21. Juli 2023, 20:25 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Man kann den Körper von Kohlenhydrat- auf Fettstoffwechsel umprogrammieren. Dieser Zustand kann nicht nur beim Abnehmen helfen, sondern auch weitere Vorteile bringen. FITBOOK erklärt, was genau „Fettstoffwechsel“ bedeutet, wie die Umstellung gelingt – und auch, wer aus gesundheitlichen Gründen davon Abstand nehmen sollte.
Kennt man: Menschen greifen zum Beispiel zu Traubenzucker, wenn sie ad hoc Leistung abrufen wollen. Tatsächlich benötigt der Körper aber nicht nur für zusätzliche Anforderungen Energie, sondern ständig: für sämtliche Zellprozesse und Organfunktionen. Man müsste also immer wieder über die Nahrung Kohlenhydrate zuführen, aus denen der Körper den nötigen Fruchtzucker beziehen kann. Anders verläuft das Ganze bei Menschen mit einem Fettstoffwechsel. Wir erklären, was das bedeutet und mit welchen Maßnahmen man seinen Stoffwechsel umprogrammieren kann.
Übersicht
Was bedeutet Fettstoffwechsel?
Beim Fettstoffwechsel greift der Körper nicht mehr auf Kohlenhydrate und Zucker zurück. Die Zellen beziehen die benötigte Energie aus Fettzellen und sogenannten Ketonkörpern. Diese befinden sich nur dann im Blut von Menschen, wenn diese ihre Stoffwechselprozesse erfolgreich umgestellt haben und in den Zustand der Ketose gekommen sind. Diese Umstellung auf den Fettstoffwechsel kann bei einem Abnehmwunsch förderlich sein.
Der Fettstoffwechsel soll aber nicht nur ästhetische Vorteile bringen. Vielmehr verfolgt man damit nachhaltigere gesundheitliche Ziele. So beschäftigt sich die Wissenschaft viel mit Ketose im Zusammenhang mit Krankheiten. Das bestätigte im Gespräch mit FITBOOK etwa Professor Nicolai Worm, Diplom-Ökotrophologe und Autor aus München: „Es ist kein Zufall, dass sich weltweit immer mehr Forscher dafür interessieren, ob und inwieweit eine ketogene Diät bei Alzheimer, Multiple Sklerose und Parkinson helfen kann.“ Erste positive Ergebnisse konnte die Forschung auch schon aufzeigen. „Am besten belegt ist der hervorragende Effekt bei der Behandlung von Diabetes Typ 2“, erklärte Prof. Worm.
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Wie kann man seinen Stoffwechsel umprogrammieren?
Ein Fettstoffwechsel stellt sich einerseits bei Menschen ein, die schon länger ketogen leben. Die ketogene Ernährungsweise beinhaltet vordergründig Fette, dicht gefolgt von tierischen oder pflanzlichen Proteinlieferanten. Wir erklären es gleich noch genauer.
Das Wichtigste dabei: Kohlenhydrate sehr reduziert aufzunehmen. Was im Rahmen einer klassischen No- oder Low-Carb-Diät schnelle Abnehmerfolge bringen kann, soll in dem Fall etwas Langfristiges bewirken: Durch das Fehlen jener Kohlenhydrate, die der Körper vermeintlich so dringend braucht, suchen sich die Zellen alternative Energiequellen – eine Möglichkeit, in die Ketose (Fettstoffwechsel) zu kommen.
Des Weiteren kann man den Zustand der Ketose, übrigens auch als Hungerstoffwechsel bekannt, durch gezieltes Fasten erreichen. Durch lange Phasen, in denen nichts gegessen wird, lernt das zentrale Nervensystem ebenfalls, seinen Energiebedarf zum Großteil über besagte Ketonkörper zu decken. Die letzte Möglichkeit: viel Sport treiben! FITBOOK erklärt es im Folgenden genauer.
Tipps, um seinen Kohlenhydrat- in einen Fettstoffwechsel umzuprogrammieren
1. Beginnen Sie, sich ketogen zu ernähren
Klassische „Sättigungsbeilagen“ wie Nudeln, Kartoffeln und Reis haben auf dem Ernährungsplan nichts mehr verloren. Erlaubt sind stattdessen kohlenhydratarme Gemüsesorten und Salat, und der Fokus liegt wie gesagt auf Eiweiß- und Fettlieferanten.
Es kann einige Wochen dauern, bis der Körper anfängt, Ketone zu produzieren und auf Fettstoffwechsel umzustellen – zumindest, wenn man behutsam vorgeht. Je drastischer man Kohlenhydrate vom Speiseplan streicht, desto schneller kann es unter Umständen gehen. Führt man sich täglich nur noch etwa 25 Gramm Kohlenhydrate zu, ist das Zwischenziel auch nach ein paar Tagen erreichbar. Allerdings sind auf diese Art auch Gemüsesorten verboten, die im Rahmen einer gesunden, ballaststoffreichen Ernährung nicht fehlen sollten. Und: Von jetzt auf gleich so radikal zu sein, ist auch schwerer durchzuhalten.
„Achtung „vor der „Keto-Grippe“
„„Nicht zu unterschätzen ist aber, dass eine schnelle Umstellung des Stoffwechsels auch mit kurzfristigen Nebenwirkungen einhergehen kann. Das habe auch ich erlebt, als ich vor einigen Jahren meine Ernährung auf ketogen umgestellt habe. Ein Phänomen, das auch als „Keto-Grippe“ oder „Zucker-Entzug“ bekannt ist. Auf die Ernährung mit wenig Kohlenhydraten und deshalb auch mit wenig Zucker muss sich der Körper erst einmal einstellen. In meinem Fall führte das dazu, dass ich mich in der ersten Woche ein paar Tage schlapp und müde fühlte und mir manchmal auch leicht übel wurde. Von anderen Ketariern weiß ich, dass man tatsächlich Grippe ähnliche Symptome erleben kann, z. B. Husten, Schnupfen, Kopf- und Gliederschmerzen. Wie stark die „Keto-Grippe“ ausfällt, hängt u. a. damit zusammen, wie wie viel Zucker man vor der Umstellung zu sich genommen hat – wie gravierend also der Zucker-Entzug für den Körper ist.““– Melanie Hoffmann, Redakteurin bei FITBOOK
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2. Trainieren Sie nach Plan
Sport kann dabei helfen, den Kohlenhydrat- in einen Fettstoffwechsel umzuwandeln. Das sollte niemanden überraschen – schließlich ist die Muskulatur unmittelbar an der Fettverbrennung beteiligt. Mit der Muskelmasse steigt auch der tägliche Kalorienumsatz – schlichtweg deshalb, weil mehr Zellen vorhanden sind, die auch im Ruhezustand Energie verbrennen.
Untrainierte, die sich eine Stoffwechselumprogrammierung vorgenommen haben, erzielen mit Belastungsintensitäten bei 45 Prozent der Maximalleistung die besten Ergebnisse. Das zeigen mehrere sportwissenschaftliche Studien auf, u. a. eine Arbeit zum Thema Fettstoffwechsel am Sportmedizinischen Zentrum der Medizinischen Hochschule Hannover und des Agnes-Karll-Krankenhauses Laatzen.1 Alternativ werden Anfängern Einheiten bei 60 Prozent der maximalen Herzfrequenz empfohlen.
Geeignete Sportarten sind ausdauer- und kraftorientiert (z. B. Fahrradfahren, Rudern, Laufen bzw. Gehen mit Steigung und Walking), bei denen entsprechende Herzfrequenzbereiche einfach erreicht werden können soll.
Natürlich sind Bewegung und Sport quasi immer gesundheitsförderlich. Wem es jedoch um das Erreichen eines Fettstoffwechsels geht, bei dem spielt die Trainingsintensität eine wesentliche Rolle. Experten empfehlen hochintensive Intervalle (wie beim HIIT) und warnen vor wenig fordernden (sprich: Low-Intensity-) Workouts, welche im Körper Anpassungsprozesse und das Gegenteil des gewünschten Effekts anstoßen können: eine Ökonomisierung des Stoffwechsels, der dadurch langsamer arbeiten würde.
3. Intermittierendes Fasten
Intermittierendes Fasten (auch: Intervallfasten) hat sich vom vermeintlichen Trend zur festen Gewohnheit vieler gesundheitsbewussten Menschen etabliert. Im Gespräch mit FITBOOK haben bereits diverse Experten bestätigt, darunter der Hamburger Ernährungsmediziner Dr. med. Matthias Riedl, dass strikt eingehaltene Essenspausen den gesamte Organismus entlasten und sich dadurch der Stoffwechsel sowie die Organe erholen können.
Gleichwohl kann intermittierendes Fasten dabei helfen, schneller seinen Stoffwechsel umzustellen. Das bestätigte uns auch Diplom-Ernährungswissenschaftler Prof. Nicolai Worm. Die langen Zeiten, in denen dem Körper die Energie von außen verweigert wird, lehren ihn, sich an den eigenen Fettspeichern zu bedienen.
Es gibt u.a. die Möglichkeiten des 16:8-Intervallfastens (= 16 Stunden fasten, acht Stunden lang essen), die „Warrior-Diät“, die täglich nur vier Stunden lang Nahrungszufuhr erlaubt, und noch einige mehr, von denen längst nicht alle empfohlen sind. Die verschiedenen Intervallfasten-Methoden haben wir hier gesammelt.
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4. Essen Sie das Richtige
Wenn dann gegessen wird, glauben viele Menschen, dass es im Rahmen einer ketogenen viel Fleisch sein muss. Das ist aber offenbar nicht ganz richtig.
„Besonders wichtig sind hochwertige Pflanzenfette, beispielsweise aus Avocados oder Oliven.“ Das erklärt im Gespräch mit FITBOOK Diplom-Ökotrophologe Andrea Ciro Chiappa, der selbst seit Jahren in Ketose lebt. Auch von hochwertigem Raps-, Walnuss- oder Leinöl kann man fast nicht zu viel zu sich nehmen.“ Laut Chiappa fließt der Großteil davon in die Aufrechterhaltung der Zellmembranen und versorge das Hirn. Zudem wirken ungesättigte Fettsäuren entzündungshemmend.
Ketone im Blut ermitteln
„Sie können selbst herausfinden, ob Ihre Bemühungen sich ausgezahlt haben. Dafür gibt es in der Apotheke sogenannte „Ketostix-Teststreifen“ zur Urinanalyse. Diese schlagen aus, wenn sich bei Ihnen Ketonkörper gebildet haben.“–
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Fettstoffwechsel nicht für jeden zu empfehlen
Wichtig: So viele gesundheitliche Vorteile ein Fettstoffwechsel vermeintlich bringen kann – ihn einzustellen, ist harte Arbeit. Diese sollten Menschen mit Vorerkrankungen (z. B. des Stoffwechsels, der Galle oder des Herzens) nicht auf sich nehmen. Zudem gibt es verschiedene Wissenschaftler, die grundsätzlich vor etwaigen Risiken einer ketogenen Ernährung warnen. Tatsächlich kann man dabei auch einiges falsch machen.
Bevor Sie sich dazu entscheiden, zu fasten oder Ihre Ernährung drastisch umzustellen, bitte immer Rücksprache mit einem Arzt halten.
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Quelle
- 1. Sportmedizinisches Zentrum, Medizinische Hochschule Hannover und Agnes-Karll-Krankenhaus Laatzen. Fettstoffwechsel, Gewichtsreduktion und körperliche Aktivität. (aufgerufen am 21.7.2023)