21. Februar 2024, 4:55 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Muskuläre Verkürzungen und Verspannungen der Hamstrings oder sogenannte Pseudoischialgien können quälende Schmerzen verursachen, die vom Gesäß bis ins Bein ausstrahlen. Bestimmte Übungen können helfen, die Beschwerden zu lindern – die im Übrigen nichts mit einer Ischialgie zu tun haben!
Die ischiocrurale Muskulatur wird im Volksmund auch Hamstrings genannt. Dieser Beiname rührt aus der am Sitzbeinhöcker ansetzenden Sehnen – denn „Hamstrings“ bedeutet übersetzt „Schinkenseile“. Diese Muskelgruppe verläuft über zwei Gelenke und ist für das Strecken des Hüftgelenks sowie das Beugen des Knies verantwortlich. Diese Tatsache macht die Hamstrings nicht nur besonders verletzungsanfällig: Diese Muskulatur ist auch prädestiniert für muskuläre Verkürzungen und Verspannungen – und damit ein Kandidat für enorme Schmerzen. Gleiches gilt für den Musculus piriformis, der Oberschenkel und Kreuzbein verbindet und verborgen unter dem großen Gesäßmuskel (Musculus gluteus) liegt. Verspannt dieser birnenförmige Muskel, kann das ebenfalls quälende Schmerzen verursachen, Stichwort: Pseudoischialgie. Eine medizinische Fitnesstrainerin zeigt 7 Übungen gegen Schmerzen im Gesäß, die bis ins Bein ausstrahlen.
Übersicht
Die Ursache für stechende Schmerzen im Gesäß, die bis ins Bein ausstrahlen
An dieser Stelle ist es zunächst wichtig, zu erwähnen, dass Schmerzen, die vom Ischiasnerv ausgehen, grundsätzlich zu unterscheiden von den Schmerzen sind, die von einer muskulären Verspannung der Hamstrings oder des Piriformis ausgehen. Letzteres wird deshalb auch als Pseudoischialgie oder Pseudo-Ischias bezeichnet: Dieser Begriff beschreibt eine Reizung des Ischiasnervs, der durch Physiotherapie behandelt werden kann. Wer nicht entsprechend in Behandlung ist, kann mit den aufgeführten Übungen möglicherweise ebenfalls gute Verbesserungen erzielen.
Wichtig: Ischialgie hat andere Ursachen
Eine klassische Ischialgie – also Schmerzen und Begleitbegleitbeschwerden, die vom Ischiasnerv ausgehen – ist kein Schmerz, der vor allem durch Muskel verursacht wird. (Anders als Pseudo-Ischias, der von einem verspannten Piriformis herrührt). Eine Ischialgie kommt definitionsgemäß durch eine Nervenwurzelkompression an der Wirbelsäule zustande und kann ein ernst zu nehmendes Problem darstellen, in dessen Folge es zu Ausfallerscheinungen kommen kann.
Bei einer Ischialgie können Übungen eher zu einer Verschlechterung führen
Daher möchten wir an dieser Stelle darauf hinweisen, dass spezifische Übungen bei einer Ischialgie eher zu einer Verschlechterung als zu einer Verbesserung führen! Bei einschießende, elektrisierende Schmerzen im unteren Rücken sollte man unbedingt von diesen Übungen absehen und einen Arzt aufsuchen. Wenn Sie sich nicht sicher sind, woher Ihre Schmerzen rühren, sollten Sie ebenfalls eher von diesen Übungen absehen.
Daher nochmal der Hinweis, dass die im Folgenden beschriebenen Übungen gegen muskuläre Verspannungen des Piriformis sowie der Hamstrings helfen sollen.
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Piriformis oder Hamstrings verspannt bzw. verkürzt – diese Übungen helfen gegen die Schmerzen
Luise Walther ist Expertin für neurozentriertes Training. Bei FITBOOK zeigt sie 7 gezielte Übungen gegen Schmerzen, deren Ursachen in Verspannungen bzw. Verkürzungen der ischiocruralen Muskulatur sowie des Piriformis liegen. Die Anspannungs-, Entspannungs- und Atemübungen sollen in den genannten Bereichen möglichst unterschiedliche Bewegungen ermöglichen – und damit gegen die quälenden Schmerzen, die vom Gesäß bis in die Beine ausstrahlen, helfen.
Vorab: Führen Sie die Übungen gegen eine Verspannung oder Verkürzung der Hamstrings oder des Piriformis langsam und gleichmäßig aus. Bei Schmerzen sollten Sie sofort aufhören.
Übung 1: Lendenwirbelsäule kreisen
Bei den beschriebenen Beschwerden kann es zunächst hilfreich sein, die Lendenwirbelsäule zu mobilisieren und damit diese Muskulatur und das umliegende Gewebe zu aktivieren.
Anleitung: Stellen Sie sich schulterbreit hin, die Knie sind leicht gebeugt. Lehnen Sie sich so weit zur rechten Seite, wie es Ihnen angenehm ist. Arme, Kopf und Nacken lockerlassen. Führen Sie von der Lendenwirbelsäule ausgehend einen vorderen Halbkreis bis zur linken Seite durch. Richten Sie sich über die linke Seite wieder auf. Führen Sie die Bewegung über die linke Seite durch, lehnen Sie sich zur linken Seite, soweit es angenehm ist und führen Sie den vorderen Halbkreis zur rechten Seite durch.
Übung 2: Anspannung des Tibialisnervs
Die Mobilisierung des Schienbeinnervs (Nervus tibialis) kann ebenfalls helfen, die weitreichenden Verspannungen zwischen Hüfte, Oberscheankel und Knie zu lösen. Er zieht sich durch die Kniekehle an der Wade entlang.
Anleitung: Setzen Sie sich aufrecht hin und strecken Sie das betroffene Bein nach vorne auf dem Boden aus. Ziehen Sie den Fuß und die Zehenspitzen zu sich hin, Außenkante des Fußes anheben. Beugen Sie ihre Hüfte und danach die Wirbelsäule langsam ohne ruckartige Bewegungen Wirbel für Wirbel, vom Kopf angefangen nach vorne. Mobilisieren Sie den Nerv nun durch das langsame Lockerlassen des Knies und anschließendes erneutes Durchdrücken des Knies. Gehen Sie langsam und gleichmäßig in diese Übung und hören Sie bei Schmerzen sofort auf.
Übung 3: Entspannung des Tibialisnervs
Ist Ihnen die Anspannung des Schienbeinnervs unangenehm, versuchen Sie es mit der Entspannung.
So geht’s: Setzen Sie sich aufrecht hin und beugen Sie das betroffene Bein nach hinten. Stellen Sie den Fuß und die Zehenspitzen gebeugt ab. Heben Sie die Innenkante des Fußes an. Strecken Sie Ihre Wirbelsäule. Mobilisieren Sie den Nerv nun durch langsames Beugen und Strecken des Fußgelenks.
Übung 4: Aktivierungssequenz
Bei quälenden Schmerzen in Gesäß/Hüfte und Bein, die durch muskuläre Verspannungen und Verkürzungen der ischiocruralen Muskulatur oder eine Pseudoischialgie – also Verspannung oder Verkürzung des Piriformis – verursacht werden, kann eine gezielte Dehnung des Fußrückens entlastend sein.
Anleitung: Strecken Sie das schmerzende Bein aus dem neutralen Stand heraus nach hinten auf den Boden aus. Der Fußrücken ist locker auf einem Kissen oder Handtuch abgelegt. Benutzen Sie die Knie- und Fußposition, um eine Dehnungsmobilisierung direkt unterhalb des Schienbeins am Spann des Fußes zu erreichen. Ziehen Sie Ihr Schambein zum Bauchnabel hin. Spüren Sie die Anspannung im Gesäß und die Aktivierung der unteren Bauchmuskulatur? Dann ist es richtig!
Führen Sie nacheinander fünf Kniebeugen mit dem Vorderbein durch. Das betroffene Bein sollte durchgestreckt bleiben.
Übung 5 bei einer Verspannung oder Verkürzung des Piriformis: Dehnung des verborgenen Gesäßmuskels
Der Musculus piriformis liegt verborgen unter dem Gesäßmuskel und verbindet Oberschenkelknochen und Kreuzbein. Eine Dehnung des Piriformis kann eine Verspannung oder Verkürzung in diesem Bereich lindern – das gelingt mit folgender Übung.
So geht’s: Setzen Sie sich aufrecht hin und überschlagen das betroffene Bein über das gesunde. Der Unterschenkel sollte auf dem Knie liegen. Nun lehnen Sie sich mit dem Oberkörper langsam nach vorne, bis Sie eine Dehnung im Gesäß spüren. Mobilisieren Sie langsam die betroffene Stelle, indem Sie das Becken langsam und gleichmäßig nach vorne und hinten bewegen; kippen Sie in ein leichtes Hohlkreuz und ziehen dann das Schambein zum Bauchnabel.
Übung 6: Leiteratmung
Ausstrahlende Schmerzen führen oft zu Schonhaltungen. Atemübungen, die die beteiligte Muskulatur in Brust, Bauch, Rücken, Zwerchfell und Beckenboden gezielt entspannen, können dem entgegenwirken. Denn nur Muskeln, die sich entspannen können, sind in der Lage, auch anzuspannen und können in der vorgesehenen Funktion wirken.
So geht die Leiteratmung (Ausführung im Stand oder sitzend): Legen Sie beide Hände auf den Bauch und nehmen fünf tiefe Atemzüge durch die Nase in den Bauchraum. Legen Sie anschließend Ihre Hände auf die Rippenbögen und atmen Sie fünfmal tief durch die Nase ein und aus und versuchen Sie, die Atmung in die Rippenbögen zu leiten. Platzieren Sie die Hände auf die Brust und atmen Sie gleichmäßig tief durch die Nase ein und aus. Atmen Sie in den Brustkorb.
Übung 7: Bauchraumatmung mit Widerstand
Gegen akute Schmerzen im Gesäß, die bis ins Bein ausstrahlen und von einer Verspannung des Piriformis oder der Hamstrings kommen, kann nach Ansicht der Expertin auch die sogenannte Bauchraumatmung mit Widerstand helfen.
Und das geht so: Legen Sie sich auf den Rücken und platzieren die Beine auf einem Stuhl, Gymnastikball oder gestapelten Kissen. Atmen Sie ruhig und gleichmäßig in den Bauchraum. Wenn Ihnen die Bauchraumatmung schwerfällt, können Sie mit den Händen Druck auf den Bauchraum ausüben. Sie können Sie sich auch einen Schal oder ein Tuch um den Bauch wickeln, um einen leichten Druck zu erzeugen. Alternativ können Sie sich ein schweres Buch auf den Bauch legen und mit der Atmung versuchen, das Buch zu bewegen.
Zur Person: Luise Walther ist Personal Trainerin in Berlin mit Schwerpunkt funktionelle Neurologie und neurozentriertes Bewegungstraining. Sie verfügt über Fachwissen in der Rehabilitation, Verletzungsprophylaxe sowie Performance-Steigerung.