30. März 2021, 10:27 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wenn Sie in Deutschland zum Arzt gehen, zahlt das im Normalfall Ihre Krankenkasse. Das gilt allerdings nicht bei sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen (kurz: IGeL). Aber wann sind diese überhaupt sinnvoll und was muss man dabei beachten? FITBOOK erklärt, wie Sie als Patient den Überblick im Dschungel der IGeL-Angebote behalten und einer möglichen Kostenfalle entgehen.
Die Abkürzung IGeL steht für so genannte Individuelle Gesundheitsleistungen. Darunter versteht man ärztliche Leistungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden und die man als Patient selbst zahlen muss. Im alltäglichen Sprachgebrauch hat sich deshalb auch der Begriff der Selbstzahlerleistungen eingebürgert.
Übersicht
Wer entscheidet, ob eine Leistung übernommen wird – oder nicht?
Ob die Krankenversicherung die Kosten einer Behandlung übernimmt oder nicht, regelt in Deutschland der G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss der Krankenkassen). Versicherte haben Anspruch auf Leistungen zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten. Die Leistung muss ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Dazu wertet der G-BA wissenschaftliche Studien aus und wägt letztlich Kosten und Nutzen einer Behandlungsmethode ab. Kommt er dabei zu einem negativen Ergebnis, wird die Methode abgelehnt und darf auch nicht auf freiwilliger Basis von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden.
Welches Angebot umfassen die IGeL?
IGeL-Leistungen findet man in den verschiedensten Gesundheitsbereichen: von der Krankheitsfrüherkennung, über Schwangerschaftsmedizin, sportmedizinische Untersuchungen, bestimmte Impfungen bis hin zu Alternativmedizin und Schönheitschirurgie. Schätzungsweise geht man von mehreren hundert Angeboten in Deutschland aus. Eine genaue Übersicht über das gesamte Spektrum gibt es allerdings nicht, der Markt für IGeL wächst seit Jahren stetig. Die angebotenen und abgerechneten IGeL-Leistungen werden allerdings nicht systematisch erfasst, weshalb man nur schwer den Überblick behalten kann.
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Nicht medizinisch notwendige Leistungen
Allgemein lassen sich die Angebote aber in zwei Gruppen einteilen: Leistungen, die nicht medizinisch notwendig sind und nur auf Wunsch des Patienten durchgeführt werden. Das können zum Beispiel ärztliche Atteste oder auch Serviceleistungen für Freizeit, Sport oder Urlaub wie Sportuntersuchungen und besondere Impfungen, beispielsweise für Fernreisen. Auch medizinisch-kosmetische Angebote, etwa eine Brustvergrößerung oder Nasenkorrektur, fallen darunter.
Früherkennung und Vorsorge
Den größten Teil des IGeL machen jedoch Leistungen aus, die als Behandlung zur Früherkennung und Vorsorge von Krankheiten gelten. Diese Untersuchungen werden von der Krankenkasse nur in bestimmten Risikofällen, wie beispielsweise einer erblichen Vorbelastung, übernommen. Laut einer Umfrage des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) unter 2072 gesetzlich Versicherten gehören zu den 2018 am häufigsten in Anspruch genommenen Selbstzahlerleistungen zum einen die Augeninnendruckmessung zur Früherkennung von grünem Star (Glaukom), sowie der Ultraschall der Eierstöcke und Brust im Rahmen der Krebsvorsorge bei Frauen. Es folgen Bluttests, Laborleistungen und Medikamente.
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Wer legt die Preise für IGeL fest?
Einen festen Preiskatalog für individuelle Gesundheitsleistungen gibt es nicht. Man schließt einen privaten Behandlungsvertrag mit seinem Arzt ab, der die Kosten für die Leistung dann individuell und nach Aufwand berechnen kann. Die wohl am häufigsten beim Arzt angebotenen IGeL sind Blut- und Stuhluntersuchungen. Die Preise hierfür variieren hier teils stark. FITBOOK hat die Preislisten für von vier verschiedenen Laboren verglichen und daraus eine grobe Übersicht zur Orientierung erstellt. Bitte beachten Sie: Unsere Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit über das gesamte IGeL-Spektrum. Das kann sie auch gar nicht, denn aufgrund der therapeutischen Freiheit darf jeder Arzt Leistungen anbieten oder entwickeln, die er für medizinisch vertretbar hält.
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Preise der wichtigsten IGeL-Laborleistungen
Allgemeine Gesundheitschecks
Kleines Blutbild | ca. 4 Euro |
Großes Blutbild | ca. 6 Euro |
Kleiner Check-up | ab 45 Euro |
Großer Check-up | ca. 100 bis 200 Euro |
Fettstoffwechselstörung | ab 50 Euro |
Chronische Müdigkeit | ca. 180 Euro |
Herzprofil | ca.100 Euro |
Leberprofil | ca. 37 Euro |
Nierenprofil | ca.75 Euro |
Schilddrüsen-Funktion | ca. 40 bis 50 Euro |
Glukose (Blutzucker) | ca. 2 Euro |
Cholesterin | ca. 2 bis 3 Euro |
Triglyceride (Blutfette) | ca. 2 Euro |
Cortisol | ca. 17 Euro |
Allergien & Unverträglichkeiten
IgE-Test gesamt (Immunglobulin E) | 14 bis 17 Euro |
Laktose-Intoleranz (Bluttest) | 12 bis 15 Euro |
Gluten-Unverträglichkeit | 30 bis 60 Euro |
Histamin-Intoleranz | 30 bis 35 Euro |
Fructose-Intoleranz | ca. 35 Euro |
Infektionen & Immunstatus
Kleines Immunprofil | 45 bis 85 Euro |
Großes Immunprofil | ca. 300 Euro |
HIV-Test | 17 bis 25 Euro |
Syphilis | 23 bis 25 Euro |
Hepatitis C | 23 bis 27 Euro |
Hepatitis B | 30 bis 80 Euro |
Hepatitis A | 15 bis 35 Euro |
Tetanus-Impfstatus | 18 bis 24 Euro |
Diphtherie-Impfstatus | 18 bis 24 Euro |
Masern-Impfstatus | 14 bis 37 Euro |
Mumps-Impfstatus | 14 bis 37 Euro |
Röteln-Impfstatus | 14 bis 37 Euro |
FSME-Impfstatus (Hirnhautentzündung) | ab 14 Euro |
Magen-Darm-Beschwerden
Stuhluntersuchung/ Analyse der Darmflora | ab 80 Euro |
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Nährstoffmangel
Mineralstoffprofil | 35 bis 70 Euro |
Anämie-Profil (Eisenmangel) | 35 bis 75 Euro |
Ferritin | 15 bis 20 Euro |
Vitamin A | ab 20 Euro |
Vitamin B | 15 bis 35 Euro |
Vitamin C | ca. 35 Euro |
Vitamin D | 20 bis 40 Euro |
Vitamin E | 20 bis 25 Euro |
Vitamin H | 20 bis 30 Euro |
Calcium | ca. 3 Euro |
Magnesium | 2 bis 3 Euro |
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Hormonuntersuchungen
Kleiner Hormonstatus Männer | ab 80 Euro |
Großer Hormonstatus Männer | 75 bis 155 Euro |
Großer Hormonstatus Frauen | 120 bis 140 Euro |
Hormonstatus Wechseljahre | 50 bis 70 Euro |
Testosteron | 15 bis 20 Euro |
Vorsorgeuntersuchungen
PSA-Test (Prostatakrebs) | 15 bis 20 Euro |
HPV-Abstrich (Gebärmutterhalskrebs) | ca. 50 Euro |
B-Streptokokken (Schwangerschaft) | ca. 30 Euro |
Hautkrebs-Früherkennung (Auflichtmikroskopie) | ca. 25 Euro |
Augeninnendruckmessung (Grüner Star) | 15 bis 40 Euro |
Blutentnahme | ca. 4 bis 6 Euro |
Beratung | ca. 10 bis 20 Euro |
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So tappen Sie nicht in die IGeL-Kostenfalle
Immer zuerst nochmal bei der eigenen Krankenkasse nachhaken, ob die gewünschte IGeL nicht doch übernommen wird. Die Leistungskataloge der einzelnen Kassen können nämlich voneinander abweichen. Gesetzlich Versicherte haben beispielsweise alle zwei Jahre Anspruch auf eine umfassende Blutuntersuchung. Wichtig ist aber, sich unbedingt schon vor (!) der Behandlung zu informieren. Wurde die Leistung bereits privat bezahlt, ist keine Rückerstattung mehr möglich.
Ihr Arzt ist verpflichtet, Ihnen einen detaillierten, schriftlichen Kostenvoranschlag sowie eine Rechnung auszustellen. Sollten die Kosten am Ende höher ausfallen, können Sie die Zahlung des Mehrbetrages unter Umständen verweigern.
Ihr Arzt ist ebenfalls dazu verpflichtet, Sie ausführlich über Vor- und Nachteile oder auch möglichen Risiken der angebotenen Behandlung aufzuklären. Auf keinen Fall sollten Sie sich in irgendeiner Weise unter Druck setzen lassen. Aussagen wie: man verweigere Ihnen bei Ablehnung einer empfohlenen IGeL eine Weiterbehandlung, sind rechtlich nicht zulässig.
Angebote mit dem IGeL-Monitor checken
Um zu entscheiden, ob eine IGeL wirklich sinnvoll ist, kann auch der sogenannte IGeL-Monitor Abhilfe schaffen. Der MDS entwickelte das Tool, um Selbstzahlerleistungen auf den Prüfstand zu stellen und Patienten eine Entscheidungshilfe zu bieten. Dazu analysieren und bewerten medizinische und methodische Expertinnen und Experten besonders relevante IGeL aus wissenschaftlicher Sicht in Bezug auf ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die Bewertungsskala reicht von positiv, tendenziell positiv und unklar bis hin zu tendenziell negativ oder gänzlich negativ. Insgesamt wurde so bereits eine detaillierte Bewertung für über 50 besonders gefragte Individuelle Gesundheitsleistungen erstellt.
Vergleichen Sie Preise
Da jeder Arzt selbst über die Kosten für eine IGeL entscheiden kann, kann es je nach Praxis große Unterschiede bei der Preisgestaltung geben. Daher lohnt es sich, bevor Sie einer Behandlung zustimmen, das Angebot für diese Leistung in Ihrer Umgebung zu vergleichen. Unter Umständen kommen Sie so für die gleiche Leistung letztlich günstiger weg.
Achten Sie auf die Kostenobergrenze
Zu guter Letzt sei noch gesagt, dass die Ärzte nicht gänzlich frei in ihrer Preisgestaltung sind. Für IGeL gibt es eine gesetzlich geregelte Obergrenze durch die Gebührenordnung für Privatbehandlungen. Eine Leistung darf grundsätzlich maximal das 2,3-fache des einfachen Gebührensatzes betragen. Eine Überschreitung muss durch besondere Umstände gerechtfertigt sein und ist ansonsten unzulässig.
Ob eine Selbstzahlerleistung nun am Ende des Tages sinnvoll ist oder nicht, können nur Sie selbst individuell entscheiden. Seien Sie jedoch nicht voreilig und checken Sie umfangreich Kosten, Nutzen und Angebote.