10. Mai 2023, 9:01 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
In „Queen Charlotte: A Bridgerton Story“, dem Prequel der erfolgreichen Serie „Bridgerton“ steht die Geschichte von Königin Charlotte und ihrer Ehe mit König George im Zentrum. Und diese ist von großen Dramen geprägt, denn den König plagt eine mysteriöse Krankheit. FITBOOK hat recherchiert, um welche es sich handeln könnte und auf welcher historischen Figur der Seriencharakter basiert.
Schon in den ersten zwei Staffeln der Original-Serie „Bridgerton“ wurde in den wenigen Szenen, in denen König George III. kurze Auftritte hatte, deutlich, dass er an einer ernsthaften Krankheit zu leiden scheint. Er wirkte verwirrt und nicht Herr seiner Sinne. Im Prequel „Queen Charlotte: A Bridgerton Story“ ist sein gesundheitlicher Zustand und der Umgang damit zentrales Element der Geschichte. Doch woran leidet König George III., gespielt von Corey Mylchreest, eigentlich? Und ist belegt, dass der echte König George III. von England im 18. Jahrhundert auch erkrankt war?
Übersicht
Symptome, die König George III. in „Bridgerton“ zeigt
Während die zwei Staffeln von „Bridgerton“ kleine Hinweise darauf gaben, dass der Monarch im höheren Alter sein Gedächtnis verliert und selbst ihm nahestehende Menschen wie seine Frau Königin Charlotte nicht erkennt, zeigt das Serien-Prequel nun seinen Zustand in jungen Jahren. Den Zuschauern wird nach und nach offenbart, an welchen Beschwerden der zunächst charmante und kerngesunde junge König im Geheimen leidet.
Spoiler: Einige der genannten Symptome tauchen erst in späteren Folgen der Mini-Serie auf
Seriendarsteller Mylchreest verkörpert das Leiden sowohl mit subtilen Anzeichen wie zitternden Händen, Zucken im Gesicht und augenscheinlichen Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Auch launenhaftes Verhalten sowie Wutausbrüche sind Teil des in der Serie dargestellten Krankheitsbildes. Im späteren Verlauf der Mini-Serie kann König George III. zeitweise Realität nicht mehr von Illusion oder Traum unterscheiden, wobei er zum Teil noch bewusst merkt, wie ihm die Realitätswahrnehmung entgleitet. Er selbst erwähnt zudem „diese Stimmen in meinem Kopf“, die nicht mehr weggehen würden.
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Auf dieser historischen Figur beruht König George III. aus „Bridgerton“
König George III. von England, der in der „Bridgerton“-Welt in älterer Version von James Fleet und in jüngerer Version von Corey Mylchreest gespielt wird, gab es wirklich. Er lebte von 1738 bis 1820 und regierte Großbritannien und Irland von 1760 bis zu seinem Tod. Wobei in den letzten zehn Jahren sein Sohn die Regierungsgeschäfte übernehmen musste – weil der Monarch schwer erkrankt war.
Der „verrückte König George“
In die Geschichte ging der Monarch als „mad King George“ (dt. verrückter König George) ein, was Historiker mittlerweile darauf zurückführen, dass er an mentalen Beschwerden, womöglich einer psychischen Krankheit, litt. Auf der Webseite „Historic Royal Palaces“ ist die Rede davon, dass sich König Georges Zustand in seinen 40er-Jahren drastisch verschlechterte. Wurde er als junger Mann nur ab und an auffällig und jähzornig, wurde in dieser Lebensphase deutlich, dass der König schwer erkrankt war. „George erfreute sich einer robusten Gesundheit, lebte gerne im Freien und war ein Workaholic. Als die Krankheit ausbrach, litt er unter Magenbeschwerden, entwickelte einen rasenden Stoffwechsel und wurde sogar delirant. Im Herbst wurde sein Verhalten sehr unruhig und er begann, in hohem Tempo Unsinn zu reden. Die Minister zogen ihn aus der Öffentlichkeit nach Kew ab“, beschreiben die Palastexperten den Übergang der Regierung von König George zu seinem Sohn, den Prince of Wales, und späteren George IV.
Welche Krankheiten vermuten Historiker bei George III.?
In der modernen Wissenschaft beschäftigt man sich schon lange mit dem Rätsel um das oder die Leiden von George III. Eine Review vorhandener Studien aus dem Jahr 2011 hat zusammengefasst, was über den Verlauf der Beschwerden sowie möglicher Ursachen bekannt ist. Nach 1801 bis zu seinem Lebensende erlitt der Monarch vier schwere Episoden mentaler Beschwerden (wahrscheinlich aufgrund bipolarer Störung).1
König Georges Krankheitsverlauf
- 1756 (im Alter von 27 Jahren)
Januar bis Juni: König leidet unter chronischen Brustinfektionen. Aus heutiger Sicht stellte sich die Frage nach möglichen mental Beschwerden (subklinische Depression?). - 1788 (im Alter von 50 Jahren)
Juni: Obstruktive Gelbsucht (womöglich aufgrund von Gallensteinen?)
Juli bis August: Genesung in Cheltenham (vermutlich litt George III. an der Hypomanie, einer Form von Manie)
Oktober: schwere psychotische Erkrankung (akute Manie), die erst im März 1789 abklingt - 1759 (im Alter von 57 Jahren)
Dezember: schwerer Gallenanfall - 1801 (im Alter von 62 Jahren)
Januar bis Juni: Symptome einer bipolaren Störung - 1804 (im Alter von 65 Jahren)
Februar bis Juli: Wiederauftreten der bipolaren Störung - 1804 bis 1808 (im Alter von 65 bis 69 Jahren)
Fortschreitender Verlust des Sehvermögens - 1810 bis 1820 (im Alter von 72 bis 81 Jahren)
Oktober: Anhaltender Rückfall der bipolaren Störung mit fluktuierender chronischer Manie und möglicher Demenz
Verbreitete Meinung: König George III. litt an akuter Porphyrie
Akute Porphyrien entstehen aufgrund von Mangel bestimmter Enzyme im Körper und lösen Anfälle abdominaler Schmerzen und neurologische Symptome aus. Eine Diagnose ist selbst in der modernen Medizin schwierig, weil die Anzeichen anderen Krankheitssymptomen sehr ähnlich sein können – etwa diversen Bauchbeschwerden oder auch neurologischen oder psychiatrischen Störungen.2 Dennoch kam in der Forschung im Rückblick auf die historische Figur König George III. die Annahme auf, er habe daran gelitten.
In der erwähnten Studien-Review zum Krankheitsbild von König George III. wird die Annahme der akuten Porphyrie damit erklärt, dass das Psychiater-Mutter-Sohn-Duo Ida Macalpine und Richard Hunter in einer entsprechenden Veröffentlichung 1963 einige wichtige Symptome ignoriert habe.3 „Sie stützten ihre Diagnose der akuten Porphyrie auf die folgenden Merkmale der Krankheiten des Königs: Muskelschwäche, Blindheit, Heiserkeit der Stimme, obstruktive Gelbsucht, Bauchschmerzen und verfärbter Urin. Diese Merkmale wurden an anderer Stelle ausführlich erörtert, und es ist klar, dass ihre Interpretation als Diagnose der akuten Porphyrie irreführend war und einige Interpretationen an Betrug grenzen. Es ist bemerkenswert, dass Macalpine und Hunter als Psychiater den geistigen Zustand des Königs während dieser vier großen Episoden offenbar nicht berücksichtigt haben“, heißt es in der Analyse, die 2011 im Fachmagazin „Clinical Medicine“ veröffentlicht wurde.
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Heute gilt als wahrscheinlicher, dass König George III. an einer bipolaren Störung litt
Die Annahme, dass akute Porphyrie hinter König Georges am Ende äußerst schweren Symptomen steckte, hält der Review-Autor für überholt und widerlegt: „So haben neuere Forschungen ergeben, dass wiederkehrende Episoden einer bipolaren Störung eine neurotoxische Wirkung haben und zu Demenz führen können. Dies könnte eine Erklärung für die anhaltende Erkrankung des Königs in seinem achten Lebensjahrzehnt sein. Es gibt immer mehr Belege dafür, dass bipolare Patienten zwischen den Episoden psychologische Folgen haben, wie z. B. ein geringes Selbstwertgefühl und gestörte Beziehungen zu ihren Kindern.“
Fazit
Eindeutig diagnostizieren lässt sich eine Krankheit einer vor Jahrhunderten verstorbenen Person nicht. Allerdings scheinen sich mit den fortschreitenden Erkenntnissen in der Psychologie und entsprechender Störungen und Erkrankungen im Fall von König George III. laut Experten die Anzeichen für eine mentale Erkrankung zu verdichten. Genauer hat sich offenbar die Vermutung durchgesetzt, dass der Monarch eine bipolare Störung hatte. Ein gesundheitlicher Zustand, der von Medizinern zu Lebzeiten des Monarchen, auf dem auch die „Bridgerton“-Figur König George beruht, nicht erkannt wurde. Wie hilflos zu dieser Zeit selbst Ärzte angesichts (aus heutiger Sicht) psychischer Beschwerden waren, zeigt die Serie im Übrigen eindrucksvoll aus verschiedenen Perspektiven – genauso wie die zum Teil brutalen Behandlungsmethoden dieser Zeit, mit denen man betroffene Menschen heilen wollte.
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Quellen
- 1. Peters, T. (2011). King George III, bipolar disorder, porphyria and lessons for historians. Clinical Medicine.
- 2. Bonkovsky, H.L., Rudnick, S.R. Akute Porphyrien. MSD Manual. (aufgerufen am 5.5.2023)
- 3. Hunter R, MacAlpine I. (1963) Three Hundred Years of Psychiatry 1535–1860. London.