5. Mai 2020, 13:42 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Gehören Sie auch zu denjenigen, die das viele Zuhausebleiben aufgrund der Corona-Einschränkungen mit Spaziergängen unterbrechen? Diese Idee kam auch einem selbsternannten „einfachen Mann“ (Youtube-Name: „Simple Man“) in den USA. Er setzte sich das Ziel, innerhalb einer Woche rund 100 Meilen zu Fuß zurückzulegen, das entspricht rund 160 Kilometern. Die ausgedehnten Spaziergänge bewirkten so einiges in seinem Körper. Erfahren Sie, was genau – und was ein Sportmediziner zu dieser Geh-Challenge sagt.
Steven, wie Simple Man mit echtem Vornamen heißt, hat seine inzwischen 69.200 Youtube-Abonnenten auch schon mit anderen Selbstversuchen unterhalten. Zuletzt hatte er sich zur Aufgabe gemacht, täglich zwölf Eier zu essen – mit nach eigener Aussage weniger gesundheitsförderlichen Effekten auf bspw. seinen Cholesterinspiegel. Im Vergleich dazu war seine Geh-Challenge ein voller Erfolg. Steven investierte nach eigenen Angaben vier Stunden täglich, um auf jeweils 23 Kilometer zu kommen. An Tag sechs habe sich das erstmals mit schwereren Erschöpfungserscheinungen bemerkbar gemacht, wie er auf Youtube berichtet. Was ihm hingegen neuen Ansporn gab: Seine Wadenmuskeln wurden zusehends definierter. Doch nicht nur das!
Euphorisch durch Runner’s High
Am Ende brachte es Steven auf rund 176 Kilometer, also rund 15 Kilometer mehr, als er sich für seine einwöchige Geh-Challenge eigentlich vorgenommen hatte. Und dabei soll ihm jede Einheit seelisch so richtig gutgetan haben. Der Youtuber berichtet von Gefühlen der Euphorie, die ihn befallen haben sollen – vergleichbar mit dem sogenannten „Runner’s High“ (z. Dt. „Läuferhoch“), von dem Laufsportler häufig berichten.
Auch interessant: Wer sportlich ist, kommt psychisch besser durch die Corona-Krise
Was 31.000 Schritte täglich bewirkt haben
Nach sieben Tagen will Simple Man rund zwei Kilogramm weniger auf die Waage gebracht haben als davor. Sein Körperfettanteil habe sich um 0,9 Prozent reduziert, zudem berichtet er über einen geringfügig verbesserten Blutdruck von 117 zu 82 (vorher: 122 zu 88).
Besonders interessant: Auch seine Körpergröße soll sich durch die 31.000 Schritte täglich verändert haben. So sei er nach Beendigung der Geh-Challenge einen Zentimeter größer gewesen. Die Erklärung liefert Simple Man gleich mit: Er glaubt, das vermehrte Gehen habe seine Wirbelsäule gestärkt, wodurch er aufrechter und größer stehe. Steven räumt aber auch ein, dass er sich schon lange vorher nicht mehr gemessen habe.
„
Nachgefragt beim Experten Trainiert ein Spaziergang die Ausdauer genauso gut wie Sport?
Studie Schon so wenig Schritte pro Woche verlängern das Leben
Einsteiger, aufgepasst! Lauf-Experte: „Am Anfang reichen pro Einheit 500 Meter“
Was sagt der Sportmediziner zu dieser Geh-Challenge?
FITBOOK hat Dr. Paul Schmidt-Hellinger, Sportmediziner an der Charité in Berlin und Marathonläufer, gefragt, wie er das Ganze bewertet. „Die Ergebnisse sind überhaupt nicht überraschend, was die Gewichtsabnahme und die Blutdruckveränderung angeht“, so sein Fazit. Schmidt-Hellinger weist zudem darauf hin, dass man in diesem Fall nicht wisse, auf welchem Fitnessniveau der Mann war und wie viele Schritte am Tag er vorher erreicht habe. „Auch weiß man nicht, wie lange er dieses Niveau hatte und welche Vorerfahrungen er mitbrachte.“
Auch interessant: Trainiert ein langer Spaziergang die Ausdauer?
Entsprechend würde Schmidt-Hellinger niemandem uneingeschränkt empfehlen, das auszuprobieren. Wer es nicht gewohnt sei, solche Strecken zu gehen, riskiere Verletzungen wie etwa Sehnenentzündungen oder gar Ermüdungsbrüche.
Grundsätzlich sieht Dr. Paul Schmidt-Hellinger derartige Challenges kritisch: Solche „kurzfristigen Interventionen“ hätten natürlich einen Effekt, aber die Frage sei, wie lange dieser anhalte. „Letztlich zeigt sich, dass solche eruptiven Aktivitätsveränderungen – also mal eine Woche sehr viel machen – nicht unbedingt zu langfristigen Veränderungen führen.“ Das Problem sei vor allem auch ein psychologisches: „Wer jetzt denkt, er habe innerhalb einer Woche so viel Sport gemacht, neigt eventuell dazu zu glauben, er könne jetzt alles essen und den Rest des Jahres wieder überallhin mit dem Auto zu fahren“, warnt Schmidt-Hellinger.
Die Empfehlung des Sportmediziners: die Schrittzahl langfristig graduiert erhöhen. „10.000 wäre da sicher ein gutes Ziel. Dies kann man erreichen, wenn man beispielsweise eine Station aus Bus oder Bahn früher aussteigt und den Rest geht oder etwa das Auto etwas weiter weg parkt, sodass man etwas mehr gehen muss.“