23. September 2024, 13:37 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Eine gute Tasse Kaffee gehört für viele Menschen am Morgen einfach dazu. Laut Forschungen hat das koffeinhaltige Getränk diverse positive Effekte auf die Gesundheit. Unter anderem kann Kaffeekonsum offenbar das Risiko senken, an Demenz zu erkranken. FITBOOK-Redakteurin Janine Riedle geht auf die Studienlage ein.
Ohne den Wachmacher am Morgen kommen viele nicht in die Gänge. Weltweit gehört Kaffee zu den beliebtesten Getränken, auch hierzulande. Im Schnitt trinkt jeder Deutsche 4,79 Kilogramm Kaffee im Jahr – was ungefähr 479 Tassen entspricht.1 Das ist schon eine Menge, dennoch liegt Deutschland im europäischen Mittelfeld. Luxemburg führt den Pro-Kopf-Verbrauch an Kaffee mit 8,47 Kilogramm jährlich an. In Maßen genossen, hat Kaffee viele positive Eigenschaften – und kann laut Studien sogar das Demenzrisiko senken. Doch offenbar nur bei bestimmten Personen. Für wen ist also der Kaffeekonsum gesund und wer sollte lieber die Finger davon lassen?
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Übersicht
Kaffee- und Teekonsum können das Demenzrisiko senken
Forscher der Ningxia Medical University in China bezogen Daten aus der UK-Biobank, die von mehr als 500.000 Personen stammen.2 Die Teilnehmer hatte man zwischen 2006 und 2010 in 22 Untersuchungszentren im Vereinigten Königreich rekrutiert. Zu Beginn untersuchte ein geschultes Personal die Teilnehmer, die sich anschließend dazu bereit erklärten, dass sämtliche Gesundheitsinformationen wie Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte etc. zur Nachverfolgung verwendet werden durften.
Man schloss alle Personen von der Studie aus, zu denen keine Informationen zum Blutdruck, Kaffee- und Teekonsum existierten, sowie die, bei denen eine sekundäre Hypertonie oder Demenz vorlag. Nach der Selektion ergab sich eine Studiengröße von insgesamt 453.913 Teilnehmern mit einem durchschnittlichen Alter von 72 Jahren. Die Nachbeobachtungszeit betrug im Durchschnitt 15,12 Jahre.
Mithilfe des Food Frequency Questionnaire (FFQ), einem wissenschaftlich anerkannten Fragebogen, erhob man Daten darüber, wie viele Tassen Kaffee und Tee die Teilnehmer pro Tag tranken und welche Art sie konsumierten. Anschließend analysierten die Wissenschaftler, ob ein Zusammenhang zwischen dem Konsum, dem Demenzrisiko und den Blutdruckwerten bestand.
Ergebnisse
Die Auswertung ergab, dass rund die Hälfte der Teilnehmer Bluthochdruck aufwiesen. Und genau diese Personen wiesen auch ein höheres Risiko für Demenz in jeglicher Form auf. Doch der Konsum von Kaffee kann das Risiko für Demenz bei Bluthochdruck offenbar senken: Personen, die eine halbe bis eine Tasse pro Tag tranken – besonders in gemahlener Form –, wiesen das geringste Demenzrisiko auf. Allerdings sind dem positiven Effekt auch Grenzen gesetzt. Sechs oder mehr Tassen Kaffee täglich standen mit dem höchsten Risiko in Verbindung. „Der wahrscheinliche Grund dafür ist, dass verschiedene Kaffeesorten einen unterschiedlichen Koffeingehalt aufweisen. Den höchsten Koffeingehalt hat gemahlener Kaffee, den zweithöchsten Instantkaffee und den niedrigsten entkoffeinierten Kaffee“, vermuten die Wissenschaftler.
Beim Teekonsum beobachtete man das Gegenteil: Teetrinker mit Bluthochdruck, die vier bis fünf Tassen pro Tag tranken, hatten das geringste Risiko, an Demenz zu erkranken. Dagegen fiel das Erkrankungsrisiko besonders hoch aus, wenn überhaupt kein Tee getrunken wurde.
Bedeutet: Patienten mit Bluthochdruck sollten von einem hohen Kaffeekonsum absehen. Laut der Studie sollten Betroffene eher zum Tee greifen.
Einordnung der Studie
„Der statistisch signifikante Zusammenhang zwischen Kaffee- und Teekonsum und dem Demenzrisiko war bei Menschen mit Bluthochdruck eher zu finden als bei Menschen ohne Bluthochdruck“, schreiben die Forscher in ihrer Studie. Mit diesem Wissen sollen ihnen zufolge bei Risikofaktoren wie Bluthochdruck die Zahl der Demenzfälle um bis zu 45 Prozent gesenkt werden können, wenn Kaffee und Tee richtig konsumiert würden.
Doch die Untersuchungen zeigen lediglich den Zusammenhang auf, nicht aber die Kausalitäten, die den Ergebnissen zugrunde liegen. Demnach muss an diese Erkenntnisse in weiterer Forschung angeknüpft werden, um die Mechanismen dahinter verstehen und anschließend bei einer Behandlung berücksichtigen zu können. Des Weiteren basieren einige Angaben auf der subjektiven Wahrnehmung der Teilnehmer und könnten daher nicht immer zutreffend sein.
Kaffee kann sich positiv auf das Gehirn auswirken
Zu einem ähnlichen Ergebnis in Bezug auf das koffeinhaltige Getränk kam eine Langzeitstudie, die sich ansah, ob Kaffee den kognitiven Verfall vorbeugen kann. Hierbei wurden allerdings Vorerkrankungen wie Bluthochdruck nicht berücksichtigt. Forscher der Edith Cowan University (ECU) hatten aus einem Teilnehmer-Pool 227 kognitiv gesunde Australier ab 60 Jahren ausgesucht und untersucht – und das über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren.3 Im Fokus standen dabei die kognitive Entwicklung und die Kaffeegewohnheiten der Probanden.
Um zu sehen, ob der Kaffeekonsum eventuell mit dem Abbau kognitiver Fähigkeiten zusammenhängen könnte, erfassten die Forscher mithilfe von Umfragen, wie häufig die Probanden in der Woche Kaffee tranken und wie viele Tassen Kaffee sie an einem einzelnen Tag konsumierten. Außerdem führten die Wissenschaftler neuropsychologische Tests durch. Bei einer kleinen Gruppe der Probanden wurden das Hirnvolumen sowie die Ansammlung von Aβ-Amyloid ermittelt. Bei Letzterem handelt es sich um ein Protein, welches, wenn es in größeren Mengen vorkommt, als Indikator für Alzheimer und Demenz gilt.
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Ergebnisse der ECU-Studie
Die Untersuchung ergab, dass sich Kaffeekonsum offenbar positiv auf die exekutiven Funktionen des Gehirns auswirkte. Das betraf besonders die Fähigkeiten des Planens, der Selbstkontrolle und der Aufmerksamkeit. Außerdem deuteten die Daten daraufhin, dass Kaffee die Anhäufung des Amyloid-Proteins verlangsamt. Auch dies bewerteten die Wissenschaftler so, dass der Konsum von Kaffee das Demenzrisiko senkt. „Wenn man zu Hause im Durchschnitt eine Tasse mit 240 Gramm Kaffee trinkt, könnte eine Steigerung auf zwei Tassen pro Tag den kognitiven Abbau nach 18 Monaten um acht Prozent verringern“, erläuterte Studienleiterin Dr. Gardener in einer Mitteilung der ECU.4 „Auch die Anhäufung von Amyloid im Gehirn könnte im gleichen Zeitraum um fünf Prozent abnehmen.“
Limitationen der Studie
Was die ECU-Studie nicht aufzeigen konnte, war, ob es eine Obergrenze beim Kaffeekonsum gibt, der die positive Wirkung auf das Demenzrisiko womöglich ins Gegenteil umkehren könnte. Auch machten die Forscher keine Unterscheidung zwischen Kaffee mit und ohne Koffein, mit Milch zubereitet oder ohne. Daher lässt sich nicht erschließen, auf welche Inhaltsstoffe oder Kombinationen von Inhaltsstoffen der positive gesundheitliche Effekt zurückzuführen ist.
Höheres Risiko für Demenz bei zu viel Kaffee
Dass es doch ein Zuviel beim Kaffeekonsum gibt, fand eine andere australische Studie, die zwischen 2019 und 2021 unter der Leitung von Kitty Pham lief, heraus. Gemeinsam mit einem Team von Forschenden der University of South Australia wertete sie mehr als 17.700 Biobank-Daten von Teilnehmern aus dem Vereinigten Königreich aus.5 Die Personen waren zwischen 37 und 73 Jahren alt. Sie hatten Angaben zu ihrem Kaffeetrinkverhalten gemacht und sich mithilfe von MRT untersuchen lassen.
Die Studienergebnisse
Mithilfe der Daten konnten die Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen Gehirnvolumen und Kaffeekonsum herstellen. Mit dem Ergebnis, dass eine zu hohe Menge Kaffee das Demenzrisiko erhöhte. Kitty Pham erklärte in einer Pressemitteilung: „Wir fanden heraus, dass ein höherer Kaffeekonsum signifikant mit einem reduzierten Gehirnvolumen verbunden war – der Konsum von mehr als sechs Tassen Kaffee pro Tag erhöht das Risiko von Gehirnerkrankungen wie Demenz oder Schlaganfall.“6
Ein bis zwei Tassen Kaffee am Tag gelten als normal
Die Co-Autorin der Studie, Elina Hyppönen, fügte hinzu, das Ergebnis der Studie sei zwar ein bitteres Gebräu für jeden Kaffeeliebhaber. Letztlich gehe es aber darum, eine Balance zu finden zwischen dem, was man trinke und was für die eigene Gesundheit gut sei. Die genauen Mechanismen, die zu dem Ergebnis der Studie führten, seien ihrer Meinung nach noch nicht ausreichend erforscht. Um einem möglichen entwässernden Effekt vorzubeugen, empfiehlt Hyppönen, neben Kaffee immer mal wieder auch ein Glas Wasser zu trinken.
Sie sagt auch: „Der typische tägliche Kaffeekonsum liegt zwischen einer und zwei Tassen Kaffee. Obwohl die Maßeinheiten variieren, sind ein paar Tassen Kaffee pro Tag in Ordnung.“ Merke man allerdings, dass man mehr als sechs Tassen Kaffee pro Tag zu sich nimmt, sollte man das nächste Mal ein anderes Getränk wählen.
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Fazit: Es scheint auf die Menge anzukommen
Was gilt denn nun: Ist Kaffee gut oder schlecht fürs Gehirn? Wie bei so vielen Ernährungsfragen gibt es keine einfache Antwort. Wie die Studien zeigen, gilt wohl auch beim Kaffee: Die Dosis macht das Gift. Während ein oder zwei Tassen Kaffee pro Tag das Risiko, an Demenz zu erkranken, vermindern könnten, kippt dieser Effekt anscheinend bei einer Menge von sechs Tassen pro Tag. Besonders bei Menschen mit Bluthochdruck gilt, Vorsicht beim Kaffeekonsum walten zu lassen. Im Gesamten ist die Studienlage aber wohl dennoch eine gute Nachricht für Kaffeeliebhaber. Denn in Maßen genossen ist ihr Lieblingsgetränk nach aktuellen Erkenntnissen nicht nur nicht schädlich, sondern offenbar sogar gesundheitsfördernd. Auch Tee gilt als gesund und kann je nach Art ohne Bedenken konsumiert werden.