27. Februar 2024, 17:13 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Um abzunehmen und seine Diabetes Typ 2 zu behandeln, hat sich Serdar Deniz elf Monate lang Ozempic gespritzt. Der enthaltene Wirkstoff Semaglutid hemmt den Appetit und die Geschwindigkeit der Magenentleerung. Mit FITBOOK sprach der 36-Jährige, der seine Abnehmreise in dem Podcast „FettUcation“ begleitet, über seine Erfahrungen mit dem Medikament und warum er froh ist, davon los zu sein.
25 Kilogramm leichter sein, das wünschte sich Serdar Deniz schon lange. Anfang 2023 machte der Hamburger Nägel mit Köpfen: Er gab sich bis zum Sommer Zeit und verpflichtete sich in gewisser Weise zur Umsetzung seines Ziels, indem er parallel seinen Podcast „FettUcation“ startete. Wöchentlich dokumentiert der 36-Jährige seitdem sämtliche Höhen und Tiefen seiner Abnehmreise, die – dank Ozempic – zunächst vielversprechend begann. Welche Erfahrungen er in den elf Monaten mit Ozempic gesammelt hat, was nach dem Absetzen geschah und ob er wieder auf das Medikament setzen würde, erzählte er FITBOOK.
Übersicht
Die Abnehmreise mit Ozempic beginnt im Februar 2023
Deniz startete seine Reise im Februar 2023 mit einem Körpergewicht von 125,2 Kilogramm und einem BMI von 42. Vor ihm lag auch eine Diabetes-Typ-2-Diagnose, mit der er seine Probleme nicht mehr weglächeln konnte. Neben anderen Diabetes-Medikamenten setzte Deniz in Absprache mit seiner Ärztin von Anfang an auf das Medikament Ozempic, besser bekannt als „Abnehmspritze“.
In Europa ist Ozempic seit 2018 zugelassen zur Behandlung von Diabetes Typ 2. Das Medikament enthält den Wirkstoff Semaglutid. Der Wirkstoff wirkt ähnlich wie das körpereigene, appetithemmende Hormon GLP-1 (Glucagon-like Peptid 1). Einmal pro Woche in einer festgelegten Dosis gespritzt oder täglich als Pille eingenommen, bewegt er die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse dazu, Insulin freizusetzen, zügelt dadurch den Appetit und die Geschwindigkeit der Magenentleerung.
Minuten nach dem Piks leichte Übelkeit
Diese Erfahrung machte auch Serdar Deniz während der elf Monate, in denen er sich Woche für Woche den fingernagelgroßen Aufsatz mit dem Wirkstoff auf die Spritze schraubte und das Präparat in die Bauchfalte jagte. „Es pikst nicht mal wirklich“, sagt Deniz. „In den ersten zwei bis drei Minuten habe ich eine leichte Übelkeit gespürt.“ Danach sei ihm noch eine Weile flau im Magen gewesen. Dieses Gefühl legte sich mit der Zeit. Nach acht Wochen hatte sich sein Körper an die Spritze „gewöhnt“, erinnert er sich.
So war das mit dem Appetitgefühl
So richtig gespürt habe er die Wirkung des Medikaments, als er die Dosierung von 0,25 auf 0,5 Mikrogramm Wirkstoff erhöht hatte: „Mein Appetitgefühl ist komplett verschwunden“, berichtet Deniz FITBOOK über seine Erfahrung mit Ozempic. Zurückgekehrt sei es dann ein oder zwei Tage, bevor die nächste Spritze fällig war. „Das hat mich krass überrascht und war für mich die Bestätigung dafür, dass das Medikament wirkt.“
Minus zehn Kilo in acht Wochen
Bereits acht Wochen, nachdem Deniz die Spritze zum ersten Mal angesetzt hatte, habe er zehn Kilo weniger gewogen. Dass das Medikament so anschlägt, habe ihn „schon krass überrascht“. Ein beachtlicher Erfolg, der in diesem kurzen Zeitraum mit seriösen Maßnahmen für einen dauerhaften und gesunden Gewichtsverlust, etwa durch Umstellung auf eine mediterrane Ernährung und Intervallfasten, niemals zu erreichen wäre. Allenfalls mit einer Radikaldiät wie Heilfasten, bei dem man bis auf Wasser, Tee, Gemüsebrühe und wenig Saft gar nichts zu sich nimmt.
Auch die Abnehmspritze soll begleitet werden von einer Ernährungsumstellung, die im Wesentlichen aus einer Kalorienreduktion und Sport besteht, sagen Experten wie Prof. Dr. Norbert Stefan, der an der Uniklinik Tübingen unter anderem zu GLP-1-basierten Therapien forscht und den FITBOOK zu genau diesem Thema interviewte. Das Problem: Bei der Umsetzung ist der Patient weitestgehend auf sich selbst gestellt. Wer nur mit einem Flyer vom Arzt nach Hause geht, dem dürften entsprechende Umstellungen äußerst schwerfallen. Serdar kann von dieser Problematik ein Lied singen: Seinen berechneten Tagesbedarf in Höhe von 2300 Kalorien versucht er täglich um 600 Kalorien zu unterbieten. „Manchmal hat es geklappt, manchmal nicht“, meint er rückblickend.
In seinem Podcast „FettUcation“ berichtet Serdar Deniz Woche für Woche über seine Abnehmreise. Er sucht das Gespräch mit Ärzten, Fachleuten und Gleichgesinnten. Das Ganze ist gleichermaßen Aufarbeitungs- und Motivationshilfe: Wie konnte es zur Adipositas kommen? Und wie kommt er da wieder raus? Ausführlich über seine persönlichen Erfahrungen mit dem Absetzen von Ozempic spricht Deniz in dieser Folge vom 9. Januar. Für die aktuelle Folge vom 27. Februar sprach Deniz mit einem Experten über die verschiedenen Abnehmspritzen, die es aktuell auf dem Markt gibt. Hier geht’s zur aktuellen Folge.
Ungutes Gefühl der Abhängigkeit
Mit dem Abnehmerfolg manifestierte sich bei Deniz gleichzeitig aber etwas Negatives: Das Gefühl, auf die Spritze angewiesen zu sein. „Das wurde immer stärker“, sagt er rückblickend. „Abhängigkeit ist vielleicht das falsche Wort. Aber man kommt schon in das Denken: Ich nehme die Spritze, also kann ich mir eine Tüte Süßigkeiten gönnen.“ Damals wie heute wusste er, dass das ein Trugschluss ist. Doch durch das Medikament sei er „immer wieder in ein falsches Denken“ verfallen, sagt der 36-Jährige.
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Deniz wagt Ozempic-Experiment
Aber mit den Monaten stagniert der Gewichtsverlust. Ende November, zehn Monate nach der ersten Spritze, sind es immer noch die zehn Kilo weniger: seit April zeigt die Waage unverändert 115 Kilogramm. Doch es gibt auch eine erfreuliche Nachricht: Deniz erfährt, dass sich seine Blutglukosewerte weitgehend normalisiert haben. Seine Ärztin teilte ihm mit, dass sein Diabetes in Remission sei. Doch jetzt so einfach mit der Spritze aufzuhören, das kann er irgendwie nicht. Er setzt sogar noch einen drauf: Aus dem Gefühl heraus, eine Resistenz gegen das Mittel entwickelt zu haben, verdoppelte er die empfohlene Höchstdosierung auf 2,0 Milligramm: „Ich wollte sehen, ob etwas passiert.“ Seiner Ärztin erzählte er davon nichts.
Tatsächlich ging auch wieder etwas. Sein Körper reagierte auf die höhere Dosis mit einem weiteren Gewichtsverlust. „Ich hatte dann in kürzester Zeit ein weiteres Kilo runter. Für mich war es erschreckend, zu sehen, dass ich die Dosis erhöhen muss, um weiter abzunehmen“, erinnert sich der 36-Jährige. Nach zwei Wochen bricht er sein Experiment ab – von dessen Nachahmung FITBOOK an dieser Stelle ausdrücklich abrät. Dosierungen von Medikamenten sollten immer nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt verändert werden. Das versteht sich eigentlich von selbst.
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Erfahrung mit dem Absetzen von Ozempic
Nach dieser Erfahrung setzte Serdar Deniz Ozempic schließlich vollends ab. Und auch dieser letzte Schritt in seinem Kapitel mit der Abnehmspritze ging mit Schwierigkeiten einher. „Ich hatte zwei Wochen lang harte Kopfschmerzen, war komplett unkonzentriert“, erinnert er sich. Deniz glaubt, dass seine Symptome auf den Entzug von Ozempic zurückzuführen sind. Diese würden auch im Beipackzettel aufgeführt.
Zurück zur Spritze will er auf keinen Fall. „Nein, ich werde kein Ozempic mehr nehmen. Zum einen, weil mein Diabetes gut behandelt bzw. eingestellt ist und ich somit medizinisch keinen Indikator mehr habe für das Mittel.“ Andererseits sei ihm das Risiko zu hoch, die Dosierung immer wieder erhöhen zu müssen, um weiter erfolgreich abzunehmen. Der 36-Jährige fürchtet Schäden durch das Medikament, die man bislang noch gar nicht kenne.
Chronik von Deniz‘ Abnehmreise – Beginn im Februar 2023
Februar: Gewicht: 125,2 Kilogramm – Ozempic-Dosis: 0,25 Milligramm
März: Gewicht: 123,0 Kilogramm – Ozempic-Dosis wird auf 0,5 Mg erhöht
Juni: Gewicht: 115,0 Kilogramm – Ozempic-Dosis wird auf 1,0 Mg erhöht
Juli: Gewicht: 113,5 Kilogramm
November: Gewicht: 114,9 Kilogramm – 2-wöchiger Versuch mit 2,0 Mg Ozempic
Dezember: Gewicht: 113,9 Kilogramm – Ozempic wurde abgesetzt
Februar 24: Gewicht: 112,2 Kilogramm
Deniz spritze sich Ozempic vor allem, um sein Diabetes zu behandeln. Menschen, die mit Abnehmspritzen ein paar Kilo an Gewicht verlieren wollen, verurteilt er nicht: „Wer sich unwohl fühlt, hat in meinen Augen das Recht auf ein Hilfsmittel“, befindet er. Dennoch rät er, erst einmal alternative Wege einzuschlagen, „ehe man jemandem, der darauf angewiesen ist, den Weg verbaut“. Durch steigenden Off-Label-Use als Abnehmmittel war es 2023 immer wieder zu Lieferengpässen bei dem Diabetesmedikament gekommen.