13. September 2020, 20:15 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Menschen, die anderen nicht mehr die (feuchte) Hand geben mögen und im Fitnessstudio schief angeschaut werden, wenn sie mal wieder so richtig ins Schwitzen gekommen sind, haben im Zweifelsfall ein medizinisches Problem. Doch das kann man zum Glück lösen. FITBOOK sprach mit Experten über das Phänomen Hyperhidrose.
In vielen Situationen ist Schwitzen etwas ganz Normales – etwa beim Sport, wenn es besonders warm ist oder weil man sich sehr aufgeregt hat. Bei manchen Menschen geht es aber über das gewöhnliche Maß hinaus. Und weil es schon unangenehm ist, eine klitschnasse Hand zu schütteln, kann man sich gut vorstellen, wie die Betroffenen selbst darunter leiden. Seien es Vorstellungsgespräche, erste Dates oder einfach nur Besuche bei Freunden, die sie bitten, die Schuhe auszuziehen: Vieles kann bei ihnen buchstäblich Schweißausbrüche auslösen. Dadurch wird selbst die Kleiderwahl zur Herausforderung, weil auf farbigen Oberteilen Schweißflecken deutlicher zur Geltung kommen. Was viele nicht ahnen: Es gibt eine Lösung für das Problem. Aber erstmal muss man abklären, was genau hinter starkem Schwitzen steckt.
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Woran liegt es, dass man übermäßig schwitzt?
FITBOOK sprach mit dem Münchener Dermatologen Dr. med. Timm Golüke über das Phänomen des starken Schwitzens – „ein wichtiges Thema, weil es die Betroffenen sehr berührt“, wie unser Experte findet. Er hat die Erfahrung gemacht, dass sich viele nicht zum Arzt trauen: Häufig aus Scham oder weil ihnen nicht klar sei, dass dahinter eine krankhafte Ursache stecken könne.
„Bei einem Check-up lässt sich herausfinden, ob etwaige Hormonschwankungen die Schweißausbrüche auslösen, auch sind manchmal Nebenwirkungen auf Medikamente schuld“, sagt der Hautarzt. Können beide Fälle ausgeschlossen werden, handele es sich sehr wahrscheinlich um eine Hyperhidrose – so der Fachbegriff für übermäßige Schweißproduktion. Sie kann am ganzen Körper oder lokal auftreten, etwa in den Achselhöhlen, in den Handinnenflächen oder an den Füßen. „Sobald sie wissen, dass es sich um ein Krankheitsbild handelt, fühlen sich die Betroffenen in der Regel besser. Sie gewinnen Hoffnung dadurch, dass man ihnen helfen kann. Zurecht!“
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Wodurch werden die Schweißausbrüche ausgelöst?
Dr. Golüke spricht von der „Angst vor der Angst“ – also dem Unwohlsein im Hinblick auf eine Exponiertheit, in der feuchte Hände oder Schweißflecken auf dem Hemd besonders peinlich wären. Nervosität könne das Schwitzen verstärken. Doch auch wenn die psychologische Komponente mit hineinspiele, sei sie nicht ausschlaggebend. „Typisch für die Erkrankung ist, dass die Schweißausbrüche völlig situations- und temperaturunabhängig auftreten.“
Was können Betroffene gegen starkes Schwitzen tun?
Dr. Golüke rät zur Verwendung stärkerer, antiperspiranter Deodorants mit Aluminiumsalzen. Auch Cremes zur lokalen Anwendung, die Aluminiumsalze enthalten, sollen die Beschwerden lindern. Dass diese – wie oftmals behauptet – die Entstehung von Krebs begünstigen können sollen, glaubt er nicht: „Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat aluminiumhaltige Pflegeprodukte nach wie vor nicht verboten. Sie sind bis heute die effektivste unmittelbare Maßnahme.“
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In vielen Fällen sollen Schwachstrombäder gegen Hyperhidrose geholfen haben, üblich vor allem im Bereich der Hände und Füße. Mittels Elektroden wird schwacher Strom durch ein Wasserbad geleitet, die Stärke wird über ein externes Gerät gesteuert. Auch gibt es mit Elektroden versehene Schwämme. Täglich angewandt, soll diese Technik nach einigen Wochen zu einer deutlichen Schweißreduktion führen. Da sich die Methode schnell und kostengünstig zu Hause durchführen lässt und dabei ohne Medikamente oder andere Wirksubstanzen auskommt, lassen es viele Betroffene darauf ankommen – auch wenn die Wirkweise aus wissenschaftlicher Sicht nicht vollends zu erklären ist.
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Wie kann der Arzt helfen?
Neben den genannten Maßnahmen gibt es minimal-invasive Therapien beim Arzt. Dr. Golüke legt insbesondere die Behandlung mit Botox nahe. Das als Nervengift bekannte Bakterieneiweiß wird lokal injiziert, um an den betreffenden Stellen die Nervenimpulse zu blockieren, die für die (verstärkte) Schweißausscheidung verantwortlich sind. Laut dem Münchener Facharzt bringt diese Therapie einen sofortigen Effekt, der jedoch nur etwa sechs Monate lang anhält: Dann wurde das Botox vom Körper verstoffwechselt und die Schweißproduktion nimmt wieder zu – „in der Regel aber weniger stark als vor der Behandlung“, so der Experte.
Botox-Injektionen im Bereich der Hände und Füße können relativ schmerzhaft sein. In seltenen Fällen sei auch das Auftreten temporärer Lähmungserscheinungen möglich. Ein weiterer Nachteil der Behandlung ist der finanzielle Faktor: Wer seine Hyperhidrose dauerhaft in den Griff bekommen wolle, müsse die Prozedur à etwa 600 Euro zweimal im Jahr wiederholen. In besonders schweren Fällen und wenn sämtliche konventionelle Therapieformen erfolglos ausprobiert wurden, übernehmen die Krankenkassen unter Umständen die Kosten. Informieren Sie sich hierzu bitte bei Ihrem behandelnden Arzt.
Um das Schweißproblem endgültig zu beseitigen, empfehlen viele Mediziner das Absaugen der Schweißdrüsen. Dr. Golüke ist hiervon jedoch nicht angetan: „Nur etwa 50 Prozent der Schweißdrüsenabsaugungen bringen den gewünschten Effekt.“
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Was kann man gegen unangenehme Geruchsentwicklungen tun?
Schweiß rieche von Natur aus neutral. Wie der Experte uns erklärt, steht es in keinem Zusammenhang mit der Hyperhidrose, wenn der Körpergeruch unangenehm ausfällt – sondern mit Bakterien auf der Haut. Dr. Golüke berichtet uns vom extrem seltenen Fall einer Infektion der Achselhaare, die sich mit beißenden Dünsten bemerkbar mache. Dieses Problem sei mit einer lokalen, antibiotischen Therapie und dem Abrasieren der betroffenen Behaarung zu beheben.
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Starkes Schwitzen – welchen Einfluss haben Ernährung und Hygiene?
Viel häufiger liege Schweißgeruch an mangelnder Sauberkeit, also beispielsweise daran, dass Menschen ungewaschene Kleidung tragen oder nicht duschen, nachdem sie geschwitzt haben. Wer anderen stinkt, sollte seine Körperhygiene daher intensivieren!
Bekanntermaßen hat Körpergeruch auch etwas mit der Ernährung zu tun. Wer weiß, dass er am nächsten Morgen eine Stunde auf dem Laufband schwitzen wird, sollte – aus Höflichkeit den anderen Fitnessstudio-Besuchern zuliebe – auf intensiv gewürzte Speisen und schwefelhaltige Lebensmittel, beispielsweise Zwiebeln und Knoblauch, besser verzichten.