16. Februar 2024, 16:31 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Das HI-Virus, welches das körpereigene Immunsystem angreift und schwächt, galt lange als unheilbar – lediglich die regelmäßige Einnahme von Medikamenten schützt vor dem Auftreten von AIDS. Doch über die Jahre haben sich Erfolgsgeschichten gehäuft: Auf der internationalen AIDS-Konferenz 2022 wurden zwei positive Fälle vorgestellt. Vor Kurzem wurde ein weiterer und der bisher älteste Patient in Los Angeles geheilt. Und das 30 Jahre, nachdem er sich mit dem Virus angesteckt hatte.
Im Jahr 1981 wurde AIDS das erste Mal diagnostiziert.1 Seitdem sind Wissenschaft und Medizin weit vorangeschritten: War der Befund von HIV (Humanes Immundefizienz-Virus) früher noch ein Todesurteil, können sogenannte antiretrovirale Medikamente die Viruslast im Körper bis unter die Nachweisgrenze senken und so die Ansteckungsfähigkeit aufheben. Doch die Chance auf Heilung gab es lange Zeit nicht. Inzwischen gibt es jedoch einige Fälle, in denen Patienten mit unterschiedlichen Therapien das hartnäckige Virus besiegen konnten. Das macht Hoffnung auf eine flächendeckende Heilung von HIV bzw. AIDS.
Übersicht
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Heilung nach 30 Jahren: der älteste virusfreie Patient
Er wird „City-of-Hope“-Patient genannt: Der 68-jährige Paul Edmonds aus Desert Springs ist der fünfte Mensch weltweit, welcher durch eine spezielle Behandlung virusfrei wurde. Und nicht nur das: auch seine Leukämie (Blutkrebs) wurde dadurch genesen. Seinen medialen Spitznamen verdankt er der gleichnamigen Krebsklinik in Kalifornien. Das Mediziner-Team um Jana Dickter berichtete am 15.02.2024 im „New England Journal of Medicine“ über seinen Erfolg mit einer speziellen allogenen Stammzelltransplantation, die sowohl für HIV als auch Leukämie wirksam ist.2
Edmonds erhielt eine Blutstammzell-Transplantation von einem Spender, der eine seltene Genmutation aufwies, welche zu HIV-resistenten Zellen führt. Bis zu dieser Behandlung war Edmonds bereits über 30 Jahre mit dem HI-Virus infiziert. Inzwischen hat er vor fast drei Jahren aufgehört, antiretrovirale Therapien gegen HIV einzunehmen. Der Stammzell-Ansatz kann also auch bei Patienten im höheren Alter wirksam sein.
Allerdings kommt eine Stammzelltherapie nur dann infrage, wenn Patienten schwerst erkrankt sind. Denn hierbei handelt es sich um ein hochriskantes Verfahren.
Mit diesen Verfahren wurden zwei weitere Patienten geheilt
Wie „Insider“ berichtet, wurden zwei weitere Menschen, die HIV-positiv waren, geheilt. Dies wurde auf der internationalen AIDS-Konferenz in Montreal verkündet, die am 2. August 2022 endete.
Rückenmarktransplantation mit HIV-resistenten Zellen
Paul Edmond ist nicht der erste erfolgreiche Patient von Ärztin Jana Dickter. Auch ein weiterer US-Amerikaner, der sich einer Krebstherapie in Kalifornien unterzog, wurde dank ihrer Arbeit geheilt. Dabei bekam der Krebspatient das Rückenmark eines Spenders transplantiert, der immun gegen HIV ist. Die Behandlung diente in erster Linie der Heilung seiner Leukämie-Erkrankung, wie auch in Edmonds Fall. Gleichzeitig erhielt der Patient vom Spender auch HIV-resistente Zellen.
Dieser Fall ebnete also den Weg für Edmond: Auf der AIDS-Konferenz 2022 sagte Dickter: „Der Grund für diese Transplantation war, seine Leukämie zu heilen.“ Doch man wolle diese Strategie in Zukunft bei weiteren Patienten anwenden.
Zum Zeitpunkt der Konferenz war Dickters erster geheilter Patient 66 Jahre alt und lebte seit 31 Jahren mit HIV. Durch die Leukämie-Therapie drei Jahre zuvor war der Amerikaner frei von dem HI-Virus.
Methode wurde auch in anderen Ländern erprobt
Diese Art der Behandlung wurde an mindestens zwei weiteren Patienten erfolgreich durchgeführt. Erstmals in Berlin 2007 und zuletzt auch in London im Jahr 2019. Auch in diesen Fällen bekamen die Patienten das Knochenmark von Spendern, die HIV-resistente Antikörper hatten. Dabei handelt es sich um eine Mutation, die einige Menschen vor einer Ansteckung mit HIV schützt.
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Erstaunlicher Fall: Immunsystem mit Selbstheilungskräften bekämpft das HI-Virus
Bei der zweiten Person, deren Fall auf der AIDS-Konferenz 2022 vorgestellt wurde, handelt es sich um eine Frau, die über ein Immunsystem mit besonderen Selbstheilungskräften verfügt. Die Spanierin ist seit mittlerweile 15 Jahren frei von dem Virus. Davor hatte sie ganz normale, antiretrovirale Medikamente gegen HIV eingenommen. Doch normalerweise fängt das Virus an, sich im Körper zu vermehren, sobald man die Medikamente absetzt. Aber nicht in diesem besonderen Fall.
Die Ärzte gehen davon aus, dass diese Patientin zu einer kleinen Gruppe von Menschen auf der ganzen Welt gehört. Diese bezeichnet man als sogenannte „Elite Controller“. Denn diese besonderen Menschen verfügen über ein Immunsystem, welches das HI-Virus auf natürliche Weise angreifen und an der Reproduktion hindern kann. Und das komplett ohne Medikamente. So soll die HIV-Anzahl im Körper der spanischen Patienten um 98 Prozent zurückgegangen sein.
Bislang ist unbekannt, wie hoch der Anteil dieser „Elite Controller“ in der Bevölkerung ist. Dokumentiert sind lediglich zwei weitere Fälle weltweit, die diese Art der Selbstheilung beweisen.
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Hoffnungsschimmer für Millionen von HIV-Patienten
Die bisher veröffentlichten Fälle dürften ein Hoffnungsschimmer für Millionen von HIV-Patienten auf der ganzen Welt sein. Denn obwohl sich das HI-Virus mit Medikamenten gut unterdrücken lässt und dadurch an der Reproduktion gehindert wird, so ist es bislang unmöglich, es komplett aus dem Körper zu beseitigen. Insbesondere der Fall der Spanierin zeigt aber, dass das Immunsystem in einigen Fällen eine Heilung von HIV allein erzielen kann. Jetzt müssen die Forscher nur noch herausfinden, welcher Mechanismus dahintersteckt. Und: ob dieser bei anderen Menschen aktiviert werden kann.