20. Januar 2021, 20:07 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
In keinem anderen Land haben schon so viele Menschen ihre Corona-Impfung bekommen wie in Israel. Auch dort verwenden sie das Mittel von BioNTech/Pfizer. Entsprechend lassen sich erste Beurteilungen zur Wirksamkeit des Vakzins anstellen. FITBOOK hat sich die Situation genauer angesehen.
Israel hat die ersten Corona-Impfungen am 19. Dezember verabreicht, und somit im Vergleich mit bspw. Deutschland gut eine Woche früher. Das Land legte dann unmittelbar ein beachtliches Tempo vor – innerhalb von drei Wochen hatte bereits ein Fünftel der Bevölkerung eine erste Dosis bekommen. Das gilt inzwischen (Stand: 20. Januar) für rund 2,2 Millionen der insgesamt rund 9 Millionen Israelis. 422.000 davon sollen auch bereits die zweite Spritze erhalten haben.
FITBOOK wollte wissen: Was läuft da anders (und vielleicht besser) als in Deutschland?
Übersicht
Wie waren in Israel so viele Corona-Impfungen möglich?
Das Land ist kleiner
Israel ist kleiner und nicht in einzelne Bundesländer mit jeweils eigenen administrativen Strukturen aufgeteilt. Nicht nur bezüglich der Corona-Impfungen bedeutet das flexiblere Abläufe. Und natürlich sind es auch weniger Patienten (als etwa in Deutschland mit rund 83 Millionen Menschen), deren Impfungen koordiniert werden müssen.
Israel hat früh große Mengen Impfstoff gekauft
Es ist bekannt, dass die Regierung zu einem frühen Zeitpunkt größere Mengen des Impfstoffs gekauft hat – und das übrigens zu einem höheren Preis, als ihn alle anderen Länder zahlen.
Verschiedene Medien berichten in diesem Zusammenhang von einem Deal zwischen Israel und dem Hersteller, welcher ebenfalls profitiere. Wie die Tageszeitung „Jedi’ot Acharonot“ berichtet, können BioNTech und Pfizer durch das hohe Tempo der Corona-Impfungen, welches Rekordzahlen hervorbringt, zeitnah und aussagekräftig die Wirksamkeit ihres Mittels überprüfen.
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Schnellere Abläufe dank digitalisiertem Gesundheitssystem
Was sich Deutschland ganz sicher von Israel abschauen kann, ist sein digitalisiertes Gesundheitssystem. Deutschland spürt bereits beim Testen auf das Coronavirus, wie viel Zeit es kosten kann, analog zu arbeiten. Erst kürzlich zeigten die „Tagesthemen“ in einem Bericht die Abläufe in verschiedenen Laboren des Landes. Untersuchungsergebnisse müssen hier noch einzeln per Fax an die Praxen gesendet werden, welche die Proben eingesandt hatten. Jeder Test benötigt daher für mehrere Minuten die volle Arbeitskraft eines Mitarbeiters.
Viel freiwillige Extra-Arbeit
Das Land verfährt bei der Vereinbarung eines Impftermins schneller, und generell – wenn man so will – weniger bürokratisch. Die Öffnungszeiten der Impfzentren sind an den hohen Bedarf angepasst. Das bestätigen auf FITBOOK-Nachfrage verschiedene israelische Staatsbürger, die ihre Impfung bereits erhalten haben.
Daneben ist auch bekannt, dass in Israel pensionierte Ärzte und andere medizinische Hilfskräfte (auch aus der Armee) freiwillig einspringen – teilweise auch über die vereinbarten Arbeitszeiten hinaus. Wie „FAZ“ aus einem Gespräch mit einem Krankenhaus-Direktor aus Tel Aviv berichtet, übernehmen viele Krankenschwestern nach ihren bereits geleisteten Schichten noch eine zusätzliche, um die Corona-Impfung von mehr Menschen zu ermöglichen.
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Aber: Zeigt die Impfung die gewünschte Wirkung?
Allerdings ist parallel zu den Geimpften auch die Zahl an Neuinfektionen in Israel auf einem Rekordhoch. Ex-Militärarzt Nachman Asch, der Corona-Beauftragte des Landes, vermeldete am Dienstag (19. Januar) rund 10.000 neue Corona-Fälle. So viele waren es seit Beginn der Pandemie erst ca. fünf Mal. Dies berichtet das „Ärzteblatt“ unter Berufung auf Angaben des israelischen Gesundheitsministeriums.
Gründe für die hohe Zahl an Neuinfektion sind nicht klar ersichtlich. Das Land befindet sich erneut und bereits mehren Wochen im Lockdown. Tatsächlich dürfen sie sich von zu Hause nur einen Kilometer entfernen. Ob sie sich alle daran halten – oder aufgrund der Impf-Fortschritte womöglich in falscher Sicherheit wiegen? Man kann nur spekulieren.
Dass die Impfung nicht wirkt, bedeutet es jedenfalls nicht. Das würde es nur, wenn unter den Neuinfektionen bereits Geimpfte sind. Zumal man nicht vergessen darf, dass bei einem Großteil der Patienten die zweite Dosis für eine umfassende Corona-Impfung noch aussteht.
Gewisser Infektionsschutz bereits nach erster Impf-Dosis
Und dennoch scheint die Impfung bereits Wirkung zu zeigen – und das schon nach der ersten Spritze. Dies will eine Untersuchung der Krankenkasse Clalit belegen, über die u. a. das „Ärzteblatt“ berichtete.
Demnach hat Clalit 200.000 Menschen über 60, die ihre erste Corona-Impfung bereits erhalten hatten, mit 200.000 gleichaltrigen Nicht-Geimpften verglichen. Sie alle sollen aus unterschiedlichen Gründen einen Corona-Test haben machen müssen – nicht alle von ihnen aufgrund von Symptomen. Jedenfalls seien für die Analyse keine Tests initiiert worden.
Die Auswertung ergab, dass der Anteil an positiv Getesteten unter den (einmalig) Geimpften um 33 Prozent niedriger war als in der Vergleichsgruppe. Bereits zwei Wochen nach der ersten Dosis soll das Vakzin somit einen gewissen Infektionsschutz bewirkt haben.