20. April 2022, 17:17 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Gerade erst genesen – und schon wieder infiziert! Kann das wirklich sein? Ja, sagen belgische Forscher. Laut ihrer vorab veröffentlichten Studie ist eine erneute Corona-Infektion bereits nach weniger als 60 Tagen möglich.
Anders als bei früheren Varianten ist Omikron weniger aufgrund schwerer Krankheitsverläufe gefürchtet, sondern wegen seiner Ansteckungsgefahr. Und laut ersten Studienerkenntnissen und Fallzahlen kommt es auch häufiger zu Reinfektionen. Mit anderen Worten: Wer eine Omikron-Infektion überstanden hat, kann sich kurze Zeit später durchaus erneut anstecken. Ein Faktor, der dabei eine Rolle spielt: der Omikron-Subtyp BA.2. Belgische Forscher haben nun herausgefunden, dass eine erneute Corona-Infektion bereits nach weniger als 60 Tagen möglich ist.
Übersicht
Ab wann ist eine Reinfektion nach Genesung möglich?
Als Reinfektion galt bislang, wenn zwei positive PCR-Tests im Abstand von mindestens 60 Tagen vorliegen. So lautet die offizielle Definition der europäischen Gesundheitsbehörde ECDC. Forscher der Universitätsklinik Leuven in Belgien plädieren nun dafür, diesen Zeitraum infrage zu stellen. Grund dafür sind die Ergebnisse ihrer Studie, die jetzt als Preprint veröffentlicht wurde.
Dafür analysierten die Wissenschaftler die Daten zweier Zeiträume: Von 1. Dezember 2021 bis 7. Februar 2022, als Omikron BA.1 die Delta-Variante ablöste und von 1. Januar 2022 bis 10. März, als BA.2 sich als dominierende Variante gegen BA.1 durchsetzte. Das Ergebnis: Zwischen zwei positiven PCR-Tests vergingen 17 bis 65 Tage, im Schnitt also nur 47 Tage, bis sich eine Person mit einer neuen Variante ansteckte.
Laut Studie treten frühe Reinfektionen innerhalb von 60 Tagen vor allem bei unter Zwölfjährigen, ungeimpften Personen auf. In älteren Altersgruppen sind Ungeimpfte und Personen ohne Auffrischungsimpfung anfälliger für erneute Infektionen, als solche, die eine Booster-Impfung erhalten haben.
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Studien geben weitere Hinweise zu Omikron-Reinfektionen
Eine ebenfalls bisher nur im Preprint veröffentlichte Studie der University of California hat sich die Bildung von Antikörpern nach Corona-Infektionen genauer angesehen. Das Ergebnis: Das Immunsystem von Menschen, die sich mit der milderen Variante Omikron angesteckt hatten, bildete zu wenig Antikörper aus.1 Das bedeutet, dass die Betroffenen in der Folge nicht gegen Omikron oder anderen Coronavarianten immun sind. Damit gab die Studie entscheidende Hinweise auf die Möglichkeit einer Reinfektion nach einer Omikron-Infektion. Zuvor hatte bereits eine britische Studie des Imperial College in London aufgezeigt, dass Reinfektionen möglich seien. Die Wahrscheinlichkeit sei bei Omikron 5,4 Mal so hoch wie bei Delta.2
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Dänische Studie zur Corona-Subvariante BA.2
In Dänemark beispielsweise macht die Subvariante BA.2 laut einer Studie des dänischen Gesundheitsinstitut SSI etwa 88 Prozent der Corona-Neuinfektionen aus. Dieselbe Studie kam auch zu dem Ergebnis, dass eine Reinfektion mit zwei unterschiedlichen Omikron-Varianten möglich ist. So könne Infektion mit dem BA.2-Subtyp kurz nach einer ursprünglichen BA.1-Infektion vorkommen.
Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten 1,8 Millionen Corona-Fälle zwischen November 2021 und Februar 2022. Von diesen hatten sich 147 Personen in einem Zeitraum von 20 bis 60 Tage zweimal mit Corona angesteckt. In dieser Gruppe fanden die Forscher wiederum 47 Fälle, bei denen sich dieselbe Person erst mit BA.1 und dann mit BA.2 ansteckte. Die meisten erlebten lediglich milde Symptome, ins Krankenhaus musste niemand. Zudem waren die meisten Menschen, die sich erneut infizierten, jünger und ungeimpft. Aus der Datenanalyse schlussfolgerten die Wissenschaftler, dass eine Reinfektion mit BA.2 nach BA.1 vorkommt, aber selten ist.3
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Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) hat BA.2 auch in Deutschland merklich zugelegt. Der Anteil in einer Stichprobe untersuchter Corona-Fälle sei zuletzt auf 14,9 Prozent gestiegen, hielt das RKI in seinem jüngsten Wochenbericht fest. Diese Angabe bezieht sich auf die Woche bis zum 17. Februar. Ende Januar gab das RKI den Anteil mit 10,4 Prozent an. Die Corona-Sublinie BA.1, also Omikron, betrage einen Anteil von 83,6 Prozent.4
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US-Wissenschaftler warnen vor wiederholten Ansteckungen
Basierend auf Studienergebnissen und realen Fällen von Personen, die sich mehrfach mit Corona angesteckt haben, sprechen US-Wissenschaftler auf „Twitter“ Warnungen aus. So erklärt der in Pandemie-Zeiten gern zitierte US-Physiker Yaneer Bar-Yam: „Es gibt Menschen, die sich direkt nach einer Omikron-Infektion erneut anstecken.“ In einem zweiten Post fügt er hinzu: „Insgesamt sorgt Omikron für eine weniger gute Immunität als Delta, was mit der Schwere der Infektion zusammenhängt. Wenn man also keine schwere Infektion mit all ihren Folgen bekommt, wird man auch nicht immun gegen eine weitere Infektion.“ Und auch der ehemalige Harvard-Forscher Eric Feigl-Ding mahnt in dem sozialen Netzwerk zur Vorsicht angesichts von Berichten, dass sich Genesene nach einer Omikron-Infekton erneut anstecken.
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Nachgefragt bei einem Virologen
Auch wenn die genannten ersten Studienergebnisse darauf hindeuten, dass die Möglichkeit einer Reinfektion im Falle von Omikron größer ist als bei vorherigen Coronavarianten – so ist es wohl doch zu früh für absolute Gewissheit. Dieser Ansicht ist zumindest Prof. Dr. Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum in Essen. Auf Nachfrage von FITBOOK erklärt er: „Ja, bei Omikron scheinen mehrfache Infektionen häufiger vorzukommen. Das war bei den anderen Varianten offensichtlich seltener. Omikron scheint eine schlechtere Immunität zu vermitteln, wie auch schon erste Studien zeigen. Auch die Immunität gegen andere Varianten, wie z. B. Delta, ist nach einer Omikron-Infektion offensichtlich nicht gut.“
Allerdings weist Prof. Dittmer auch darauf hin, dass man zwischen Ansteckung und der eigentlichen Erkrankung unterscheiden müsse. So gälten die bisherigen Erkenntnisse und Schlussfolgerungen für den Schutz vor einer Infektion. „Möglicherweise ist der Schutz vor einer Covid-19-Erkrankung nach einer Omikron-Infektion besser, wenn man sich erneut infiziert.“ Soll heißen: Eine erneute Ansteckung ist möglich, aber mit wahrscheinlich noch milderem Verlauf, als bei der ersten Covid-Erkrankung.
Studie aus Portugal Frühere Omikron-Infektion beeinflusst Risiko, sich mit neuer Coronavariante anzustecken
Studie der Uni Genf Geboosterte sind bei Omikron-Infektion weniger ansteckend
Auch RKI mahnt zur Vorsicht Wie gefährlich ist die Omikron-Subvariante BA.2? Neue Studie gibt Hinweise
Quellen
- 1. Servellita V., Syed A.M., Brauer N. et al. (2022). Neutralizing immunity in vaccine breakthrough infections from the SARS-CoV-2 Omicron and Delta variants. medRxiv.
- 2. Imperial College London. (2021). Report 49 – Growth, population distribution and immune escape of Omicron in England.
- 3. Steiger M., Edslev S.M., Sieber R.N. et al. (2022). Occurrence and significance of Omicron BA.1 infection followed by BA.2 reinfection. medRxiv.
- 4. Robert Koch-Institut. Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)