26. März 2019, 12:03 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Zigaretten, Alkohol, (fehlende) Bewegung und soziale Kontakte – laut einem Team aus Forschern aus Jülich, Düsseldorf, Essen und Basel haben diese vier Punkte großen Einfluss auf das menschliche Gehirn, positiven wie auch negativen. FITBOOK hat mit den Verantwortlichen der Studie gesprochen.
248 weibliche und 301 männliche Probanden im Alter von 55 bis 85 haben an der Studie am Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin teilgenommen. Die Daten, die dem Forscherteam zur Verfügung standen, waren Kernspinaufnahmen und ausführliche Informationen zum Lebensstil der Frauen und Männer. Mit Lebensstil sind etwaiger Zigaretten- und Alkoholkonsum, sportliche Aktivität und soziale Interaktionen gemeint.
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Dass vor allem Rauchen und Alkohol negative Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit und die (Hirn-)Zellen haben können, war in Fachkreisen schon vorher bekannt. Das Besondere an der aktuellen Untersuchung (veröffentlicht im Fachjournal „Nature“): Es konnten alle vier genannten Faktoren einzeln und auch in Verbindung beleuchtet werden. Das erklärten Doktorandin Nora Bittner und Letztautorin Frau Professor Svenja Caspers im Gespräch mit FITBOOK.
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Lebenswandel hat mehr Einfluss als Gene
Die Forschungsergebnisse zeigen laut Prof. Caspers deutlich, wie sehr sich die Lebensführung auf das Gehirn niederschlägt. Zusammen mit den Kollegen aus der Abteilung Genetik sei zudem aufgezeigt worden, dass die Erbinformationen dahingegen eine fast schon nebensächliche Rolle spielten. „Wichtiger als die genetische Veranlagung ist das tatsächliche Verhalten“, fügt Bittner hinzu.
Diese unterschiedlichen Veränderungen wurden gemessen
Wie Prof. Caspers uns erklärt, hat Nikotin grundsätzlich den Effekt, die Aufmerksamkeit kurzfristig zu schärfen. Deshalb können Raucher sich anscheinend etwas besser konzentrieren, wenn sie eine Zigarette geraucht haben. Dies wurde in der aktuellen Studie jedoch nicht untersucht, wie die Hirnforscherin betont, sondern der Effekt von lebenslangem Zigarettenkonsum. Und dieser wirke – vermutlich durch die anderen Inhaltsstoffe der Zigaretten, „beispielsweise Teer“ – messbar schädlich auf das Gehirn. „In unserer Studie zeigte sich insbesondere, dass bei Rauchern auch im Ruhezustand eine intensive Grundkommunikation zwischen verschiedenen Hirnregionen besteht“, erläutert Prof. Caspers. Das habe langfristig negativen Einfluss, da bei konkreten Aufgaben weniger „Puffer“ für kognitive Leistungen bleibt.
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Sport und das soziale Umfeld sollen sich hingegen auf die Struktur des Gehirns ausgewirkt haben, also auf die graue Substanz in bestimmten Hirnregionen. Bei solchen, die mehr Sport trieben und häufiger mit anderen Menschen interagierten, hatte sich das Hirnvolumen nicht so stark reduziert wie bei den weniger aktiven Probanden. Alkohol habe hingegen zum Abbau von Hirnsubstanz und dem Verlust von Nervenzellen beigetragen.
Kann man der Entwicklung (noch) gegensteuern?
Ob sich die Negativentwicklung anhalten oder wieder umkehren lässt, wenn man das Rauchen/Trinken einstellt und mehr soziale Kontakte pflegt – dies müsse in weiterführenden Studien ermittelt werden.
Die Idee hinter der aktuellen Studie sei es nicht zuletzt gewesen, den Einfluss der einzelnen Verhaltensweisen aufeinander zu ermitteln. Und es habe sich gezeigt: „Menschen mit einem kombinierten Risiko – also die etwa rauchen, häufig Alkohol trinken, wenig Sport treiben und kaum soziale Kontakte pflegen – haben sich deutlich von denjenigen abgehoben, bei denen nur einer der Risikofaktoren zutraf“, sagt uns Caspers.
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Männer oder Frauen – wer ist mehr gefährdet?
Ob sich der Lebensstil mehr auf das weibliche oder männliche Hirn niederschlägt – die Ergebnisse dazu seien in einer weiterführenden Studie untersucht worden. Diese befindet sich gerade noch in der finalen Phase. Die Ergebnisse, sobald vorhanden, erfahren Sie hier.