20. Mai 2020, 11:27 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Für gewöhnlich ist Frauen, die die Antibabypille einnehmen, ganz klar: Nach etwa 21 Tagen wird eine einwöchige Einnahmepause gehalten, und in dieser Zeit kommt die Periode. Gleichzeitig wird es aber auch üblicher, die Pille über Monate bis Jahre hinweg durchzunehmen. Das soll angeblich gesundheitliche Vorteile bringen. FITBOOK hat b
Die Antibabypille, meistens nur „die Pille“ genannt, ist noch immer das meistverbreitete Verhütungsmittel in Deutschland. Sie enthält unter anderem die weiblichen Hormone Östrogen und/oder Gestagen in unterschiedlichen Zusammensetzungen und erzeugt im Körper der Verwenderin einen künstlichen weiblichen Zyklus. Eine Packung besteht für gewöhnlich aus 21 Pillen und manchmal zusätzlichen sieben Placebo-Pillen, die keinen Wirkstoff enthalten. Während dieser drei Wochen verhindert die tägliche Hormonzufuhr das Heranreifen und Springen der Eizellen, die beim Geschlechtsverkehr befruchtet werden und eine Schwangerschaft ausbilden könnten. Viele Jahre lang war es üblich, dass Frauen nach diesen 21 tägliche Pillen (drei Wochen) eine Pillenpause einhalten, also keine Hormone zu sich nehmen, und eine Menstruationsblutung bekommen. Nach sieben Tagen wurde mit einem nächsten Blister begonnen. Doch auch das Durchnehmen der Pille ist möglich. Aber ist das gesund?
Britische Ärztin hält Pillenpause für sinnlos
Dr. Jane Dixon ist Fachärztin an einer Londoner Fakultät für sexuelle und reproduktive Gesundheitspflege (FSRH). Wie sie in einem „BCC“-Interview erklärte, empfehle sie ihren Patientinnen grundsätzlich, die Einnahmepause komplett auszulassen. Und das täten ihre Kollegen auch. Der Grund: Es bringe keine nachgewiesenen gesundheitlichen Vorteile. Umgekehrt jedoch solle man durch das Durchnehmen der Pille unliebsame Blutungen und damit verbundene Begleiterscheinungen wie Unterleibskrämpfe, schlechte Laune, etc. vermeiden. Zudem soll es die Verhütungsmethode sogar sicherer machen.
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Pille durchnehmen: Diese Argumente sprechen dafür
Laut Dixon sei das monatliche Abstoßen von Gebärmutterschleimhaut, an das Frauen gewöhnt sind, zumindest aus gesundheitlicher Sicht nicht nötig. Denn: „Es kommt gar nicht erst zu einem Aufbau von Menstruationsblut, wenn man die Pillenpause auslässt.“ Was den Schutz vor einer unerwünschten Schwangerschaft anbetrifft, seien ausgerechnet die Tage rundum die Pillenpause kritisch. Da die Routine unterbrochen ist, seien Frauen zu diesem Zeitpunkt eher gefährdet, die Pille einmal zu vergessen. Und es ist bekannt, dass u. a. durch einmaliges Auslassen die Antibabypille nicht mehr zuverlässig wirken kann.
Künstlicher Zyklus – braucht man den wirklich?
Ganz neu ist der Ansatz nicht: Schon seit einer Weile wissen einige Frauen, dass sich die Pillenpause und damit die Blutung um ein paar Tage bis Wochen aufschieben lässt, wenn sie sich sonst mit einem dafür ungünstigen Termin überschneiden würde. Und das erscheint logisch: Die im Blister enthaltenen Pillen sind auf durchschnittlich 21 Stück festgelegt worden, um der Verwenderin das Gefühl eines echten weiblichen Zyklus zu geben. Jede einzelne davon ist gleich zusammengesetzt. Ob man nun 25, 30 oder auch einmal 42 nimmt, macht theoretisch also keinen großen Unterschied. Entsprechend geben mehr und mehr Frauenärzte ihr OK dafür, im Hinblick auf Sommerurlaube und Ähnliches zwei bis drei Zyklen am Stück zu nehmen.
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Expertin warnt vor allgemeiner Empfehlung
FITBOOK sprach mit der Wiener Gynäkologin Dr. Doris Maria Gruber. Wie sie uns erklärt, gibt es die Diskussion „Pille durchnehmen oder nicht“ bereits so lange wie das Verhütungsmittel auf dem Markt ist. Und es sei auch richtig, dass der weibliche Organismus gut damit umgehen könne, „ruhiggestellt“ zu sein, sprich keine regelmäßige Monatsblutung zu haben. Es sei aber immer noch ein Unterschied, ob dieser Zustand aus physiologischen Ursachen herrührt (etwa durch eine bestehende Schwangerschaft oder Stillperiode), oder ob der Zyklus durch die Pille abgestellt wurde.
Ob eine Dauereinnahme sinnvoll ist, hänge im individuellen Fall u. a. vom Alter und den Beweggründen ab. Beispiel: „Bei einer jungen Frau mit 15 Jahren, bei der sich das unglaubliche feine Uhrwerk des weiblichen Zyklus gerade erst ausbildet, könnte es Folgen auf die Hormonentwicklung haben, wenn sie die Pille durchnimmt“, erklärt uns die Frauenärztin.
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Eine pauschale Aussage zu treffen, ist schlichtweg nicht möglich
Auf der anderen Seite gebe es Patientinnen (über 30), die seit vielen Jahren mit starken psychischen und körperlichen Beschwerden vor der Regelblutung zu kämpfen haben. Dieses sogenannte „Prämenstruelle Syndrom (PMS)“ könne laut Dr. Gruber durch die kontinuierliche Einnahme der Pille gelindert oder sogar beseitigt werden. Ebenso Migränebeschwerden und selbst verschiedene Krankheitsbilder. Bei einer Endometriose (chronische Wucherung der Gebärmutterschleimhaut, die mit heftigen Menstruationsschmerzen einhergeht) oder Neigung zu Zysten und Myomen (gutartige Tumore) ist das Durchnehmen und entsprechende Aufrechterhalten eines konstanten Hormonspiegels eine gängige therapiebegleitende Maßnahme.
Hinweis der Redaktion: Auch, wenn Sie selbst unter starken Menstruationsbeschwerden leiden: Bitte die Antibabypille nicht eigenmächtig durchnehmen. Zum einen eignen sich nicht alle Präparate dafür und zum anderen sollte diese Entscheidung, abhängig von weiteren Faktoren, gemeinsam mit einem Fachmann getroffen werden.