22. September 2021, 4:40 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Bewegung ist gut für die Fitness – und gesund. Doch nun fand eine Studie heraus, dass körperliche Aktivität offenbar paradoxerweise das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen kann.
Ob Laufen, Fußball, Tanzen oder Kraftsport – wenn man erst mal seinen Lieblingssport gefunden hat, macht Training richtig Spaß. Und was noch viel wichtiger ist: Es steigert die Fitness und hält gesund. So kann Sport vor Fettleibigkeit, Diabetes und auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen. Doch kann Bewegung auch gefährlich werden? Eine südkoreanische Studie ging jetzt einem möglichen Zusammenhang von Sport und Kalziumablagerungen in den Herzkranzgefäßen nach. Mit dem Ergebnis: Körperliche Aktivität kann womöglich auf eine bestimmte Weise das Risiko erhöhen, einen Herzinfarkt zu erleiden.
Übersicht
Arterienverkalkung bei körperlich sehr aktiven Menschen beobachtet
Obwohl Bewegung eigentlich in allen Lebenslagen empfohlen wird, fiel auf, dass Menschen, die körperlich sehr aktiv sind, ein hohes Maß an Plaque in ihren Arterien aufweisen. Arterienverkalkung, gemessen als sogenannter CAC-Score, gilt als Richtschnur für die Vorhersage von Herzproblemen. An der Menge der Verkalkung bzw. der Kalziumablagerungen orientieren sich Mediziner, um bei ihren Patienten Herzinfarkte und Schlaganfälle zu vermeiden oder zu behandeln. Ist viel Sport also eher schlecht für die Arterien- und die damit verbundene Herzgesundheit? Genau dieser Frage wollten südkoreanische Forscher auf den Grund gehen.
Auch interessant: Was sind die Gründe für Herzprobleme bei fitten Sportlern?
Studie mit 25.485 Probanden
Dafür werteten die Wissenschaftler die Daten gesunder Erwachsener ab 30 Jahren aus, die sich im Rahmen der „Kangbuk Samsung Health Study“ zwischen 2011 und 2017 regelmäßig untersuchen ließen. Bei jedem Gesundheitscheck, der in Gesundheitszentren in Seoul und Suwon gemacht wurde, füllten die Teilnehmer Fragebogen aus. Darin machten sie Angaben zu ihrer medizinischen und familiären Vorgeschichte, zu ihrem Lebensstil und Bildungsstand. Darüber hinaus wurden auch das Gewicht (BMI), Blutdruck und Blutfette ermittelt. Die körperliche Aktivität erfassten die Forschenden in einem extra Fragebogen. Auf dieser Grundlage wurden die Probanden in folgende drei Kategorien eingeteilt:
- inaktiv
- mäßig aktiv
- sehr aktiv (intensiv, gesundheitsfördernd)
Von den 25.485 Probanden waren etwa 47 Prozent inaktiv, 38 Prozent mäßig aktiv und 15 Prozent sehr aktiv. Letzteres bedeutete, dass die Teilnehmer ein Aktivitätslevel aufwiesen, der einem täglichen 6,5-Kilometer-Lauf gleichkam. Diejenigen, die sich mehr bewegten, waren tendenziell älter und rauchten seltener als die weniger körperlich aktiven Teilnehmer. Sie hatten auch einen niedrigeren Gesamtcholesterinspiegel, dafür aber mehr Bluthochdruck und bereits Anzeichen von Kalkablagerungen in den Herzkranzgefäßen. Mithilfe regelmäßiger Scans behielten die Wissenschaftler die Entwicklung und/oder das Fortschreiten der Arterienverkalkung im Auge.1
Auch interessant: Zwei Portionen Fisch pro Woche können vor weiterem Infarkt schützen
Zusammenhang zwischen Bewegung und Plaque in den Herzkranzgefäßen
Die Auswertung der Daten zeigte einen abgestuften Zusammenhang zwischen dem Grad der Bewegung und der Verkalkung der Herzkranzgefäße. Das heißt, eine höhere körperliche Aktivität war mit einem schnelleren Anstieg der CAC-Werte verbunden, sowohl bei denjenigen, die zu Beginn des Beobachtungszeitraums keine Kalkablagerungen aufwiesen, als auch bei denjenigen, die bereits erste Anzeichen dafür gezeigt hatten.
Im Vergleich zu den Inaktiven betrug der geschätzte Fünf-Jahres-Durchschnitt des Anstiegs der CAC-Werte bei mäßig und intensiv aktiven Teilnehmern 3,20 bzw. 8,16 – selbst nach Berücksichtigung potenziell einflussreicher Faktoren wie BMI, Blutdruck und Blutfette.
Auch interessant: Fußballschauen kann laut Studie Risiko für Herzinfarkt erhöhen
Kann körperliche Aktivität also sogar zu Herzinfarkt führen?
Da das Maß der Arterienverkalkung als Indikator für Herzerkrankungen gilt, scheint die Studie darauf hinzudeuten, dass intensivere körperliche Aktivität einen Risikofaktor für Herzinfarkte begünstigt. Doch warum verstärkt viel Bewegung die Kalziumablagerung in den Gefäßen? Eine mögliche Erklärung der Wissenschaftler lautet: Körperliche Aktivität könne die Atherosklerose (Verkalkung der Arterien) durch mechanische Belastung und Verletzung der Gefäßwände sowie durch die von ihr ausgelösten physiologischen Reaktionen verstärken. Zu diesen zählten z. B. der Anstieg des Blutdrucks und der Nebenschilddrüsenhormone. Zusätzlich könne Bewegung die Wirkung von Ernährung, Vitaminen und Mineralien verändern.
Auch interessant: Kann man für das Herz-Kreislauf–System auch zu viel trainieren?
Eine andere Möglichkeit sei, dass körperliche Aktivität zwar die CAC-Werte erhöhen kann, ohne dass dies einen Einfluss auf das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie u. a. Herzinfarkte habe. Dass Sport generell einen positiven Einfluss auf das Herz hat, haben schließlich unzählige Studien bereits belegen können.2
Fazit
Da es sich bei der südkoreanischen Studie um eine Beobachtung handelt, können keine Aussagen zur Kausalität gemacht werden. Weder dazu, warum genau Sport zu den Verkalkungen führt, noch dazu, inwieweit diese Verkalkungen am Ende wirklich einen Herzinfarkt auslösen. Dazu bedarf es weiterer Forschung. Gleichzeitig sind die CAC-Werte aber so stark mit der Beurteilung der Herzgesundheit verknüpft, dass die Forscher es als wichtig erachten, dass Mediziner die Ergebnisse der Studie kennen.
Neue Studie Ein unerwarteter Faktor beeinflusst das Risiko für Arterienverkalkung
Studie Erhöhtes Schlaganfallrisiko! Wer nicht zu intensiv trainieren sollte
Hoffnung für Betroffene Forscher finden möglichen Weg für Behandlung von Arteriosklerose
Quellen
- 1. Sung KC, Hong YS, Lee JY et al. (2021). Physical activity and the progression of coronary artery calcification. Heart
- 2. Lear SA, Hu W, Rangarjan S. et al (2017). The effect of physical activity on mortality and cardiovascular disease in 130 000 people from 17 high-income, middle-income, and low-income countries: the PURE study. The Lancet