14. März 2020, 4:34 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Ob Sportler, Models oder Schauspieler. Sie setzen auf Kryotherapie und frieren für einen strafferen Körper und gesunde, leistungsfähige Muskeln. Cristiano Ronaldo soll sogar eine eigene Kältekammer besitzen und dreimal täglich freiwillig bibbern. Doch was genau verbirgt sich eigentlich dahinter? Bringt es tatsächlich etwas? Und wie fühlt es sich an? FITBOOK hat es ausprobiert und mit Experten gesprochen.
Kryotherapie (Kryos, griechisch für Kälte) bedeutet nichts anderes, als den Körper Temperaturen unter dem Gefrierpunkt auszusetzen. Es gibt mittlerweile verschiedene Anwendungen, die sogenannte „Eis-Box“ ist eine davon. Dabei handelt es sich um eine Kammer, die mithilfe von Stickstoff auf bis zu minus 180 Grad Celsius abgekühlt wird. Manche sprechen in diesem Zusammenhang auch von Kryo- oder Eissauna.
Sie verspricht einen Kalorienverbrauch von bis zu 800 Kalorien in nur drei Minuten (Preis: ca. 40 Euro pro Sitzung), eine bessere Durchblutung der inneren Organe und Muskelgruppen sowie einen positiven Effekt auf die Blutgefäße und Venen. Außerdem soll sie bei der Körperstraffung unterstützen und bei Cellulite helfen, einen Anti-Aging-Effekt haben und eine bessere Regeneration nach intensiven Sporteinheiten fördern. Unter anderem wird die Eissauna auch zur Entzündungshemmung und Schmerztherapie, zum Beispiel bei Prellungen, Hautekzemen und rheumatischen Erkrankungen eingesetzt.
Wie fühlt sich die Kältekammer eigentlich an?
Ich muss zugeben, ich war etwas nervös vor meinem Selbstversuch. Die Vorstellung, mich nur mit einem Bikini bekleidet drei Minuten lang minus 180 Grad Celsius auszusetzen, war alles andere als schön. Aber was man nicht alles tut.
Mit Handschuhen, Hausschuhen, Stirnband und Mundschutz warte ich darauf, dass es losgeht. Die Kammer ist relativ klein. Man hat aber ausreichend Platz und fühlt sich nicht eingeengt. Bevor es losgeht, darf ich mir noch ein Lied aussuchen. Ich greife zu Deutschrap, in der Hoffnung, dass ich die drei Minuten auch wirklich durchhalte.
Erster Eindruck: Es fühlt sich gar nicht so kalt an
Dann geht es los. Ich steige hinein und die Tür geht zu. Ein großes Fenster ermöglicht das Hinausschauen. Außerdem hat der Mitarbeiter die Möglichkeit, per Gegensprechanlage mit mir zu sprechen. Die Musik ist laut, dann geht es los. Ich spüre, wie nach und nach die Kälte in die Kammer strömt. Ich bin erstaunt: Es fühlt sich gar nicht mal so kalt an. Der Mitarbeiter hatte mir aber vorher schon erklärt, dass sich eine eiskalte Dusche in der Regel kälter anfühle. In der Kältesauna handelt es sich nämlich um trockene Kälte. Sie wird anders wahrgenommen als eine eiskalte Dusche.
Gänsehaut am ganzen Körper, aber hellwach
Halbzeit – fast geschafft! In der letzten Minute fangen Po und Oberschenkel an zu kribbeln, die Kälte wird stechend. Das ist völlig normal, denn hier sitzt bei Frauen nun mal das meiste Fett, wird mir im Nachhinein erklärt. Perfekt! Immer schön ran an das Fett, denke ich mir und beiße die Zähne zusammen.
Als sich nach drei Minuten die Tür öffnet, bin ich erleichtert. Ich habe Gänsehaut am ganzen Körper, fühle mich aber fit und hellwach. Ich merke, wie mein Körper arbeitet.
Für die nächsten Stunden sollte man den Gang zur Sauna meiden und viel Flüssigkeit zu sich nehmen, damit der Körper entschlacken kann.
Ich fühle mich frisch und entspannt. Meine Rückenschmerzen, die mich seit einer Woche quälten, sind zwei Tage später weg.
Was sagen Experten zur Kryotherapie?
FITBOOK hat Enrico Zessin, Arzt in Weiterbildung für Innere Medizin und Sportmedizin, Diplom-Biologe und Teil der „Kraft Runners“, nach seiner Einschätzung zur Kältekammer gefragt. Ihm zufolge wird die Kryotherapie in der Medizin seit mehr als 35 Jahren in der Behandlung von Schmerzen und Entzündungsreaktionen vor allem bei rheumatischen Erkrankungen angewendet. Dieser Effekt werde auch bei Sportverletzungen (lokale Kühlung) und in neuerer Zeit zur Regeneration bei (Leistungs-)Sportlern eingesetzt. Die Ganzkörper-Kryotherapie werde in der Regel in Kaltwasser- oder Eisbädern durchgeführt (kostengünstig) oder aber mit moderner Technik in den oben beschriebenen Kryokammern.
Verbrennt die Kältekammer effektiv Kalorien?
Laut Zessin erfolgt die Kalorienverbrennung „eher indirekt“ und nicht während der Kryotherapie. „Durch den starken Temperaturwechsel wird der Stoffwechsel gesteigert und unter anderem das Immunsystem angeregt“, so der Experte. Beides koste den Körper viel Energie und damit Kalorien. „Dieser Effekt wirkt bis zu ein paar Stunden nach der Kälteanwendung nach“ und könne in Kombination mit Sport und ggf. einer passenden Diät den Fettabbau unterstützen.
Allerdings ist eine Sitzung nicht ausreichend. „Für einen langanhaltenden Effekt sollte die Anwendung regelmäßig erfolgen, da der Körper – ähnlich wie beim Sport – sich auf die Kältebelastung einstellt und eine Art Trainingseffekt entsteht“, so Zessin zu FITBOOK. Der Stoffwechsel und damit der Energieverbrauch würden sich bei regelmäßiger Anwendung steigern. Enrico Zessin weist aber darauf hin, dass man einen ähnlichen Effekt auch mit Sauna und Tauch- bzw. Eisbad erzielen könne.
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Bringt die Kryotherapie auch etwas für Nicht-Athleten?
Neben der Kalorienverbrennung werde durch die Kältekammer auch das Immunsystem stimuliert, erklärt Zessin. Das fördere somit die Gesundheit. „Zusätzlich soll es nach der Kälteanwendung zur Ausschüttung von Endorphinen, körpereigenen Glückshormonen, kommen. Dies kann u. a. depressiven Verstimmungen entgegenwirken.“
Zudem komme es durch die starke Durchblutung nach der Kälte zu einem gesteigerten Transport von sauerstoffreichem Blut sowie Nährstoffen, Immunzellen und Hormone in die Muskeln und das Bindegewebe. „Dies bewirkt eine schnellere Regenerierung und Heilung“, so Zessin zu FITBOOK. Eine regelmäßige morgendliche Wechseldusche (warm/kalt) sei von gleichem Nutzen. „Cellulite wird damit wohl aber nicht weggehen, da ist Sport noch immer der bessere Weg.“
Für wen eignet sich die Kryotherapie am meisten?
Von der medizinischen Anwendung abgesehen, sieht Enrico Zessin vor allem für ambitionierte Sportler bzw. Leistungssportler den größten Nutzen der Kältetherapie. Grund: Sie hätten häufiger sehr belastende Trainingseinheiten und relativ wenig Zeit für Regeneration. „Hier liegen die Vorteile wie verkürzte Regenerationszeit, Minderung von Muskelkater, Entzündungshemmung, Schmerzreduktion, weniger Müdigkeit und Steigerung der Schnellkraft auf der Hand.“
Hobbysportlern und anderen Nutzern rät Zessin, der selbst intensiv Ausdauersport betreibt, dringend, auf gesundheitliche Risiken zu achten. Dazu gehören: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma, Durchblutungsstörungen sowie akute Infekte etc.
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Warum ist die Eissauna gerade so angesagt?
Der große Vorteil der Kältekammer sei, dass es schnell gehe, erklärt Zessin. „Man braucht kein Equipment und muss anschließend nicht duschen. Der Kälteschock sei auch weniger unangenehm als bei Kaltwasser-/Eisbädern. „Zudem ist ein Effekt unmittelbar spürbar – man fühlt sich erfrischt und muskulär entspannt.“ Etwaige Beschwerden würden gelindert.
„Vor allem die kürzere Regenerationszeit und die Steigerung der (mittelfristigen) Schnellkraft macht diese Anwendung für Athleten interessant.“ Und auch der schmerzlindernde und entzündungshemmende Effekt sei nicht zu verachten, da Athleten nicht selten auch trainingsassoziierte Beschwerden hätten.
„Natürlich würde ein Eisbad einen vergleichbaren Effekt haben, nur sieht eine Kältekammer besser aus, lässt sich (z. B. bei Social Media) besser präsentieren und ist aufgrund der Kosten eben etwas ’special‘ – so wie Athlet dann eben auch.“