11. Oktober 2018, 17:57 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Hochleistungssportler, vor allem aus den Bereichen Fußball und Leichtathletik, erhoffen sich von Kältebädern – in der Fachsprache Kaltwasserimmersion genannt – eine schnellere Regeneration. Wie oft und wie lange man in der „Eistonne“ sitzen – und was genau dadurch im Körper passieren soll? FITBOOK hat beim Experten nachgefragt.
Man hört immer mal wieder, dass Fußballspieler nach einem harten Match in die Eistonne steigen. Die Routine wird nicht zuletzt mit Ex-Nationalkicker Per Mertesacker (34) in Verbindung gebracht: Er hatte sich 2014 nach einem anstrengenden WM-Achtelfinale gegen Algerien in einem legendären Interview für „drei Tage in die Eistonne“ verabschiedet:
Sportler schwören auf das Bad in Eis
Portugal-Star Cristiano Ronaldo (33) soll sogar stolze 45.000 Euro in seine persönliche Kältesauna investiert haben. Man kann aber auch eine gewöhnliche Badewanne nutzen – oder, wie es u.a. die Spieler des FC Arsenal tun, in eine umfunktionierte Mülltonne steigen. Die Absicht zumindest ist bei allen die gleiche: Nach intensiver körperlicher Belastung soll ein Bad in der Eistonne schnell wieder auf die Beine bringen.
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Kaltwasserimmersion: Das soll sie bringen!
„Kältebäder können die Symptome des Muskelkaters reduzieren“, sagt uns Malte Krüger vom Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln. Der Mechanismus: Die Kälteeinwirkung führt dazu, dass sich das Blut konzentriert und sein Volumen sich entsprechend verringert. Bei Wiedererwärmung kommt es zur Verstärkung des Blutstroms, wodurch der Stoffwechsel/Blutkreislauf und entsprechend die Wiederherstellungsprozesse gefördert werden. Zudem schränkt Kälte den Wassereinstrom in die kleinen Mikrorisse ein – jedenfalls, „wenn sie rechtzeitig angewendet wird, also spätestens 30 Minuten nach der Leistungserbringung“, sagt uns Malte Krüger. Haben sie sich mit Flüssigkeit gefüllt, wie es ohne Kälteeinwirkung der Fall ist, sind jene Kleinstverletzungen für den Dehnungs-, beziehungsweise Muskelkaterschmerz verantwortlich.
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Wie geht Eisbaden richtig?
Beinahe jede Art von Behälter, der große Mengen Wasser und einen (oder mehrere) Menschen – zumindest zu einem möglichst großen Teil – fassen kann, ist geeignet. Es macht einen Unterschied, ob man den Kältereiz nur auf die strapazierten Beine (oder Arme) abgeben will oder auf den gesamten Körper. Der Fachmann empfiehlt grundsätzlich, mindestens bis zum Hals in das Kältebad zu steigen, um einen möglichst großen Effekt zu erzielen. Je nachdem, wie professionell man das Kältebaden betreibt, bieten sich spezielle Kältekammern an. Krüger weiß, dass beispielsweise die deutschen Fußballclubs Bayern München und Bayer Leverkusen Kältekammern haben, die sie regelmäßig nutzen. „Hier läuft aber kein Wasser hinein“, räumt er ein. „Stattdessen wird mit Kältestickstoff und Temperaturen um zwischen minus 110 und minus 130 Grad gearbeitet.“
Das „Eis“-baden geht aber auch zu Hause: in der Badewanne. Was direkt aus dem Wasserhahn kommt, entspricht für gewöhnlich der Bodentemperatur auf einem Meter unter der Erde, und das sind in unseren Breitengraden aktuell (Mitte Oktober) etwa 13 bis 15 Grad Celsius. Eiswürfel helfen dabei, die gewünschte Wassertemperatur (zwischen 10 und 13 Grad Celsius) zu erreichen. Will man nun eine etwa halbvolle Badewanne (à ca. 75 Liter) von 15 auf 10 Grad Celsius herunterkühlen, bräuchte man Eis in einer Menge von ungefähr 1,5 Kilogramm*. Mit einer 2-Kilo-Eiswürfel-Tüte von der Tankstelle würde man also schon ziemlich weit kommen.
Hinsichtlich der idealen Applikationstemperatur und -dauer ist sich die Wissenschaft noch nicht einig. Der Experte spricht von zwischen mindestens fünf ( – „hier liegt dann auch wirklich die untere Schmerzgrenze!“) und etwa 15 bis 20 Grad Celsius. Die Kaltwasserimmersion bitte nur dann ausprobieren, wenn Sie wirklich gesund sind! Der Experte empfiehlt, bei der niedrigsten Temperatur einzusteigen, die von Natur aus aus dem Wasserhahn kommt, und für jedes Grad Celsius etwa eine Minute Verweildauer einplanen. Bei 15-Grad-warmem Wasser dürfen es also 15 Minuten sein, bei acht Grad nur noch acht Minuten, und so weiter. Nach und nach dürfe man sich, sprich die Kälte, steigern und Eiswürfel hinzunehmen. Beim ersten Mal wäre es besser, wenn sich noch eine weitere Person im Haus aufhält, „für den sehr unwahrscheinlichen Fall eines Kälteschocks“, sagt uns Krüger. Wer schon öfter sehr kalt geduscht und keine Kreislaufbeschwerden wahrgenommen hat, der sollte aber auch hier keine Probleme bekommen.
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Beim Kältebaden geht es um die Zielsetzung
Durch die Kälteeinwirkung wird NICHT die sportliche Aktivität verbessert, sondern die Schmerzwahrnehmung reduziert. Daran liegt es, dass man im Anschluss wieder richtig lospowern (also: Leistung zeigen) kann.
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„Man muss sich im Klaren darüber sein, was man erreichen will“, weiß der Experte. Unabhängig davon, was in den Muskeln passiert, ist die Kaltwasserimmersion sehr sinnvoll, um den Körper abzukühlen, wenn er heißgefahren ist. Sie verringert die Kerntemperatur, wenn man beispielsweise Fieber und/oder heftigen körperlichen Stress, hinter sich hat. Beispielsweise nach einem Marathon.
Und auch beim Abnehmen soll es helfen. „Wird dem Körper aktiv Wärme entzogen, löst das einen starken metabolischen Reiz aus“, erklärt der Fachmann. Das heißt, „dass viel Energie benötigt wird, damit er sich wieder aufwärmt“, und entsprechend viele Kalorien umgesetzt werden. Begleitend zu sportlicher Betätigung (und entsprechender Ernährung) könnte Kaltwasserimmersion also eine Diät unterstützen.
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Es gibt bereits eine Reihe von Studien, die den regenerationsfördernden Effekt von Kaltwasserimmersionen bestätigen, und nicht bloß Hochleistungssportler schwören darauf. Sehr häufiges Kältebaden sei aber nicht uneingeschränkt zu empfehlen, warnt Krüger: Immerhin verringere man dadurch den Trainingseffekt. Dies wird auch in der Forschung als Nebenwirkung der Kältetherapie herangeführt. Es gebe Sportler, die es täglich tun – allerdings eher zwischen Wettkämpfen. Man ist besser und langfristig fitter dran, wenn man das mit der Kälteapplikation – zumindest in in reinen Trainingsphasen – nicht übertreibt.
* FITBOOK wurde von einem Diplom-Physiker beraten. Wir gehen von der Formel aus, dass die Schmelzwärme von einem Kilo Wasser etwa 333 kj beträgt.