16. Oktober 2019, 12:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Einfache Methode, verblüffende Erkenntnis: Ob wir eher langsam oder flott gehen, lässt Rückschlüsse auf unser biologisches Alter zu. Bei deutlich ältere Menschen war dieser Zusammenhang schon bekannt – doch die Teilnehmer einer aktuellen Studie waren erst 45 Jahre alt.
Ist mein Körper jünger, als die Geburtsurkunde verrät? Oder ist es umgekehrt? Dass und wann wir altern, ist teilweise unserer Genetik geschuldet. Bekanntermaßen haben aber auch die Aspekte Ernährung, Lebensstil und Bewegung Auswirkungen auf den Alterungsprozess. Dieser Unterschied kann, je nach Veranlagung, mehreren Jahren entsprechen.
Forscher der Duke University in North Carolina (USA) interessierten sich in diesem Zusammenhang für einen bestimmten Unterpunkt von Bewegung bei Menschen mittleren Alters, dessen Überprüfung bisher nur bei sehr alten Menschen zur routinemäßigen Untersuchung dazugehört: die Gehgeschwindigkeit. Die soll als Indikator für die körperliche (und geistige) Verfassung fungieren.
Langsame Geher biologisch 5 Jahre älter
„Menschen, die langsam gehen, weisen mehrere Indikatoren für beschleunigtes Altern und einen kognitiven Rückgang auf“, erklärt Studienleiterin Line Rasmussen gegenüber FITBOOK. „Sie altern schneller, ihr Gehirnvolumen ist geringer und sie sehen sogar älter aus.“
Das Gehtempo als simple Methode, um das biologische Alter und die lebenslange Gesundheit des Gehirns eines Menschen einzuschätzen? Dazu baten Rasmussen und ihr Team knapp 1000 Menschen, die zwischen 1972 und 73 geboren und deren umfangreiche Gesundheitsdaten bis zum Alter von 45 Jahren regelmäßig erhoben worden waren, aufs Laufband und maßen ihre Ganggeschwindigkeit. Zunächst sollten sie darauf normal laufen; danach sollten sie dabei eine Denkaufgabe lösen; zum Schluss sollten sie ihr maximales Gehtempo laufen, ohne zu rennen.
Um das biologische Alter bewerten zu können, nahmen die Forscher verschiedene Blutwerte der Probanden, überprüften deren Herz- und Atemleistung, Zahngesundheit, Muskelkraft, schauten ihnen per Scan ins Gehirn und machten einen Intelligenztest.
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Ergebnis: Die Teilnehmer mit dem langsamsten Gang waren in den letzten 20 Jahren im Schnitt um fünf Jahre schneller gealtert als die Teilnehmer mit dem schnellsten Gehtempo. „Diese Erwachsenen hatten allgemein mehr körperliche Einschränkungen: Sie hatten weniger Kraft in den Händen, konnten nicht lange auf einem Bein balancieren und hatten größere Schwierigkeiten, schnell von einem Stuhl aufzustehen“, heißt es in einer Zusammenfassung der Duke-Studie.
Langsam-Geher auch kognitiv im Nachteil
„Das Bemerkenswerteste war, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Gehtempo mit 45 Jahren und ihren kognitiven Funktionen als Kind im Alter von drei Jahren gab“, erklärt Rasmussen gegenüber FITBOOK. Getestet worden war damals, wie gut sie bei einem IQ-Test abschnitten, wie gut sie die Sprache verstanden und wie gut sie ihre Gefühle kontrollieren konnten.
Die aktuellen Hirnscans offenbarten: Das kleinste Hirnvolumen, eine geringe Dicke der Hirnrinde und mehr Schädigungen in der weißen Hirnsubstanz – alles Merkmale, die mit der kognitiven Leistung verknüpft sind – hatten die Langsam-Geher unter den Mittvierzigern. Die IQ-Tests untermauerten, was der Hirnscanner enthüllte: Sie schnitten im Mittel 16 Punkte schlechter ab als die Schnell-Geher.
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Die Geschwindigkeit, mit der Menschen mittleren Alters gehen, taugt als Indikator für vorzeitiges Altern und eine Verschlechterung der Organfunktion. Wie ist dieser Zusammenhang zu verstehen?
„Das Gehen erfordert die Funktion und das Zusammenspiel vieler verschiedener Organsysteme zur gleichen Zeit einschließlich der Knochen, des Herzens, der Lunge, der Muskeln, des Sehvermögens, des Nervensystems usw.“, erklärt Rasmussen. Die Gehgeschwindigkeit hänge von der reibungslosen Funktion all dieser Systeme ab.
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Da die Ergebnisse gezeigt hätten, dass es hier bereits in der Lebensmitte (und eben nicht erst bei Geriatrie-Patienten) erhebliche Schwankungen gebe, könnte sich die Überprüfung des Gehtempos laut Rasmussen als nützliche Maßnahme zur Verhinderung des Ausbruchs altersbedingter Krankheiten herausstellen. Also präventiv. „Der Test ist billig, sicher, lässt sich leicht wiederholt testen und kann nun auch bei Menschen in den Vierzigern angewendet werden“, so Rasmussen zu FITBOOK.
Wie kann man sein biologische Alter senken?
„“– Ab sofort einfach zügiger gehen, um das biologische Alter zu senken – ganz so einfach ist es leider nicht. Aber das Wissen darum kann eine Chance sein, frühzeitig einzugreifen und die Lebensweise entsprechend zu ändern. Die Empfehlungen von Sportwissenschaftler Dr. Michael Despeghel dazu lauten: regelmäßige Bewegung; gesunde, ausgewogene Ernährung; wenig Stress; genügend Schlaf; sowie Verzicht auf Nikotin, übermäßigen Alkoholkonsum und ausgiebige Sonnenbäder.
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Wie viele sollte man sich bewegen?
Gehen macht fit, steigert das Wohlbefinden und senkt das Risiko, an Altersdiabetes, Krebs, Alzheimer oder Osteoporose zu erkranken oder einen Herzinfarkt zu bekommen. Es hilft, Gewicht zu verlieren, reduziert Stress, lindert Krankheiten wie Rückenschmerzen und Depressionen und gewährleistet einen besseren Schlaf. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt mindestens 10.000 Schritte pro Tag zurückzulegen, um gesund zu bleiben. Sie könnten zum Beispiel generell eine bis zwei Stationen früher aus dem Bus oder der Bahn aussteigen – oder sich in der Mittagspause einen 10-Minuten-Spaziergang angewöhnen.