholvergiftungen sind in schweren Fällen potenziell lebensbedrohlich. Forscher haben eine Methode entwickelt, schnell zu helfen. Foto: Getty Images
Anna Echtermeyer
Redakteurin

30. März 2025, 17:23 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Alkoholvergiftungen sind weltweit ein ernstes Gesundheitsproblem – und in schweren Fällen potenziell lebensbedrohlich. Forscher haben eine Methode entwickelt, die den Abbau von Alkohol im Blut deutlich beschleunigt. Bei einem morgendlichen Kater sollte man sie aber besser nicht ausprobieren.

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Im Schnitt dauert es 3 bis 5 Minuten, bis der Alkohol über die Blutbahn ins Gehirn gelangt, wo er seine Wirkung entfaltet. Nach 30 bis 60 Minuten hat er sich über das Blut im ganzen Körper verteilt.1 Wer auf leeren Magen oder nach dem Sport trinkt, spürt die berauschende Wirkung meist schneller. Auch zügiges Trinken, Medikamente und der gesundheitliche Zustand können die Alkoholaufnahme beeinflussen. Danach läuft die Leber auf Hochtouren, das Organ baut bis zu 90 Prozent des Restalkohols im Blut wieder ab. Der Abbau läuft immer mit derselben Geschwindigkeit ab. Hausmittelchen wie ein schwarzer Kaffee oder eine kalte Dusche können dies nicht beeinflussen.2 Doch gibt es eine Möglichkeit, dem Entgiftungsorgan unter die Arme zu greifen und den Prozess zu beschleunigen? Forscher scheinen sie gefunden zu haben.

Abbau von Alkohol – 0,1 bis 0,2 Promille pro Stunde

Wieder nüchtern zu sein, kann auf jeden Fall eine ganze Weile dauern. Laut dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bauen Frauen durchschnittlich 0,1 Promille pro Stunde ab. Bei Männern sind es im Schnitt zwischen 0,1 und 0,2 Promille.1

Warum unterscheiden sich die Werte? Das IQWiG erklärt es so: Frauen erreichen aufgrund ihres höheren Körperfettanteils, und weil ihr Körper mehr Wasser enthält, eine höhere Alkoholkonzentration im Blut – und bauen ihn dann langsamer ab, sodass Alkohol bei Frauen stärker wirke als bei Männern. Aber ganz sicher gibt es doch über das Geschlecht hinaus noch andere Einflussfaktoren auf die Verstoffwechslung von Alkohol, oder?

Woran liegt’s? An der Uniklinik Köln wird gerade dazu geforscht

Dieser Frage gehen seit 2022 Forschende der Uniklinik Köln nach. Sie wollen ein Modell entwickeln, das am Ende vorhersagen können soll, welche Blutkonzentrationen von Alkohol für einen bestimmten Konsum zu erwarten sind. Woran liegt es also ganz genau, ob die Abnahmrate eher 0,1 oder 0,2 Promille pro Stunde erreicht? Spielt die Trinkgeschwindigkeit eine Rolle? Was ist mit der Körpergröße? Was mit dem Alter? Mit dem Körpergewicht?

Teilnehmer der Studie trinken „ein Glas Wodka“. Über einen Venenverweilkatheter entnehmen die Forschenden dann solange wiederholt Blutproben, bis die Alkoholkonzentration unter 0,05 Promille fällt. Mithilfe eines mathematisch-statistischen Modells berechnen sie den Zusammenhang zwischen den Einflussfaktoren und dem Alkoholabbau. Noch stehen die Ergebnisse der Studie aus. Gesucht werden aktuell noch Freiwillige über 65 Jahre, „um den Faktor Alter besser berücksichtigen zu können“.3

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Abbau von Alkohol im Blut – bisher bekannte Einflussfaktoren

Auch, wenn die Kölner Forschungsergebnisse derzeit noch auf sich warten lassen, sind bereits einige persönliche Einflussfaktoren für den Alkoholabbau bekannt. Wenn man Alkohol mit einer Mahlzeit trinkt, ist die Aufnahme langsamer. Laut den Kölner Forschern kann man sich das zunutze machen: Nahrung beschleunige den Abbau von Alkohol „um etwa 50 Prozent“. Das funktioniere selbst noch dann, wenn der Alkohol schon komplett aus dem Darm ins Blut gelangt sei.4

Auch sei bekannt, dass „die vererbte Struktur und damit die Aktivität der Enzyme, die Alkohol abbauen, von Person zu Person unterschiedlich ist“. Das erkläre, warum Menschen aus Ostasien häufiger eine Alkoholunverträglichkeit haben.

Während die Forschung also noch damit beschäftigt ist, eine vollständige Liste der persönlichen Einflussfaktoren auf den Alkoholabbau zu erstellen – und wie stark ihre Auswirkungen sind – richten wir den Blick auf einen konkreten gesundheitlichen Nutzen. Wir reden hier nicht davon, am Tag nach einer Feier oder eines geselligen Abends leistungsfähig zu sein. Es geht um ernsthafte Hilfe bei Alkoholvergiftungen, einem weltweit großen Problem. Was (außer Essen) könnte sehr effektiv dabei helfen, Alkohol abzubauen?

Wie kann man den Abbau von Alkohol im Blut beschleunigen? Studie nimmt Atemtechnik ins Visier

Diese Frage hat ein Forschungsteam um Jesse M. Klostranec und Joseph A. Fisher von der Universität Toronto (Kanada) untersucht. Zweck ihrer Studie: Ernsthafte Hilfe bei Alkoholvergiftungen. Die Ergebnisse wurden 2020 in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlicht.5 Im Blick hatten die Forschenden eine kontrollierte Atemtechnik, die sogenannte isokapnische Hyperventilation (IH). Die Forscher berichteten von einem mehr als dreifachen Anstieg der Eliminationsrate von Alkohol im Blut.

Isokapnische Hyperventilation (IH)

Eine tiefe, schnelle Atmung (Hyperventilation) verstärkt den Gasaustausch in der Lunge, was die Ausscheidung von flüchtigen Stoffen wie Alkohol oder Kohlenmonoxid über die Lunge beschleunigt. Normalerweise führt Hyperventilation aber dazu, dass man zu viel Kohlendioxidgehalt abatmet, was in der Regel zu Benommenheit, Kribbeln und Taubheitsgefühlen in Händen und Füßen oder gar Ohnmacht führen kann. Die isokapnische Hyperventilation (IH) ist eine spezielle Atemtechnik, bei der man bewusst schnell und tief atmet (Hyperventilation) und dann über ein spezielles Gerät mehr Sauerstoff einatmet, ohne den natürlichen Kohlendioxidgehalt im Blut zu verändern. Der Name setzt sich zusammen aus „iso“ =„gleich“ und kapnisch „CO₂-bezogen“.

Alkoholspiegel sinkt deutlich schneller mit IH

Ergebnis: Isokapnische Hyperventilation (IH) beschleunigt den Alkoholabbau im Blut signifikant. Während der normale Abbau unter Ruhebedingungen konstant verläuft, unabhängig vom Blutalkoholwert –, zeigt sich unter IH ein beschleunigter Alkoholabbau. Je höher der Blutalkoholwert, desto stärker war der Vorteil.

Die durchschnittliche Halbwertszeit des Ethanols sank von durchschnittlich 139 Minuten ohne IH auf durchschnittlich 39 Minuten mit IH. Dieser Wert entspricht einer mehr als dreifachen Beschleunigung. Damit ist die Geschwindigkeit des Abbaus von Alkohol deutlich erhöht.

Auch interessant: Studie widerlegt Mythos vom „gesunden“ moderaten Alkoholkonsum

Welche Bedeutung hat diese Erkenntnis?

Keine Frauen, keine alkoholkranken Personen, nur fünf gesunde, männliche Probanden – das schränkt die Aussagekraft der Studie natürlich ein. Auch wenn die Ergebnisse vielversprechend sind. Und zwar, so die Autoren, als neuer Ansatz zur Behandlung akuter Alkoholvergiftungen. Bisher gibt es bei lebensbedrohlichen Alkoholwerten keine gezielte Entgiftungsmethode – abgesehen von unterstützenden Maßnahmen. Weil der Vorteil umso höher war, je höher der Alkoholspiegel war, könnte die IH-Technik insbesondere bei schweren Vergiftungen schnell helfen.

Warum man trotzdem nicht hyperventilieren sollte, um Alkohol abzubauen

Sie haben zu viel getrunken und möchten jetzt schnell wieder nüchtern werden? Studienleiter Jospeh A. Fisher rät davon ab, zu hyperventilieren. Nach ein oder zwei Minuten würde man das nicht mehr durchhalten. Schlimmstenfalls drohe Ohnmacht. Vorab kommt es aber in der Regel zu Benommenheit, Kribbeln und Taubheitsgefühlen in Händen und Füßen.

Es braucht also schon die Technik, die Fisher und sein Team auch angewendet haben. Genau hier wird der Hinweis wichtig auf einen potenziellen Interessenkonflikt mit dem Hersteller. Denn das in der Studie für die isokapnische Hyperventilation verwendete Gerät wurde von einem kanadischen Medizintechnikunternehmen entwickelt, zu dem einige der Forschenden geschäftliche Verbindungen transparent machen. Das Gerät wurde ursprünglich übrigens für die Behandlung von Kohlenmonoxidvergiftungen entwickelt.

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Schnelles Atmen auch im Yoga

Schnelles Atmen kommt Ihnen irgendwie bekannt vor? Atemtechniken werden ganz allgemein im Yoga zur Entgiftung verwendet. Im Kundalini Yoga beispielsweise nennt man das schnelle Atmen „Feueratem“. In der Regel atmet man beim Feueratem durch die Nase, unterstützt durch die Bauchmuskulatur. Damit keine Schwindelgefühle aufkommen, streckt man das Kinn beim Schnaufen gegen die Brust.

Themen Alkohol

Quellen

  1. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Wie wirkt Alkohol – und wie schnell wird er abgebaut? (aufgerufen am 26.03.2025) ↩︎
  2. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Alkohol abbauen: Wie funktioniert das? (aufgerufen am 26.03.2025) ↩︎
  3. Uniklinik Köln: COVETH-Studie zum Alkoholabbau: Probanden über 65 Jahre gesucht (aufgerufen am 26.03.2025) ↩︎
  4. Uniklinik Köln: Wie schnell wieder bei null Promille? (2022, aufgerufen am 26.03.2025) ↩︎
  5. Klostranec, J.M., Vucevic, D., Crawley, A.P. et al. (2020). Accelerated ethanol elimination via the lungs. Nature ↩︎

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