16. Oktober 2020, 11:32 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Antibiotika sind eine echte Wunderwaffe – allerdings nur, wenn sie richtig eingesetzt und eingenommen werden. Patienten sollten daher genau aufpassen, was der Arzt wie verschreibt.
Antibiotika gehören zu den am meisten verordneten Arzneimitteln in Deutschland. Sie töten bakterielle Krankheitserreger ab oder hemmen ihr Wachstum. Allein die Ärzte im ambulanten Bereich verschreiben pro Jahr 500 bis 600 Tonnen davon, erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Trotzdem sind Antibiotika natürlich keine Allerweltsmedizin, die man einfach so einwirft – zu beachten gibt es einiges. Wer sie nimmt, sollte sich immer genau an die Anweisungen des Arztes halten. Aber muss man die Packung eigentlich auch zu Ende nehmen, wenn die Beschwerden vorzeitig besser werden?
Einnahme: So lange wie nötig, so kurz wie möglich
„Viele Jahre ist man davon ausgegangen, dass eine längere Antibiotikatherapie die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr der Infektion oder die Ausbildung von Resistenzen verringert“, so Professor Dr. med. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Universitätsklinik Köln und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI). „Dahinter stand der Gedanke, möglichst alle krankmachenden Bakterien abzutöten. Heute wissen wir: Je länger die Bakterien dem Selektionsdruck eines antimikrobiellen Wirkstoffs ausgesetzt sind, desto wahrscheinlicher überleben überwiegend resistente, also gegen das Mittel unempfindliche Erreger.“
Die Antibiotika-Packung zu Ende nehmen müssten Patienten also laut der DGI nicht immer zwingend. Denn auch für Antibiotika gelte den Angaben nach dieselbe Regel wie für andere Medikamente: So lange wie nötig, aber so kurz wie möglich. Bei manchen Erkrankungen reicht es, Antibiotika nur wenige Tage zu nehmen – bei Harnwegsinfektionen wie etwa einer Blasenentzündung ist es manchmal sogar gerade mal ein einziger Tag.
Weniger Nebenwirkungen durch kürzere Antibiotika-Therapie
Eine kürzere Antibiotika-Therapie habe aber nicht nur den Vorteil von weniger Resistenzentstehung – sie gehe auch mit weniger Nebenwirkungen einher. „Es kann zu Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Bauchschmerzen oder Übelkeit kommen“, erklärt Dr. Ursula Sellerberg, Apothekerin und Pressesprecherin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Möglich seien auch allergische Reaktionen der Haut, etwa Rötungen oder Juckreiz. Bei Mädchen und Frauen könnten zudem Scheidenpilzinfektionen auftreten.
Antibiotika sollte man nicht eigenmächtig absetzen
„Dennoch bedeutet dies nicht, dass Patienten ein Antibiotikum eigenhändig absetzen sollten, sobald ihre Symptome verschwunden sind“, so Professor Dr. med. Winfried Kern, Leiter der Infektiologie am Universitätsklinikum Freiburg. „Für solch eine einfache Faustregel ist die moderne Antibiotika-Therapie zu komplex.“ Vielmehr gelte: Es hängt von der Art der Erkrankung, ihrer Schwere, dem individuellen Verlauf und dem jeweiligen Bakterientyp ab, wie lange ein Antibiotikum eingenommen werden muss. Seien die Symptome frühzeitig ausgeheilt oder schlägt das Mittel nicht an, sollte der Patient den Arzt kontaktieren und mit ihm das weitere Vorgehen besprechen.
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Bitte nicht aufheben, sondern im Restmüll entsorgen
Bleiben in einer Antibiotika-Packung noch Tabletten übrig, kann und sollte man diese im Restmüll entsorgen – und nicht etwa in die Hausapotheke packen. „Keinesfalls sollten sie für die nächste Infektion aufgehoben oder an andere Patienten weitergegeben werden“, erklärt Sellerberg.
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Bei Grippe oder Erkältung helfen Antibiotika nicht
Antibiotika wirken übrigens nur bei bakteriell bedingten Erkrankungen. Das sind etwa Entzündungen von Mandeln, Lunge, Blase oder Hirnhaut. „Keine Wirkung entfalten Antibiotika bei Infekten, die durch Viren verursacht wurden“, sagt Prof. Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Bei einer Grippe oder Erkältung helfen Antibiotika also nicht weiter.
Allerdings können Bakterien leichter in den Körper eindringen und sich vermehren, wenn der Körper durch eine Virusinfektion geschwächt ist. Ein viraler Infekt der Lungenwege mündet dann zum Beispiel in einer bakteriellen Lungenentzündung. Deshalb kann es laut BZgA manchmal nötig sein, auch bei viralen Infekten ein Antibiotikum einzunehmen.