19. Juli 2024, 20:09 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Nacktschlafen ist gesund – hört und liest man zumindest immer wieder. Die Argumente dafür erscheinen oftmals etwas aus der Luft gegriffen. FITBOOK wollte es genauer wissen und hat bei Experten nachgefragt.
Ist es wirklich gesund, nackt zu schlafen? Die US-Hormonärztin Dr. Jennifer Landa ist davon überzeugt. In ihrem Ratgeber „The Sex Drive Solution for Women“ behauptet sie, es soll hygienischer sein, ohne Pyjama zu schlafen, weil man weniger schwitzt. Außerdem stärke der Kontakt von Laken auf nackter Haut das Selbstbewusstsein.
Dr. med. Michael Feld sieht es etwas anders. Über seinen Arbeitsalltag als Schlafmediziner hinaus hat er sich sehr eingehend mit dem Thema beschäftigt und beispielsweise gemeinsam mit einem Professor für Neurologie und Neurogenetik den „Beurer Schlafatlas 2017“ geleitet, eine umfangreiche Studie zum Schlafverhalten der Deutschen. Er fand etwa heraus, dass Hamburg die meisten Nacktschläfer hat. Ob Menschen, die nackt schlafen, gesünder sind? Darüber hat FITBOOK mit ihm gesprochen.
Übersicht
Nackt oder angezogen schlafen? Vor allem Geschmackssache
In erster Linie ist es natürlich Geschmackssache, ob man gerne im Nachthemd oder ganz ohne Kleidung schläft. Dass man deshalb glücklicher, entspannter oder gar selbstbewusster ist, lässt sich sicherlich nur von Person zu Person individuell behaupten. Wir interessieren uns aber für den gesundheitlichen Aspekt des Nacktschlafens – wenn es denn einen gibt? „Tatsächlich ist es besser, etwas anzuhaben“, sagt Schlafmediziner Dr. Feld zu FITBOOK. Es bestehe sonst die „Gefahr auf Unterkühlung“.
Wie sieht es in heißen Sommernächten aus?
Nachts sinkt die Temperatur im Körperkern, also im Bereich von Hirn, Herz, Lunge und Nieren, um bis zu eineinhalb Grad. Laut dem Experten ist das selbst in heißen Sommernächten der Fall – dann aber nicht so schlimm, „weil die Temperaturen um einen herum relativ hoch sind und der Körper entsprechend weniger Wärme verliert“. Trotzdem würde Feld dazu raten, zumindest etwas Leichtes zu tragen.
Denn gerade bei niedrigen Temperaturen schwitzt man bekanntlich. Und Schwitzen ist ein Mechanismus des Körpers, um abzukühlen. „Wenn es dann zu einem Durchzug kommt, etwa durch ein geöffnetes Fenster oder einen eingeschalteten Ventilator, ist das Unterkühlungsrisiko wieder gegeben“, führt Feld aus. Boxer-Shorts und T-Shirt oder Negligé – damit macht man nach Einschätzung des Schlafforschers alles richtig.
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Der Intimbereich mag’s luftig
Zu viel sollte man aber auch nicht anziehen, meint der Frankfurter Gynäkologe Dr. med. Andreas Gardé. „Wenn man unter einem warmen Schlafanzug schwitzt, wirkt das wie eine feuchte Kammer“, sagt er zu FITBOOK. Bakterien und andere Mikroorganismen würden sich darin pudelwohl fühlen.
Heißt: Die Gefahr auf Infektionen im Intimbereich wächst. Urologen warnen übrigens auch aus dem Grund davor, sich untenrum zu warm einzupacken, weil die Spermaqualität darunter leiden könnte. Im Intimbereich soll man(n) es tendenziell luftig angehen lassen.
Wann Sie nackt schlafen sollten…
Wenn nachts jemand neben Ihnen liegt, darf dann aber auch das letzte (Nacht-)Hemd aus bleiben. Nackte Haut an nackter Haut fördert nämlich die Produktion des „Kuschelhormons“ Oxytocin.
Interessant: Wissenschaftler gehen davon aus, dass oxytocinreiche Partnerschaften liebevoller und treuer sind. Aber auch die individuelle Gesundheit und das Immunsystem sollen davon profitieren. „Durch Oxytocin reduziert sich der Ausstoß des Stresshormons Kortisol. Somit kann es dabei helfen, den Blutdruck zu senken und Depressionen vorzubeugen“, sagt uns Dr. Gardé.
Auch Kollege Feld „erlaubt“ Nacktschlafen, wenn jemand neben Ihnen liegt – „ein kleines Öfchen, an dem Sie sich wärmen können.“ Dieser Ofen/Bettnachbar spendet ohne Aufwand bis zu 36 Grad Celsius Wärme. Und spätestens, wenn man sich richtig näherkommt, ist die Gefahr auf Unterkühlung natürlich kein Thema mehr.
So oft sollten Nacktschläfer die Bettwäsche wechseln
Im Zusammenhang mit Gesundheit ist natürlich auch Hygiene wichtig. Nachts schwitzt man – das ist ganz normal und macht es absolut notwendig, die Bezüge im Winter mindestens alle zwei Wochen zu wechseln. Im Sommer sollte es jede Woche passieren, wissen unsere Kollegen von myHOMEBOOK. Diese Abstände gelten für Nacktschläfer nicht. Bei ihnen liegt keine extra Lage Textil zwischen Schweiß (sowie Hautschüppchen) und der Bettwäsche. Heißt: „So, wie man einen Pyjama höchstens vier Tage lang tragen sollte, verhält es sich bei der Nackt-Fraktion mit Laken und Co.
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Perfektes Bett-Outfit Wie beeinflusst der Pyjama die Schlafqualität?
Experte im Gespräch Mögliche krankhafte Auslöser von nächtlichem Schwitzen
Fazit
Es kann gewisse Vorteile haben, nackt zu schlafen – sofern man einen warmen Körper neben sich liegen hat. Wer aber auch alleine lieber ohne Nachthemd oder Pyjama ins Bett geht, sollte Vorkehrungen treffen, nicht auszukühlen. Es muss (und sollte auch) nicht der gute alte Schlafanzug mit zu dickem Stoff sein.