19. Januar 2021, 5:38 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wer jeden Tag Alkohol trinkt – selbst, wenn es nur sehr geringe Mengen sind – kann seiner Gesundheit nachträglich schaden. Das hat eine aktuelle Studie aus Hamburg herausgefunden. Demnach steigt bereits bei einem Glas Wein oder einem kleinen Bier pro Tag das Risiko, an Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern zu erkranken.
Vorherige Studien hätten bereits gezeigt, dass sich ein hoher Konsum von Alkohol negativ auf Herzgesundheit auswirkt, so die Hamburger Forscher. Ihre eigenen Ergebnisse zeigen nun, dass für diesen negativen Effekt gar nicht viel getrunken werden muss, sondern auch geringe Mengen Alkohol nicht unbedenklich sind.
Bisherige Forschungslage
Wer viel Alkohol trinkt, hat ein stark erhöhtes Risiko für Herzversagen, heißt es in der Pressemitteilung der „European Society of Cardiology“. Wer hingegen moderat trinkt, hätte sogar ein etwas geringeres Risiko als Menschen, die nie Alkohol trinken. Bislang sei ungeklärt gewesen, ob es beim Vorhofflimmern einen ähnlichen Effekt gäbe. Beim Vorhofflimmern handelt es sich um die häufigste Form von Herzrhythmusstörungen, bei der die Vorhöfe des Herzens durch Erregungen aus dem Takt geraten. Dadurch können sie sich nicht vollständig mit Blut füllen, was die ausgeworfene Blutmenge des Herzens verringert. Die Herzleistung reduziert sich dadurch um rund 20 Prozent. Symptome für Vorhofflimmern können Schwindel, Müdigkeit, Atemnot, Brustschmerzen, Herzrasen- oder -stolpern und auch Angstgefühle sein. Laut der Deutschen Herzstiftung spürt jedoch nur jeder zweite Betroffene diese Symptome. Das ist gefährlich, da es in schlimmen Fällen auch zu Blutgerinnseln und Schlaganfällen kommen kann.
„Bisherige Studien waren nicht stark genug, diese Fragestellung zu überprüfen. Sie haben jedoch die Beziehung zwischen Alkoholkonsum und anderen Herz- und Gefäßkrankheiten, wie Herzinfarkte und Herzversagen, festgestellt“, erklärt die Leiterin der aktuellen Studie, Prof. Renate Schnabel, Fachärztin für Kardiologie am Universitären Herz- und Gefäßzentrum in Hamburg.
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Wie lief die Studie ab?
Für die Untersuchungsreihe, veröffentlicht im „European Heart Journal“, wurden die Daten von 107.845 Probanden untersucht (Altersmedian bei 48 Jahren), die sich an fünf Studien in Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark und Italien beteiligt hatten. Alle wurden zu dem Zeitpunkt, als sie der jeweiligen Studie zwischen 1982 und 2010 beigetreten sind, medizinisch untersucht und zu ihrem Lebensstil befragt. 100.092 von ihnen litten zu diesem Zeitpunkt nicht an Vorhofflimmern. Während eines durchschnittlichen Untersuchungszeitraums von 14 Jahren entwickelten 5.854 Personen die Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern.
Mehr als 75 Prozent der Probanden tranken bis zu ein Glas Alkohol pro Tag. Die Forscher definierten einen alkoholischen Drink als Getränk mit 12 Gramm Ethanol. Das wären beispielsweise 120 Milliliter Wein oder 330 Milliliter Bier.
16 Prozent höheres Risiko für Vorhofflimmern bei einem Glas Alkohol täglich
Im Vergleich zu den Probanden, die keinen Alkohol tranken, hatten die, die sich ein Glas pro Tag gönnten, ein 16 Prozent höheres Risiko, an Vorhofflimmern zu erkranken. Und das Risiko stieg mit zunehmendem Alkoholkonsum immer weiter an. Wer bis zu zwei Gläser täglich trank, hatte schon ein um 28 Prozent höheres Risiko. Bei mehr als vier täglichen Gläsern Alkohol hatte sich das Risiko für die Erkrankung an Vorhofflimmern mit 47 Prozent fast verdoppelt.
Prof. Schnabel bezeichnet die Erkenntnisse als sehr wichtig, „da der regelmäßige Alkoholkonsum, das beispielsweise in der Laienpresse oft empfohlene ‚eine Glas Wein pro Tag‘ zum Schutze des Herzens, nicht mehr nahegelegt werden sollte“. Zumindest nicht, ohne Risiken und mögliche Vorteile für alle Herz- und Blutgefäßerkrankungen, einschließlich Vorhofflimmern, abzuwägen.
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Anmerkungen zur Studie
Wie bei den meisten anderen wissenschaftlichen Untersuchungen, die (zum Teil) auf einer Selbstauskunft von Studienteilnehmer*innen basieren, kann es auch bei dieser zu Abweichungen gekommen sein. So waren die Probanden beispielsweise selbst dafür verantwortlich, zu dokumentieren, wie viel und welche Art von Alkohol sie getrunken haben. Das Forscherteam merkt an, dass die Möglichkeit bestehe, dass es dadurch zu Mindermeldungen gekommen sei. Also, dass Probanden aus Schamgefühl nicht ihren tatsächlichen Alkoholkonsum gemeldet haben, sondern weniger. Oder, dass sie schlicht vergessen haben, wie viel sie getrunken hatten und schätzen mussten.
Zudem hat, wie bereits angemerkt, rund die Hälfte aller Menschen mit Vorhofflimmern keine Symptome. So kann es gut sein, dass weitere Probanden an der Herzrhythmusstörung erkrankt waren, aber nicht diagnostiziert wurden.