7. Juli 2024, 8:10 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Sie lauern im hohen Gras, sind leicht zu übersehen und können gefährliche Erreger übertragen – gemeint sind die Zecken. Deshalb sollte man sich in der Natur gut vor den blutsaugenden Parasiten schützen. Für Urlaube in einigen Regionen kann auch eine Impfung ratsam sein.
Wer einen Wanderurlaub in Österreich oder im Süden Deutschlands, der sollte über eine Impfung gegen die von Zecken übertragene FSME-Krankheit nachdenken. Doch bringt das jetzt, so kurz vor dem Sommerurlaub, noch etwas? Was kann man für den Schutz vor einem Zeckenbiss – was strenggenommen ein Zeckenstich ist – tun? Diese und andere Zecken-Fragen beantwortet FITBOOK.
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Übersicht
FSME-Impfung zum Schutz vor Erregern nach Zeckenbiss
Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalytis (FSME) gehören zu den häufigsten Krankheiten, die durch Zecken übertragen werden können. Während es gegen eine Infektion mit Borrelien noch keine Impfung gibt, kann man FSME jedoch auf diese Weise vorbeugen. Ob sich eine Impfung vor dem Urlaub aber noch lohnt, hängt davon ab, wann man fährt. Es gibt theoretisch die Möglichkeit, mit drei Impfungen binnen drei Wochen eine Immunität herzustellen. Schnellerer Schutz sei allerdings schwierig, erklärt Professor Gerhard Dobler, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München.
Normalerweise folge die zweite FSME-Impfung zwei Wochen bis drei Monate nach der ersten. Wählt man hier den knappsten möglichen Abstand von 14 Tagen, bestehe laut Dobler nach einem Monat eine Immunität.
Risikogebiete – für wen eine schnelle Immunisierung jetzt noch ratsam ist
Dobler würde sie jedem Menschen empfehlen, der in ein Hochrisikogebiet fährt und sich dort viel in der Natur aufhält. „Einen Landkreis wie zum Beispiel Ravensburg, wo die Inzidenzzahl über 30 liegt, muss man als solchen Bereich betrachten“, ordnet der Experte ein.
„Wir haben in Bayern und in Deutschland zum aktuellen Zeitpunkt so viele gemeldete FSME-Fälle wie seit dem Jahr 2000 (Einführung des Infektionsschutzgesetzes) nicht mehr“, so der Experte auf FITBOOK-Nachfrage. Besonders einige südlich liegende Gegenden in Deutschland sind stark betroffen:
- Bayrischer Alpenrand
- Bayrischer Wald
- Baden-Württembergischer Alpenrand
Alle Teile von Österreich haben sich mittlerweile ebenfalls als hochaktive Regionen für Zecken mit dem FSME-Erreger erwiesen, wobei vor allem in Tirol und Vorarlberg das Risiko sehr hoch ist. „Wenn jemand mir sagt, er fährt nach Tirol, wandert dort stets über 1000 Meter und übernachtet auf Hütten: Dann braucht er nicht zwingend eine Impfung“, sagt Dobler, der beispielhaft noch Kärnten und Steiermark in Österreich, Südschweden, das Baltikum und die gesamte Schweiz als Gebiete mit erhöhtem Risiko aufzählt.
Schutz vor Zeckenbiss: Risikoabwägung ist individuell
Der Experte stellt aber klar: „Das Infektionsrisiko ist trotz allem gering, man sollte keine Panik verbreiten.“ Die 527 registrierten FSME-Fälle im Jahr 2023 in Deutschland sprechen für sich. Grob taxieren Experten die Wahrscheinlichkeit einer FSME-Infektion nach einem Zeckenstich in einem Risikogebiet mit 1:50 bis 1:100.
Letztlich solle man die Impfempfehlung von der Region, in die man reise, und von den Aktivitäten, die man dort plane, abhängig machen, rät Dobler. Reisemedizinische Fachpraxen könnten dabei helfen. Praktizierende Ärzte könnten für eine Einschätzung auch in seinem Konsiliarlabor anrufen. Letztlich ist es eine individuelle Abwägung der Reisenden. Manche gehen lieber ganz auf Nummer sicher, andere sind etwas risikobereiter.
FSME – meist milder Verlauf, aber keine Medikamente
Eine FSME-Infektion verläuft oftmals mild. In der ersten Phase hat man häufig grippeähnliche Symptome: Man hat Fieber, ist abgeschlagen, Kopf und Glieder tun weh. Später kann eine Entzündung des Gehirns, der Hirnhäute oder des Rückenmarks folgen – es besteht also ein Risiko für schwere Verläufe. Sehr selten kann FSME tödlich enden.
Was bei der Abwägung für oder gegen eine Impfung bedacht werden sollte: Die Krankheit kann nur symptomatisch behandelt werden, etwa mit fiebersenkenden Mitteln. Medikamente gegen die krankheitsauslösenden Viren gibt es nicht.
Tipps zum Schutz vor einem Zeckenbiss
Richtige Wahl der Kleidung
Wer nicht geimpft ist, kann die Infektionsgefahr auch auf andere Art und Weise senken: Durch lange, helle Kleidung, an denen man die Zecken besser entlang krabbeln sieht. Auch das Stopfen des Hosenbeins in die Socken kann verhindern, dass die Parasiten auf die Haut gelangen.
Körper nach Zecken absuchen
Nach längeren Aufenthalten in der Natur sollte man sich anschließend gründlich absuchen. Vor allem dort, wo am Körper feuchtere Bedingungen herrschen. In der Kniekehle, im Genitalbereich, in den Armbeugen oder in den Achseln. Bei Kindern stechen Zecken oft auch am Kopf zu.
Außerdem ist der Zeitfaktor nicht zu unterschätzen. Zum einen, weil die Zecken meist nicht gleich stechen. „Sie krabbeln oft stundenlang auf dem Körper herum und suchen eine gute Stelle“, so Dobler. Das heißt, man erwischt sie vielleicht noch vor dem Stich. Zum anderen haben die Tierchen weniger Zeit, Erreger zu übertragen, wenn man sie rasch entfernt. Das gilt vor allem bei der Borreliose. Sie wird von Bakterien ausgelöst, die von Zecken übertragen werden. Hier stecken die Erreger im Darm des Tieres und gelangen nicht sofort in den Körper des Menschen, wie Dobler erklärt. Werden die Zecken innerhalb von 12 bis 16 Stunden entfernt, ist das Risiko gering, eine Borreliose zu bekommen.
Die FSME-Viren wiederum sitzen im Speichel der Zecke und werden schon beim Stich übertragen. Doch auch hier gilt dem Experten zufolge: Je länger sie saugt, desto größer ist die übertragene Virusmenge und damit das Risiko.
Nach Zeckenbiss die Rötung beobachten
Im Gegensatz zur FSME ist Borreliose nicht in allen Bundesländern meldepflichtig. Es gibt keine ausgewiesenen Risikogebiete, aber laut RKI besteht in ganz Deutschland die Gefahr einer Infektion. In Europa sei sie die mit Abstand häufigste durch Zecken übertragene Krankheit. Insgesamt sei bei 0,3 bis 1,4 Prozent der Menschen mit Zeckenstichen eine Borreliose-Erkrankung zu erwarten.
Dobler rät, einen Zeckenstich zu beobachten – und kann beruhigen: „Wenn sich innerhalb weniger Stunden eine Rötung bildet, ist das nicht schlimm.“ Das sei nur eine allergische Reaktion auf den Zeckenspeichel und keine Borreliose. Wenn der Stich stark juckt, kann beispielsweise ein Antihistaminikum helfen. „Wenn die Rötung um die Stichstelle nach einer Woche oder mehr größer wird und den Umfang eines Zwei-Euro-Stücks erreicht, sollte man zum Doktor und sagen, dass man dort von einer Zecke gestochen wurde.“
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Wanderröte nach einigen Tagen deutet auf Borreliose hin
Die Wanderröte ist eine ringförmige Hautrötung, die einige Tage bis Wochen nach dem Stich auftritt. Oft ist sie im Zentrum blasser als am Rand und der rote Ring wandert allmählich nach außen. Sie sei die häufigste Erkrankungsform der Borreliose, schreibt das RKI. Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen sowie Müdigkeit können dazukommen. Die Borreliose kann in seltenen Fällen das Nervensystem angreifen oder zu Entzündungen des Herzens führen.
Panisch müsse man bei einer Borreliose nicht werden, sagt Dobler. „Sie lässt sich mit Antibiotika in der Regel gut behandeln.“ Eine Impfung gegen Borreliose gibt es nicht.
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Zecken richtig entfernen
Der Zecken-Experte Gerhard Dobler bevorzugt zum Entfernen der Tiere feine Splitterpinzetten. „Mit der Pinzette fasse ich die Zecke nah an der Haut und ziehe sie raus“, erklärt der Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Prinzipiell gehe das auch mit einer handelsüblichen Pinzette aus dem Nagel-Pflege-Set.
Weitere gängige Hilfsmittel sind zum Beispiel die Zeckenkarte oder eine Schlinge. Dobler zufolge gibt es auch elektrische Zeckendreher. Und welches nimmt man nun? „Jeder sollte das Hilfsmittel nehmen, mit dem er am besten umgehen kann“, gibt sich der Fachmann diplomatisch. Wichtig sei vor allem, die Zecke direkt unter der Haut anzufassen.
Bleibt beim Herausziehen ein kleiner schwarzer Punkt in der Haut, ist das kein Grund zur Beunruhigung. „Das ist nur der Stachel“, sagt Dobler. Und der sei nicht infektiös. Borrelien oder FSME-Viren werden von ihm allein, ohne den Zeckenkörper, nicht weitergegeben. Darum sollte man auch nicht versuchen, den Stachel mit einem Nagel oder anderen Hilfsmitteln herauszukratzen. Das führt höchstens zu einer Wundinfektion. Stattdessen einfach abwarten: „Die Haut stößt den Stachel innerhalb weniger Tage von selbst ab.“
*mit Material der dpa