27. Juli 2022, 13:58 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Menschen, die regelmäßig und viel Alkohol konsumieren, scheinen schneller zu altern. Doch woran liegt das genau? Oxford-Forscher haben einen Blick auf die Gene geworfen.
Bei krankhaften Alkoholikern ist es offensichtlich, bei Genusstrinkern eher weniger: Wer gerne und oft Alkohol trinkt, muss langfristig mit massiven gesundheitlichen Problemen rechnen und scheint obendrein schneller zu altern. Bislang war unklar, ob der Alkohol allein den Alterungsprozess beschleunigt oder ob der Effekt auf die damit verbundene ungesunde Lebensweise zurückzuführen ist. Forscher der Oxford-Universität haben erstmals dazu DNA-Sequenzen untersucht – mit eindeutigem Ergebnis.
Übersicht
Telomere: Welche Rolle spielt Alkohol beim genetischen Alterungsprozess?
Telomere sind sich wiederholende DNA-Sequenzen, die das Ende der Chromosomen abschließen und sie vor Schäden schützen. In jungen Jahren sind die Telomere recht lang, mit jeder Kopie verkürzen sich allerdings die Enden. Und je kürzer, desto älter das äußere wie innere Erscheinungsbild.1 Frühere Studien haben kürzere Telomerlängen mit mehreren altersbedingten Krankheiten in Verbindung gebracht, darunter Alzheimer, Krebs und Herzschwäche.2,3 Sprich: Die Telomerlänge gilt als Indikator für das biologische Alter, da jedes Mal, wenn sich eine Zelle repliziert, 50-100 DNA-Basen verloren gehen. Irgendwann sterben sie ganz ab. Trägt Alkohol dazu bei, dass sich dieser Prozess beschleunigt? Genau dafür finden Forscher in ihrer Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift „Molecular Psychatry“ wurde, erstmals Hinweise.4
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Untersuchung mit 245.000 Erwachsenen
Für ihre Analyse untersuchten die Forscher den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Telomerlänge bei über 245.000 erwachsenen Teilnehmern der UK Biobank. Sie nutzten dafür einen genetischen Ansatz namens Mendelsche Randomisierung (MR), der zum ersten Mal angewendet wurde, um die Auswirkungen von Alkohol auf das Altern zu untersuchen. Ergänzend dazu führten die Wissenschaftler Umfragen durch, um herauszufinden, wie viel Alkohol die jeweiligen Personen nach eigenen Angaben konsumieren.
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Starker Alkoholkonsum lässt einen um sechs Jahre altern
Und tatsächlich: Starke Trinker hatten wesentlich kürzerer Telomere als Menschen, die sich nur zwei Gläser Wein die Woche gönnen. In Zahlen: Wer sich pro Woche zehn große Gläser Wein (250 ml) genehmigt, ist biologisch gesehen ein bis zwei Jahre älter, heißt es in der Universitätsmitteilung.5 Diagnostizierte Alkoholiker wiesen ein um bis zu sechs Jahre höheres biologisches Alter auf. Man muss zwar ordentlich bechern, damit Alkohol den Altersprozess beschleunigt – nämlich wöchentlich mindestens 17 Einheiten – doch richten bereits wesentliche geringere Mengen bis dahin ganz andere gesundheitliche Schäden an (FITBOOK berichtete).
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Alkohol lässt schneller altern – mit verheerenden Folgen
„Unsere Ergebnisse stützen die Vermutung, dass Alkohol schneller altern lässt“, so Studienleiterin Dr. Anya Topiwala. Verkürzte Telomere sind vermutlich ein wesentlicher Risikofaktor, schwere altersbedingter Krankheiten zu begünstigen.“ Alkohol greift also tatsächlich direkt in die Gene ein, unabhängig von anderen Faktoren. Für die Wissenschaftlerin ist diese Erkenntnis besonders für klinische Belange wichtig, denn das berühmte Gläschen in Ehren scheint diesbezüglich keinerlei negative Auswirkungen zu haben.
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Welchen Mechanismus Forscher dahinter vermuten
Alkohol ist ein Zellgift. Demnach sorgen kleine und erst recht größere Mengen für oxidativen Stress und Entzündungen. Das passiert auch, wenn der Körper Alkohol abbaut, also dabei ist, wieder nüchtern zu werden. So kann auch der Entgiftungsprozess dazu beitragen, dass die DNA langfristig geschädigt wird, vermuten die Forscher. Für Dr. Richard Piper, Geschäftsführer von „Alcohol Change UK“ ist die neue Studie ein weiterer wichtiger Puzzlestein in der Alkoholforschung: „Die Untersuchung zeigt klare Zusammenhänge zwischen Alkohol und Altern und trägt dazu bei, besser zu verstehen, wie genau Alkohol so viele Krankheiten und so viele frühe Todesfälle verursacht.“
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Quellen
- 1. Vaiserman A., Krasnienkov D. (2021). Telomere Length as a Marker of Biological Age: State-of-the-Art, Open Issues, and Future Perspectives. frontiers.
- 2. Haycock P.C., Hemani G., Aviv A. (2017). Telomere Length and Risk of Cancer and Non-neoplastic Diseases: Is Survivin the Ariadne’s Thread?—Reply. JAMA Oncology.
- 3. Scheller Madrid A., Rasmussen K.L., Rode L. et al. (2019). Observational and genetic studies of short telomeres and Alzheimer’s disease in 67,000 and 152,000 individuals: a Mendelian randomization study. European Journal of Epidemiology.
- 4. Topiwala A, Taschler B, Ebmeier KP et al. (2022): Alcohol consumption and telomere length: Mendelian randomization clarifies alcohol’s effects, Molecular Psychiatry.
- 5. University of Oxford (2022): Genetic study provides evidence that alcohol accelerates biological aging