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Angeblich wahre Geschichte

Monatelang nicht essen! Was steckt hinter dem „Fastenmädchen“ im Netflix-Film? 

monatelang nichts essen: Florence Pugh im Film „Das Wunder“
„Fastenmädchen“ galten im 19. Jahrhundert als Wunder. Doch hinter dem Mythos steckt viel wahrscheinlicher eine traurige Geschichte. Foto: Das Wunder/Netflix

5. November 2022, 8:07 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Im Netflix-Film „Das Wunder“ geht es um das Phänomen der „Fastenmädchen“. Dies waren Mädchen und junge Frauen, die im 19. Jahrhundert angeblich monatelang ohne Essen auskamen. Was dahintersteckt und was ein Experte über extremes Fasten und seine Folgen sagt.

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Monatelang nichts essen müssen?! Genau das soll bei einem jungen Mädchen, dem Schauspielerin Florence Pugh in ihrer Rolle als Krankenschwester im Netflix-Film „Das Wunder“ helfen möchte, der Fall sein. Damit geht der Streifen, der ab 16. November gestreamt werden kann, einem Phänomen aus der viktorianischen Zeit auf die Spur. Damals machten sogenannte „fasting girls“ bzw. „Fastenmädchen“ Schlagzeilen. FITBOOK erklärt, was es mit diesen (wahrscheinlich) auf sich hatte. Ferner erläutert ein Ernährungsexperte, was genau im Körper passiert, wenn man zu lange zu wenig bzw. nichts isst.

Was verbirgt sich hinter den „Fastenmädchen“?

Im 19. Jahrhundert häuften sich Berichte von „Fastenmädchen“. Diesen Namen erhielten die Mädchen und jungen Frauen deshalb, weil sie und/oder ihre Familien behaupteten, dass sie monatelang – teils jahrelang – ohne Essen auskämen bzw. trotz extremen Fastens überleben würden. Häufig rankten sich spirituelle oder religiöse Mythen um diese jungen Frauen. Zeitgenossen hielten sie sogar für ein Wunder. Der Konflikt zwischen der Suche nach einer medizinischen Erklärung und dem Glauben, dass Gott am Werk sei, ist im Übrigen auch zentraler Bestandteil des besagten Netflix-Films mit Florence Pugh.

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Frühe Fälle von Anorexia nervosa?

Ein solches berühmtes „Fastenmädchen“ war eine zwölfjährige Waliserin namens Sarah Jacob, die nach zweijährigem extremen Fasten verhungerte. Insbesondere bei ihr, aber auch bei anderen „Fastenmädchen“ aus der Zeit gehen Wissenschaftler heute von ersten Fällen der damals noch nicht bekannten Erkrankung Anorexia nervosa, also Magersucht, aus.1,2

Monatelang überhaupt nichts essen – unmöglich

Dass jemand monatelang wirklich gar nichts isst, ohne zu sterben, wie es das Mädchen im Film behauptet, ist „völliger Blödsinn“, betont Prof. PhDr. Sven-David Müller. „Wenn man null Kilokalorien zu sich führt, ist das Leben schnell beendet, erläutert der Gesundheitswissenschaftler auf FITBOOK-Nachfrage. „Das ist übrigens gar nicht so einfach, weil man dafür dann nämlich gar nichts aufnehmen darf. Bedeutet, man dürfte dann außer Wasser wirklich nichts trinken und essen, weil natürlich in allem Kalorien stecken.“

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Extremer Nahrungsverzicht – das passiert im Körper

Wie lange eine Person ohne Essen auskommt, hängt von der Beschaffenheit des Körpers vor dem Nahrungsverzicht aus. Hat ein Mensch einen höheren BMI und daher mehr Reserven, hält er natürlich länger durch, erklärt uns Prof. Müller, als wenn der Betroffene schon an der Grenze zum Untergewicht war. Doch unabhängig davon passiert bei extremem Nahrungsverzicht bei allen im Körper dasselbe.

Als Erstes sind die Glykogen-Reserven dran

Als Erstes geht unser Körper an die bereits erwähnten Reserven. Diese halten aber nicht lange vor. „Wir haben im Blut Blutzucker, Eiweiße und Fette herumschwimmen. Das ist für den Körper direkt in der Notlage verfügbar und reicht für einige Minuten aus. Dann haben wir Glykogen-Reserven, sowohl in der Muskulatur als auch in der Leber. Das ist für akute Notfälle, reicht in der Regel aber nicht länger als einen Tag“, so Prof. Müller. Weil wir zum Überleben Glucose also Traubenzucker (u. a. für Gehirn, Herz und zentrales Nervensystem) brauchen, müsse sich der Körper in der geschilderten Notlage (es kommt kein Nachschub durch Nahrung) etwas einfallen lassen.

Dann werden Muskeln abgebaut

Der FITBOOK-Experte erklärt weiter: „In diesem Fall geht der Körper an die Muskulatur und baut Muskeln ab. Warum? Zum einen sind in ihnen sogenannte glucoplastische Aminosäuren, aus denen man auch Traubenzucker bilden kann, enthalten. Zum anderen weiß der Körper ja nicht, warum wir nichts essen. Es gibt nicht die Schnittstelle Ratio, also das Gehirn, und Physiologie, also den Körper. Immer wenn wir nichts zu essen bekommen, schalten wir in eine Notsituation, die mit einem extremen Stress verbunden ist.“

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Nach Hungerstoff-Wechsel tritt der Tod ein

Mit dem zuvor beschriebenen Prozess versucht der Körper in dem Fall, dass die Nahrung ausbleibt, uns vor dem Verhungern zu schützen. Doch wie bereits erwähnt, hält er auch das nur eine begrenzte Zeit durch. Prof. Müller fasst zusammen: „Das Säugetier Mensch schaltet in den Hunger-Stoffwechsel, baut dann an erster Stelle glucoplastische Aminosäuren ab und dann nach einigen Tagen geht es an die Fettreserven. Dabei entsteht auch eine leichte Übersäuerung des Körpers, eine sogenannte Azidose, die für den Körper nicht gesund ist. Dann ist es davon abhängig, wie viele Muskeln und wie viel Fettgewebe man hat. Wenn das abgebaut ist, tritt der Tod ein.“

Falls Sie selbst oder Mitglieder aus Ihrer Familie oder Ihrem Freundeskreis unter Essstörungen leiden, finden Sie auf den Seiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung viele Informationen zu Magersucht sowie eine Telefonberatung.

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Quellen

Themen Essstörungen
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